(B. Schlick, V. Winter, K. Mertens, Rheinische Kantorei, Das Kleine Konzert, Hermann Max)
Eine Trauermusik für August den Starken - das lässt barocke Prachtentfaltung sondergleichen erwarten. Wer aber auf monarchischen Pomp und Beerdigungs-Protz hofft, der wird vom weitgehend eher zurückhaltenden Duktus dieses Telemann-Werkes verblüfft sein, ebenso von seinem zumeist fast heiteren Grundton.
Letzterer mag sich daraus erklären, dass es sich nicht um "Gebrauchsmusik" zu den Bestattungsfeierlichkeiten handelte, sondern um andernorts (Hamburg) aufzuführende Gedenkmusik für einen Helden, eine "Serenata eroica" eben, wenn auch August der Starke mehr Weiberheld als alles andere war und gewiß nicht, wie es im Text heißt, Sachsens "höchstes Glücke", das er nämlich mit seinen Prunkbauten in den finanziellen Ruin trieb.
Nichtsdestotrotz war es natürlich Bürger- und Künstlerpflicht, die Herrscherqualitäten des Verblichenen in den höchsten Tönen zu rühmen. Ernste Festlichkeit verströmt dabei eingangs eine Sinfonia mit Pauken und gedämpften Trompeten, der ein eigenwilliger zweistimmiger Klagechor folgt. Dass Telemann keine x-beliebige Massenware ablieferte, wird insgesamt immer wieder an überraschenden chromatischen Wendungen und harmonischen Kühnheiten deutlich, die aufhorchen lassen.
Inhaltlich streitet sich das trauernde Volk mit der personifizierten Zeit um die Vergänglichkeit und findet letztlich seinen Trost im unvergänglichen Nachruhm des Herrschers und in der Gewißheit eines würdigen Nachfolgers. Dazwischen ist ausreichend Gelegenheit, den König als Helden zu feiern, der beispielsweise auch am Kriegsgetümmel sein "edles Vergnügen" gefunden hat, wie es sich für einen Herrscher halt so gehört.
Dass die gut 80 Minuten, die das Werk dauert, trotz solcher Absonderlichkeiten zu interessieren vermögen, ist in erster Linie das Verdienst Hermann Max´, der mit dem "Kleinen Konzert" gewohnt straff und kraftvoll musiziert. Der ausgezeichnet agierende Chor kommt nur wenig zum Einsatz, was angesichts seiner klaren Artikulation und Intonationssicherheit schon schade ist.
Noch bedauerlicher ist der Umstand deshalb, weil die Solistenriege nicht durchweg von gleicher Qualität ist. So klingt Andreas Posts Tenor doch recht dünn und kraftlos, weshalb man ihm die Verkörperung ausgerechnet der "Majestät" nicht abnimmt. Insgesamt scheint das Sängerensemble überwiegend nicht ganz begriffen zu haben, dass es bestimmte Rollen verkörpert, keinen abstrakten Text präsentiert. Oder aber, was noch schlimmer wäre, es scheut den barocken Pathos. Hans Jörg Mammel etwa singt die "Zeit" im Sinne von Vergänglichkeit zwar mit schöner Stimme, aber ohne die Bedrohlichkeit, die ihr vom Textdichter zugedacht ist. Angenehme Ausnahmen: Klaus Mertens als "Tapferkeit", der in einer die Kriegslust rühmenden Arie brilliert, ihm ebenbürtig die erfahrene und souveräne Barbara Schlick als empfindsam-betrübtes "Sachsen".
So ist die klanglich gute, mit einigem Hall versehene Live-Aufnahme zwar ein interessantes Dokument telemannschen Schaffens geworden, aber keine mitreissende Referenzeinspielung.
Repertoire: 3 Punkte
Klang: 4 Punkte
Interpretation: 3 Punkte
Edition: 4 Punkte
Gesamt: 14 Punkte
Sven Kerkhoff
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