Rainbow Promise
Rainbow Promise
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Info |
Musikrichtung:
Rock
VÖ: 29.10.2021 (1972)
(Retroactive)
Gesamtspielzeit: 33:07
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„Why should the Devil have all the good music?“ fragte Larry Norman, Luther zitierend, einst anno 1972. Er war seit 1969 bereits mit gutem Beispiel vorangegangen, und zahllose Menschen folgten ihm auf seinem Pfad, Rockmusik mit christlichen Texten zu koppeln. In den USA entstand so ab den frühen Siebzigern eine Bewegung, die später als Jesus Rock Movement in die Musikgeschichtsbücher einging und die das komplette strukturelle Spektrum umfaßte: von langfristigen Berühmtheiten wie Norman selbst oder den kommerziell sehr erfolgreichen Petra bis zu kurzlebigen Acts, die, nachdem sie für einen Moment mehr oder weniger Staub aufgewirbelt hatten, schnell in den Äonen der Geschichte verschwanden.
In einigen Fällen hielt der aufgewirbelte Staub das Interesse allerdings über Jahrzehnte hinweg wach. Eine dieser Combos kam aus Texas, hörte auf den Namen Rainbow Promise und veröffentlichte anno 1972 über das kleine Label Wine Skin Records ein selbstbetiteltes, in einem Studio in Illinois aufgenommenes Album, ehe spätestens 1974 schon wieder Schicht im Schacht war. Rainbow Promise avancierte allerdings zum Kultalbum und zur Rarität, für die Sammler in späteren Jahren hohe Preise zu zahlen bereit waren. Wer nicht ganz so viel investieren wollte oder konnte, für den kam 2021 die Erlösung in Gestalt eines Re-Releases via Retroactive Records. Da zwar die neun Songs remastert wurden, aber keine Extranummern enthalten sind, wird niemand gezwungen, noch ein zweites Mal den Geldbeutel zu zücken, sofern das Original-Vinyl schon in der Sammlung steht.
Interessanterweise wird als Zuordnung oftmals Psychedelic Rock angegeben, obwohl von diesem Stil gar nicht so viel im Mix Rainbow Promises enthalten ist. Klar, es gibt Passagen oder auch ganze Songs wie „Someone You Need“ oder die Halbballade „Do You Hear“, die auch Velvet Underground oder Jefferson Airplane hätten erdenken können, aber man findet ebenso klassischen Westcoast (mit Wilson-McKinsey als im Schrifttum mehrfach angegebener Referenz, auch in religiöser Hinsicht passend), ein paar eher obskure Elemente und vor allem Classic Rock, der, wenn er mit doppelläufigen Leadgitarren arbeitet wie gleich im Opener „Get Ready“, einen markanten Wishbone-Ash-Spirit atmet. Die Wahrscheinlichkeit, dass man die in der US-Provinz anno 1972 (da kam gerade der Drittling Argus heraus) schon kannte, noch dazu als christlich orientierter Musiker, liegt durchaus nicht bei Null, waren die Briten doch mit ihrem Zweitling Pilgrimage auch in den USA durchgestartet und auch schon dort auf Tour gewesen – aber egal wie: Die Stilverwandtschaft ist deutlich, vor allem in „I’ve Got The Rebirth“ und „Prophecy“, wo auch noch die mehrstimmigen Gesangsarrangements in diese Richtung weisen, freilich auch dort ohne den Vorwurf, Rainbow Promise seien nicht mehr als billige Kopisten. Ihren Mix darf man sowieso als ziemlich eklektizistisch bezeichnen, gebärdet sich „Romans 8-28“ doch eher wie klassischer Americana-Sound, der wegen der relativ kräftigen Gitarren aber trotzdem im Rocksektor anzusiedeln bleibt, was auf den Singalong „The Joy Of The Lord“, der in der zweiten Strophe tatsächlich in großer Freude und Gelächter mündet, nicht mehr zutrifft. Rainbow Promise besaßen übrigens gleich drei Gitarristen, wobei sich Richard Slaton exklusiv um den akustischen Teil der Rhythmusgitarren kümmerte. Acht der Songs sind Eigenkompositionen, an denen Bandkopf Steve Powell (die Wahrscheinlichkeit, dass der gar mit Ashs Andy Powell verwandt sein könnte, dürfte nun aber wirklich minimal sein) den größten kreativen Anteil hat. Dazu kommt eine Coverversion von „Little Country Church“, einer der bekanntesten Nummern von Love Song, einer dieser Bands aus dem Jesus Rock Movement, die deutlich mehr und längerfristig Staub aufwirbelten. Besagter Song wurde gleichfalls erst 1972 als Studiofassung veröffentlicht, allerdings schon vorher live gespielt (es soll eine mitgeschnittene Fassung auf dem Maranatha-Livealbum „The Everlastin‘ Living Jesus Music Concert“ von 1971 geben), so dass Rainbow Promise ihn kennenlernen und sein Potential erkennen konnten. Ihre Version liegt in einer hypothetischen Schnittmenge aus gleich allen ihrer vier Hauptstileinflüsse, also Westcoast, Americana, Psych und Classic Rock, wobei sich hier auch noch etwas mehr Blues-Einflüsse einschmuggeln, die im sonstigen Material eher Seltenheitswert besitzen. Das eher zurückhaltende, aber nicht richtig balladeske „Please Don’t Refuse Him“ schließt die reichliche halbe Stunde Musik ab.
Dass Rainbow Promise nicht der Startschuß für eine große Karriere des Quintetts wurde, sondern dessen einziges konserviertes Tonzeugnis blieb, ist bereits angeklungen – 1974, als Powell sein aktuell gleichfalls re-releastes Soloalbum Revelation – The Party’s Over (mehr dazu in Kürze) veröffentlichte, scheint die Band bereits nicht mehr existiert zu haben. Der Re-Release von Rainbow Promise wurde behutsam remastert, ohne ihn seines historischen Flairs zu berauben, und bietet im Booklet alle Lyrics (außer denen von „The Joy Of The Lord“) sowie einige historische Fotos und Dokumente, leider so klein, dass man längere Texte nur unter Schwierigkeiten lesen kann. Schrägerweise verrät die dort abgedruckte Besetzungsliste nicht, wer auf der Scheibe eigentlich singt. Eine beigelegte Sammelkarte für die „Legends Remastered“-Serie von Retroactive Records, deren Nr. 48 das hier ist, nennt Powell als Sänger, aber die Stimmvielfalt ist derart groß, dass zu vermuten bleibt, auch mindestens einer oder zwei seiner Bandkollegen müßten mitgesungen haben. Auch die alte LP und die neue, gleichfalls bei Retroactive und parallel zur CD erschienene Vinylfassung scheinen diese Frage zumindest in dem Material, das der Rezensent (der beide Vinyle nicht besitzt) einsehen konnte, nicht zu beantworten.
Der Re-Release bietet das kunterbunte Cover der Originalpressung mit einer Zeichnung der Szene aus Offenbarung 1,12-18, das so auch im „Wachturm“ hätte erscheinen können – gemäß den Liner Notes auf dem Backcover, die aus Ken Scotts „A Collector’s Guide to Vintage Vinyl Jesus Music 1965-1980“ stammen, soll es eine noch rarere Version geben, die ein pinkfarbenes Cover mit schwarzem Rand und dem Schriftzug „Steve Powell & Rainbow Promise“ aufweist und damit Powells Führungsrolle in der Band verdeutlicht, so dass seine anschließende Solokarriere nur folgerichtig erscheint. Discogs kennt diese noch rarere Version übrigens zum Rezensionszeitpunkt nicht. Ein eigentümlicher Pink-Ton ist allerdings auch dem originalen Backcover eigen und wurde bei den Re-Releases teilweise wieder aufgegriffen, ebenso wie der handschriftartige Font der Lyrics.
Summa summarum: Der Erwerb von Rainbow Promise lohnt sich als Freund beschriebener Sounds oder als Forscher auf den Spuren der christlichen Rockmusik durchaus, und als Wishbone-Ash-Anhänger könnte man hier die eine oder andere positive Überraschung erleben.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Get Ready | 3:09 |
2 | Someone You Need | 3:58 |
3 | Do You Hear | 3:40 |
4 | Romans 8-28 | 3:48 |
5 | The Joy Of The Lord | 1:36 |
6 | I’ve Got The Rebirth | 5:23 |
7 | Prophecy | 5:23 |
8 | Little Country Church | 2:47 |
9 | Please Don’t Refuse Him | 3:21 |
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Besetzung |
Steve Powell (Voc, Git)
Ric Bowers (Git)
Richard Slaton (Git)
Leonard Brannan (B)
Dennis Jones (Dr)
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