Vinnie Moore
Double Exposure
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Gerechnet hat keiner damit, einfach, weil es das noch nie gab, aber auf Vinnie Moores zehntem Soloalbum sind tatsächlich erstmals Stücke mit Gesang zu hören. Die ersten sechs, also exakt die Hälfte der 12 neuen Songs, werden von Sängern veredelt. Und die machen ihre Sache so gut, dass man sich fragt, warum der Saitenvirtuose erst jetzt darauf gekommen ist. Vielleicht wollte er sich auf den unter seinem Namen veröffentlichten Werken einfach von seiner Stammband UFO abheben? Vielleicht gibt es auch gar keinen konkreten Grund, und es kam ihm vorher schlicht nicht in den Sinn?
Wie auch immer, ursprünglich wollte Moore lediglich eine Instrumental-EP mit sechs neuen Kompositionen herausbringen. Diesmal fiel ihm zu einer davon, „One Day“, sofort eine Gesangsmelodie ein, und von da an entwickelte sich alles weiter bis zum fertigen Produkt in der Form, wie es uns nun vorliegt. Auf dem langen Weg dorthin nahm der US-Amerikaner, der längst dem engen Korsett des Shredders entwachsen ist, von jedem Lied zwei Versionen auf, eine mit und eine ohne Gesang. Witzigerweise ist ausgerechnet „One Day“, mit dem alles begann, auf Double Exposure ohne vokalistische Begleitung zu hören. Das macht in diesem Fall aber absolut Sinn, denn hier „spricht“ Vinnie Moore durch seine Gitarre, wie man es nur ganz selten erlebt!
Was bei allen Titeln mit Gesang sofort auffällt, ist eine mal mehr, mal weniger stark ausgeprägte Blues-Schlagseite. Gleich beim eröffnenden “Vertical Horizon“ zeigt sich über einem lässigen Riff der mir bislang unbekannte Sänger Ed Terry (Rage And Beyond, American Mafia) voll im Saft. Denn genau so klingt es: satt und süffig, eingebettet in einen herrlich warmen Sound. Von der ebenfalls von Terry gesungenen, ebenso kraft- wie gefühlvollen Ballade „River Flow“ ist es nur ein kleiner Schritt bis zum Southern Rock: „Hummingbird“ mit dem souligen Timbre von Keith Slack (Mother Road) obendrauf ist eines jener Juwelen, von denen man sich wünscht, sie gingen nie zu Ende. Man bekommt nicht genug davon!
Sein instrumentales Pendant „Southern Highway“ nimmt ganz am Schluss der 51 Minuten den Faden noch einmal auf und spinnt auf der Basis desselben Flairs etwas ganz Eigenes, Unnachahmliches daraus. Unüberhörbar verwandt und doch völlig anders! Bravo! Kaum weniger feiere ich „Paid My Dues“, das nicht zuletzt durch Slacks Gesang an Eric Gales denken lässt. Wer hätte das gedacht? Hier verzahnen sich Blues und technische Meisterschaft nahtlos miteinander und klatschen sich ständig gegenseitig ab.
Eine echte Entdeckung ist Brian Stephenson (Old James), dessen Stimmfarbe an den unvergleichlichen Paul Rodgers erinnert. Bei dem von ihm intonierten Stück „Still Waters Run Deep“ kennt man zumindest ab dem Soloteil unter einem anderen Titel bereits von UFO. Noch krasser ist das Wiederhören bei „In Too Deep“. Ich würde sogar von einem Déjà Vu sprechen! Wurde da außer dem Namen überhaupt etwas dran verändert? Die bisher bekannte Version ist immerhin fast 20 Jahre alt (und bis heute eines meiner Lieblingsstücke von UFO überhaupt). Diese Fassung jetzt klingt jedenfalls, als sei die Nummer gerade erst fertig geworden. So oder so ist das aber alles völlig in Ordnung, weil die Musik komplett von Vinnie Moore stammt. Bei „Still Waters Run Deep“ muss zudem der gefühlvolle Chorgesang hervorgehoben werden, der diesem Sahnestück den letzten Pfiff gibt.
Für die im Anschluss folgenden Instrumentalstücke gilt: Je lockerer Moore die Zügel lässt, umso intensiver ist die Wirkung. Es fängt mit dem Satriani/Hendrix-Mix „Astro Man“ zwar eher technisch an, aber der Mittelteil ist geradezu unwirklich gut! Dieser Aspekt tritt bei den folgenden fünf Songs immer weiter in den Hintergrund, bis schließlich bei „Southern Highway“... Aber das hatten wir ja gerade bereits. Mehr braucht es auch nicht. Manchmal sagen Noten mehr als Worte. Was für ein Genuss!
Michael Schübeler
Trackliste |
1 | Vertical Horizon | 4:02 |
2 | Rise | 4:14 |
3 | Still Waters Run Deep | 4:58 |
4 | Paid My Dues | 3:40 |
5 | River Flow | 4:06 |
6 | Hummingbird | 4:37 |
7 | Astro Man | 4:14 |
8 | Breaking Through | 4:15 |
9 | In Too Deep | 5:00 |
10 | Rocket | 3:35 |
11 | One Day | 4:05 |
12 | Southern Highway | 4:49 |
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Besetzung |
Vinnie Moore (Guitars, Bass on Track 3, 5, 9,11)
Ed Terry (Vocals on Track 1, 5)
Mike DiMeo (Vocals on Track 2, Keyboards on Track 2, 8)
Brian Stephenson (Vocals on Track 3)
Keith Slack (Vocals on Track 4, 6)
John Cassidy (Keyboards on Track 3, 5, 9, 11)
Pete Griffin (Bass on Track 1, 2, 4, 7, 8, 10)
Michael Bean (Bass on Track 6, 12)
Richie Monica (Drums on Track 1-5, 7-11)
John Pessoni (Drums on Track 6, 12)
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