Mompou, F. (Hough, St.)

Música callada


Info
Musikrichtung: Moderne / Klavier

VÖ: 03.02.2023

(Hyperion / Note 1 / CD / DDD / 2020 / CDA68362)

Gesamtspielzeit: 68:40



DIE ESSENZ DER MUSIK

Frederico Mompous Klavierzyklus „Música callada“ besteht aus 28 kurzen, konzentrierten Stücken, die der 1893 geborene Katalane zwischen 1959 und 1967 komponiert und in vier Heften zusammengestellt hat. Der Titel, der so etwas wie "Stille Musik" oder "Musik der Stille" bedeutet, bezieht sich auf die „Geistlichen Gesänge“ des Johannes vom Kreuz, einem katholischen Mystiker aus dem 17.Jahrhundert. So liegt es nahe, in der Sammluing eine Art geistliches Werk zu sehen.
Die reduzierte Schreibweise und der Verzicht auf äußere Virtuosität – neben „lento“ ist „calmo“ die vorherrschende Vortragsbezeichnung – scheint diesen Eindruck zu bestätigen: Mompou, eine faszinierende Randerscheinung im Musikleben des 20. Jahrhundert, erschiene dann wie ein Prophet der neuen Einfachheit und anderer postmoderner und neotonaler Strömungen, verbunden mit einer gewissen Rückwendung zur Religiosität oder zumindest Spiritualität.

So richtig dies auf der einen Seite ist, so sehr demonstriert auf der anderen Seite diese Neueinspielung der „Música callada“ durch den britischen Pianisten Stephen Hough, dass das Werk sehr viel vielschichtiger und vor allem diesseitiger inspiriert ist, als man zunächst vermutet. Man muss dafür gar nicht erst den instruktiven Bookletbeitrag von Philip Clark lesen, man kann es hören: Mompou setzt sich mit der pianistischen Tradition – Chopin, Wagner, Satie, Debussy, Janacek – ebenso auseinander wie mit der Gegenwart, wie Anspielungen auf den Jazz, die 2. Wiener Schule oder die Volksmusik nahelegen. Das ätherische Motiv des 3. Stücks („Placide“) ist, so Clark, gar einem spanischem Radiojingle entlehnt.
Doch dieses „kommerzielle“ Element wird von Mompou ebenso mühelos in seinen Stil und die vom Glockenklang inspirierte Harmonik seines sogenannten „metallischen Akkords“ integriert wie die übrigen Materialien. Trotz seiner Vielgestaltigkeit und des Fehlens eines zentralen Themas wirkt der Zyklus daher erstaunlich geschlossen. Er ist hörbar das Werk eines bestimmten Komponisten, der mit sienen Ohren aus der „Musik der Welt“ die musikalische Essenz herausdestilliert hat.

Mit einem durchsichtig-kristallinen Ton, der gleichwohl zu unzähligen dynamischen und farblichen Schattierungen fähig ist, gelingt es Stephen Hough, den meditativen, aber nicht entrückten Charakter „Música callada“ darzustellen wie auch ihre zahlreichen musikalischen Anregungen anklingen zu lassen. Eine hervorragende Aufnahmetechnik sorgt dafür, dass schon bei mäßigem Volumen ein sehr reich gestaffeltes Klangbild sich entfaltet.

So wird Mompous Zyklus nicht nur zu einem Destillat der musikalischen Einflüsse, unter denen der Komponist zu seinem Personalstil und akustischen „Fingerabdruck“ fand. Man hört gleichsam auch die Resonanzen, die diese verschiedenen Musiken im Komponisten angeregt haben. Und umgekehrt kann man jede einzelne dieser geschliffenen Miniaturen als Impuls für die eigene Klangmeditation nehmen. Und vielleicht erahnen, was die Essenz von Musik ist.



Georg Henkel



Besetzung

Stephen Hough, Klavier


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