Campra, A. (Bismuth, P.)
Le Destin du Noveau Siecle (Opera-ballet,Paris 1700)
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Info |
Musikrichtung:
Barock Oper Ballett
VÖ: 04.03.2022
(CVS / Note 1 / CD / DDD / 2021 / Best. Nr. CVS061)
Gesamtspielzeit: 80:42
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MUSIKALISCHER LUSTGARTEN
Man glaubt es kaum: 2015 wurde zufällig die verloren geglaubte Partitur eines Opern-Balletts von André Campra in einer Mediathek entdeckt. Es handelt sich um die musikalischen Einlagen zu einem Jesuitentheaterstück, das im Jahr 1700 im Collége Louis-le-Grand uraufgeführt wurde. Dort wurde die zukünftige adelige Elite Frankreichs herangebildet. Die jesuitischen Pädagogen setzten auf eine ganzheitlich Erziehung, in der die Kunst, Musik, Tanz und Theater einen großen Raum einnahmen. Während in diesem Fall das Theaterstück ein Märtyrerschicksal behandelte, ging es in dem musikalischen Intermezzo „Le Destin du Noveau Siecle“ um das Geschick des neuen Jahrhunderts, dessen verschiedene Möglichkeiten hier repräsentativ unter der Ägide verschiedener römischer Gottheiten verhandelt werden.
Der gelehrte Librettist, ein Ordensmann, kreierte dafür verschiedene programmatische Räume zwischen Krieg und Frieden und überließ es ansonsten dem Komponisten, den repräsentativen Stoff mit reichlich Gesang und Ballett auszugestalten. Genau das tat Campra mit der ihm eigenen Musikalität, die den erhabenen französischen Stil mit der Geschmeidigkeit italienisch inspirierter Melodik und den attraktiven Exotismen seiner provenzalischen Herkunft verschmolz. „Le Destin“ besteht praktisch nur aus orchesterbegleiteten Ariosi, Arien, Chören und Tänzen – eine nahezu rezitativfreie und kurzweilige Alternative zur deklamationslastigen Oper also, eine üppige Revue immer neuer Einfälle, die, ohne Unterbrechungen durch das ursprünglich dazugehörige Sprechtheaterstück, fast schon im Überfluss die Ohren der Zuhörenden kitzeln.
Das Manuskript wirft viele Fragen auf. Es handelt sich um eine Abschrift aus dem Jahr 1740 und der reiche und differenzierte musikalische Stil passt eher in diese Epoche, die bereits durch die Kunst Jean-Philipp Rameaus bestimmt wurde. Zugleich wirkt Vieles noch kraftvoll barock und wenig rokokohaft. Hatte Campra oder jemand anderes die ursprüngliche Partitur für die Aufführung in einem Provinzsalon auf den neuesten Stand gebracht – eine gängige Praxis? Das lässt sich ebenso wenig klären wie die originalen musikalischen Kräfteverhältnisse der Uraufführung. (Im Booklettext wird zudem die Dauer mit 125 Minuten angegeben, die Aufnahme währt allerdings nur 80 – wurde also doch etwas gekürzt?)
Wie auch immer: Patrick Bismuth, Leiter des Ensembles „La Tempesta“, hat sich für eine eher kammermusikalische, aber ausgesprochen farbenreiche Einrichtung entschieden, die insbesondere die vielen lebhaften Tänze üppig ausstaffiert. Da kommt ebenso wenig Langeweile auf wie bei den dankbaren vokalen Teilen, die ebenfalls voller Einfäle sind und versierten Solist:innen und „Les Chantres du Centre de musique baroque de Versailles“ anvertraut sind.
Herausragend singt vor allem der emphatische Marc Mauillon, auch die facettenreiche Darstellung Mathias Vidals verdient wieder eine Erwähnung – angesichts seiner aktuellen Omnipräsenz beim Versailler Label fragt man sich, ob er inzwischen dauerhaft im Schloss wohnt.
Während im Solistischen also Vieles glänzt, bleiben beim Chor noch Wünsche übrig. Er scheint tontechnisch etwas im Hintergrund, wirkt trotz angemessener Größe stellenweise nicht ausreichend fokussiert und prägnant. Auch sorgt das vernehmliche Vibrato dafür, dass dieser Part vergleichsweise etwas Angestrengtes hat.
Abgesehen von dieser Einschränkung: Ein barocker Musik-Lustgarten, den man, nachdem die ursprünglich für 2020 geplante Aufführung wegen der Coronapandemie abgesagt wurde, im April 2022 in Versailles auch noch mal live erleben kann.
(Das Booklet leidet im Übrigen wieder unter den (automatischen?) Übersetzungen, die zum Teil sehr verschwiemelte Versionen der französischen Originale bieten.)
Georg Henkel
Besetzung |
Claire Lefilliatre, Florie Valiquette, Marc Mauillon, Mathias Vidal u. a.
Les Chantres Du Centre De Musique Baroque de Versailles
La Tempesta
Patrick Bismuth, Leitung
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