Alen Brentini
Black Tears
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Alen Brentini dürfte Musikfreunden am ehesten als Live-Gitarrist von Andreas Gabalier geläufig sein – der Kroate hat zwar in der internationalen Rockwelt schon mit Hinz und Kunz zusammengearbeitet, aber etwas richtig Großes ist daraus bisher noch nicht erwachsen, und an seine Teilnahme beim kroatischen Vorausscheid für den Eurovision Song Contest anno 2007 werden sich wohl auch nur noch beinharte Anhänger bzw. Statistiker dieses Wettbewerbs erinnern. In den Jahren von 2008 bis 2014 entstanden außerdem drei Soloalben, und mit Black Tears liegt nun deren viertes vor und überrascht erstmal grundsätzlich, dass man mit dieser Art Musik heute sogar noch einen Majordeal bekommen kann: So richtig hip ist Melodic Metal ja gerade eher nicht. Brentini spielt diesen Stil allerdings durchaus auch nicht in puristischer Form: Auf dem Backcover sind die zwölf Songtitel auf den Etiketten von zwölf sehr unterschiedlichen Flaschen mehr oder weniger (meist wohl weniger) gesunden Inhalts verewigt, und diese Diversität findet sich dann auch in der Musik wieder, sowohl zwischen den Songs als auch manchmal innerhalb derselben. Nach dem kurzen, eigentlich „modernere“ Musik vermuten lassenden Intro entwickelt der Titeltrack tatsächlich eine Art neuzeitlichen Melodic Metal mit einem eingängigen Refrain, tiefergelegten Gitarren und dem einen oder anderen überzähligen kleinen Schmuckelement. Mit dem Sechseinhalbminüter „Burning Down My Soul“ steht die längste Nummer der Scheibe gleich an Position 2, bietet nach wiederum kurzer Modernitätsantäuschung relativ flotten Hardrock und scheint nach vier Minuten alles gesagt zu haben, bevor relativ überraschend ein breit ausgewalzter Instrumentalpart anhängt, ausstaffiert zu Beginn auch noch mit erzählenden Vocals eines Herrn namens Morbid – beide Teile für sich betrachtet können durchaus überzeugen, während die Kombination das nur bedingt tut. Mit „Every Minute In My Heart“ folgt eine reinrassige Ballade und der erste von vier Songs mit Backing Vocals von Berenice Zsifkovits, die mit ihrer klaren, warmen und leicht souligen Stimme nicht nur hier hoch zu punkten weiß. „Chase You Out Of My Mind“ könnte nach dem Intro noch in alle möglichen Richtungen gehen und entscheidet sich wieder für klassischen Hardrock, wird dann aber ab dem Übergang ins Solo orientierungslos und preßt zu viele Ideen auf zu kleinen Raum. „Destroy What Destroys You“ bringt mit Jen Majura einen prominenten Gast ins Spiel und würde rein songwriterisch in der Tat auch zu deren derzeitiger Hauptband Evanescence passen, wo die Nummer freilich an der oberen Härtegrenze läge und man sich überlegen müßte, wie Amy Lee darüber singen soll. Majura spielt hier übrigens nicht Gitarre, sondern singt und offenbart eine recht voluminöse Stimme, mit der sie in interessante Tiefenlagen vordringen kann, auch wenn die hohen Passagen zumindest nach bisherigem Hördurchlaufstand noch besser zu gefallen wissen und nur das hintergründige Geshoute im Refrain zu bemüht wirkt. Letzteres trifft auch auf den noch ans Songende geklebten Speedpart zu – der erfüllt vielleicht einen inhaltlichen Zweck, indem der Protagonist seine Ketten sprengt (der Titel hieße übersetzt ja praktisch sowas wie „Macht kaputt, was euch kaputtmacht“), aber wenn dem so ist, hätte man da sicher auch eine elegantere Lösung finden können, zumal die drei Bombastakkordverharrungen ganz am Ende nochmal eine ganz andere Richtung andeuten. „Weniger ist mehr“ lautet ein nicht ganz unbekanntes Sprichwort, und Brentini und/oder Produzent Michael Voss hätten hier und da durchaus gut daran getan, es zu beherzigen – wenn sie es tun, etwa in der Halbballade „Return To Madness“, kommt jedenfalls gleich ein griffigerer und damit in der Gesamtbetrachtung überzeugenderer Song heraus.
Damit sind wir bei der Hälfte von Black Tears angekommen, und nach dem Hören der zweiten Hälfte stellt sich heraus, dass mit einer Ausnahme die strukturell markantesten Nummern alle in der ersten Hälfte verbraten worden sind. Das Kuriose daran ist, dass das nicht stört – jedenfalls nicht denjenigen Hörer, der nicht groß auf Experimente erpicht ist. „Crash Into Pieces“ als Auftakt der imaginären B-Seite jedenfalls ergeht sich bis auf den Gitarrensound in eher klassischem Melodic-Metal-Terrain, wo auch die kurzen Doublebassattacken im Refrain geschickt eingepaßt wurden. „Demon’s Eyes“ evoziert ein Riff, das auch die Spätachtziger-Black Sabbath hätten verarbeiten können, schaltet in den Strophen aber auf Halbakustik herunter, was gleichfalls gut paßt, und an das angeblueste „When I Close My Eyes“ gewöhnt man sich irgendwann auch, zumindest an den Refrain – nicht aber an dessen diverse hektische Passagen, und der schöne Halbakustikpart als Outro ist auch irgendwie vergebliche Liebesmüh und verschwendete Kreativität. Die drei letztgenannten Songs gehören zu den fünf, in denen Arsen Uran Baß spielt, und in einer Nummer greift Voss noch zur Rhythmusgitarre – für alle anderen instrumentalen Komponenten zeichnet Brentini selbst verantwortlich, wobei das Booklet das Wort „programming“ schreibt und nirgendwo das Wort „drums“ auftaucht – das Schlagzeug kommt also aus der Konserve, und Brentini und Voss dürfen sich zugute halten, dass sie dafür einen ziemlich natürlich wirkenden Sound gefunden haben, der bis auf einige Intros und Breaks nirgendwo seine künstliche Herkunft zu verräterisch präsentiert. Bei den Vocals hingegen herrscht ziemliche Vielfalt, wenngleich auch hier Brentini als Hauptakteur aktiv ist und seine Sache mit einer leicht angerauhten Stimme in einem im besten Sinne des Wortes definierten Normalbereich durchaus gut macht. Neben Morbid und Majura ist aber noch ein anderer Mensch mal mit Leadfunktionen vertreten, und den Leser wird nicht weiter überraschen, dass es sich um Andreas Gabalier handelt, der „Rock ’n‘ Roll Machine“ singt, die einzige nicht von Brentini, sondern von Voss geschriebene Nummer und mit seinem funkigen Touch der erwähnte stilistische Ausreißer auf der imaginären B-Seite, der sich trotz grundsätzlicher Klasse irgendwie nur schwer ins Gesamtbild einfügt, zumal auch Gabalier so unauffällig singt, dass man zweimal hinhören muß, um ihn akustisch von Brentini zu unterscheiden. „Pain And Love“ hat zuvor nochmal eher unauffällig das Terrain des angedüsterten Melodic Metal beackert, und das hymnisch gedachte, aber dafür zu schnelle „Universe“ schließt Black Tears mit genau dem Grundproblem ab, das man zwischenzeitlich nie abstreifen konnte: Auch hier mutet manche Wendung als überflüssig an (schon das Intro deutet abermals etwas ganz anderes an als das, was dann kommt), obwohl die Grundidee durchaus zu überzeugen weiß. Wenn Brentini es schafft, auf dem nächsten Album fokussierter zu agieren, könnte das richtig gut werden – Black Tears bleibt trotz guter Ansätze irgendwie weder Fisch noch Fleisch, und irgendwie will einem keine Zielgruppe einfallen, der man das Werk vorbehaltlos empfehlen könnte (auch und gerade nicht die Gabalier-Fangemeinde).
Bleibt letztlich noch die Frage, wer die drei Leute sind, die hier im Booklet mehrfach abgebildet werden und offensichtlich so eine Art Bandfeeling vermitteln sollen, auch wenn es real gar keins gibt. Der eine ist Brentini, das ist klar – aber die anderen? Voss und Uran?
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Black Tears | 3:55 |
2 | Burning Down My Soul | 6:24 |
3 | Every Minute In My Heart | 3:50 |
4 | Chase You Out Of My Mind | 4:22 |
5 | Destroy What Destroys You | 4:52 |
6 | Return To Madness | 5:38 |
7 | Crash Into Pieces | 4:19 |
8 | Demon’s Eyes | 3:35 |
9 | When I Close My Eyes | 3:31 |
10 | Pain & Love | 4:32 |
11 | Rock ’n‘ Roll Machine | 3:35 |
12 | Universe | 4:54 |
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Besetzung |
Alen Brentini (nahezu alles)
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