Black Alice
Sons Of Steel
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Kaum war das Black-Alice-Debütalbum Endangered Species anno 1984 erschienen, gingen die vier Bandmitglieder auch schon wieder getrennte Wege. Einzig Sänger Rob Hartley blieb auf Tuchfühlung mit Produzent/Songwriter Gary Keady und schauspielerte zunächst in einem von diesem geschriebenen Kurzfilm namens Knightmare, der bereits musicalartige Züge trug und dessen Titeltrack als Bonustrack auf dem Re-Release des genannten Albums in der Karthago-Classics-Serie landete. Der Streifen kam gut genug an, um aus dem Stoff einen abendfüllenden Film namens Sons Of Steel zu machen, in dem Hartley abermals mitspielte und einen zeitreisenden Rocksänger namens Black Alice mimte. Die Idee lag also nahe, für den Soundtrack wieder eine Black-Alice-Bandbesetzung zusammenzustellen. Hartley war sowieso gesetzt, und da auch Trilogy, die neue Band von Gitarrist Jamie Page, nicht so recht vom Fleck gekommen waren und Page sie schon vor Veröffentlichung ihres zweiten und letzten Albums Next In Line verlassen hatte, kostete es wenig Mühe, auch ihn wieder vom Mitmachen zu überzeugen. Die alte Rhythmusgruppe aber blieb in der Vergangenheit, statt dessen stießen Andy Cichon und Scott Johnston hinzu, die mit Rose Tattoo auch gerade nichts zu tun hatten. Dieses Quartett spielte (mindestens) elf abermals nahezu ausschließlich von Keady geschriebene Songs ein, von denen zehn auf der 1988er LP Sons Of Steel landeten, die somit gewissermaßen den Soundtrack zum Film bildet. Allerdings führte auch dieses Projekt letztlich nicht zum großen Durchbruch, obwohl Fortsetzungen möglich gewesen wären, da es zwischenzeitlich mindestens fünf zugehörige Bücher gibt, von denen nur das erste im genannten Film verarbeitet worden ist. So verwundert es nicht, dass Black Alice schnell ein zweites Mal in der Versenkung verschwanden und sich auch bis heute in jener aufhalten, während Keady nach wie vor versucht, die Filmserie zum Laufen zu bringen. Zumindest ein wenig zusätzliche Aufmerksamkeit bekommt er durch die Re-Releases der beiden Alben bei Karthago Records, und wie Endangered Species liegt auch Sons Of Steel als auf 666 Exemplare limitierte Neuausgabe vor, wobei das Booklet diesmal einen Tick informativer ausfällt als das des Erstlings und beispielsweise auch genaue Angaben zur Herkunft der beiden Bonustracks macht, die das Werk letztlich auf 54 Minuten Spielzeit bringen.
Bis man zum ersten der Boni vorgedrungen ist, hat man allerdings schon ein gutes Stück des Albums gehört und stellt fest, dass sich der Stil doch etwas gewandelt hat. Konnte man Black Alice auf dem Debüt zumindest gewisse Metalelemente attestieren, so fehlen diese trotz des Titels auf Sons Of Steel völlig und haben über weite Strecken klassischem Melodic Rock, meinetwegen auch Hardrock Platz gemacht, den man zur gleichen Zeit (wir schreiben wie erwähnt 1988) durchaus auch aus den USA vernehmen konnte – man denke an Bands wie Bon Jovi oder auch Ratt, und man stellt fest, dass Songs wie die von John „Speedy“ Keen geschriebene Nummer „Something In The Air“, die Sons Of Steel eröffnet (original vom 1969er Thunderclap-Newman-Album „Hollywood Dream“ stammend und Jahre nach Black Alice u.a. auch noch von Tom Petty & The Heartbreakers gecovert), oder „Hard Lover“ auch im Repertoire der genannten 80er-US-Größen keine Fremdkörper darstellen würden. Der Titeltrack wiederum hätte auch auf Judas Priests Turbo gepaßt, zumal Hartley gelegentlich eine Stimmfärbung einsetzt, die mit einer derjenigen von Rob Halford vergleichbar ist. Die AC/DC-Anklänge in der Stimme hingegen sind weitgehend verschwunden, lassen sich aber beispielsweise in „You And Me“ noch finden – das ist der erste der Bonustracks, der damals im Film keine Verwendung fand und erst jetzt wieder ausgegraben wurde. Seinen Platz fand er übrigens nicht etwa am Ende der CD, wie das sonst Usus ist, sondern an Position 5 – möglicherweise hätte er von der Filmhandlung her dort hingehört. Auch der andere Bonus steht inmitten des regulären Albumstoffs: „The Burn“ wurde im Film von Jeff Duff gesungen, auf dem Album aber nur in einer instrumentalen Fassung veröffentlicht. Die gibt es auf dem Re-Release als Closer auch noch, aber zusätzlich an Position 9 eine Version mit Duff-Vocals, allerdings anno 2017 neu aufgenommenen, die mehr oder weniger eine Art erzählenden Sprechgesang bieten und vielleicht zum Musicalcharakter passen, rein musikalisch aber eher wie ein Fremdkörper wirken. Dabei agieren Black Alice durchaus nicht stromlinienförmig – der Film hat offenbar eine gewisse Stilvielfalt erfordert, und die findet sich auch auf dem Album wieder. „Mr. System“ beispielsweise spielt mit Reggae-Rhythmen, das cool swingende und mit Bläsern ausstaffierte „Walkin The Blues“, das 1988 noch „Walk In The Blues“ hieß, macht seinem Titel alle Ehre, und „I’m With You“ verarbeitet das erste Vier-Ton-Motiv des Big Ben und hätte in seiner Gesamtheit durchaus auch zum Trans-Siberian Orchestra gepaßt, das zu dieser Zeit freilich noch gar nicht existierte: Wir schreiben wie erwähnt 1988, und da standen Savatage und Paul O’Neill gerade zwischen Hall Of The Mountain King und Gutter Ballet. In diesem Song wie auch in diversen anderen muß man mit bisweilen etwas süßlichen Keyboards klarkommen, die gasthalber von Paul Radcliffe beigesteuert wurden – das Bandfoto zeigt nur ein Quartett, und auch ansonsten ist fast immer die Rede davon, er habe nur Gaststatus besessen, obwohl er musikstrukturell eine durchaus bedeutende Rolle spielt: Wenn Black Alice seinerzeit auch live aufgetreten wären (ob sie das taten, ist nirgendwo herauszubekommen), hätten sie entweder umfangreiche Samples einsetzen oder eben einen Livekeyboarder mitnehmen müssen, um das Material des Zweitlings adäquat herüberzubringen. Die einzige Quelle, die Radcliffe als offizielles Mitglied führt, ist Brian J. Giffins „Australian Metal Guide“, der allerdings auch anführt, die Band sei praktisch nur dem Namen nach wiederbelebt worden, was eher nicht für Liveaktivitäten spricht. Kurioserweise hebt „Reck“ mit einer ähnlichen Grundidee an wie Black Sabbaths „Headless Cross“ – aber auch diese Nummer war zu besagter Zeit noch gar nicht geschrieben oder zumindest nicht veröffentlicht. Der Song, ein eleganter Midtemporocker mit theatralischen Elementen im Mittelteil, hätte ebenso wie das episch-schleppende „There’s Hope“ durchaus auch auf das Debütalbum gepaßt, während man sich viele der anderen Songs dort kaum vorstellen kann. Letztlich dürften Black Alice mit Sons Of Steel, betrachtet man das Album außerhalb des Filmkontextes, völlig zwischen den Stühlen gelandet sein: So mancher Altfan wird die Band der Auswimpung bezichtigt haben, der Albumtitel verhieß für potentielle Neuanhänger viel kernigere Musik als die, die dann letztlich zu hören war, und für einen breiten kommerziellen Erfolg hätte die Band erstens einen Majordeal in den USA gebraucht und hätte zweitens nicht aus Australien kommen dürfen – die Zahl der Bands von dort, die es zu Weltgeltung gebracht haben, hält sich bekanntlich in sehr überschaubaren Grenzen. Aus heutiger Betrachtungsweise ist das Album durchaus nicht schlecht, und da vor allem Sänger Hartley einen qualitativen Quantensprung hingelegt hat, könnte so mancher das Werk sogar höher einschätzen als das hier und da etwas bemüht klingende Endangered Species-Debüt. Einzig des Duff-Bonustracks hätte es nicht unbedingt bedurft: Am Ende von Sons Of Steel macht „The Burn“ in der originalen LP-Instrumentalfassung klar, dass die Nummer so schon komplett gewesen und auch auf einem Album der seinerzeitigen Gitarrenkoryphäen wie Vai oder Satriani nicht fehl am Platz gewesen wäre. Kurisoum am Rande: Die Encyclopedia Metallum vermerkt zum Rezensionszeitpunkt, Sänger Rob Hartley habe das komplette Material komponiert – dafür finden sich aber sonst nirgendwo irgendwelche Indizien.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | Something In The Air | 4:50 |
2 | Sons Of Steel | 5:44 |
3 | There’s Hope | 6:42 |
4 | Hard Lover | 4:43 |
5 | You And Me | 3:04 |
6 | Fighting For You | 3:39 |
7 | Mr. System | 4:48 |
8 | I’m With You | 3:23 |
9 | The Burn | 4:10 |
10 | Reck | 4:26 |
11 | Walk In The Blues | 4:48 |
12 | The Burn | 4:14 |
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Besetzung |
Rob Hartley (Voc)
Jamie Page (Git)
Andy Cichon (B)
Scott Johnston (Dr)
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