Hans Anselm Big Band
Liquid Circle
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Die von der Zeitschrift JazzThing mitinitierte Serie “Next Generation“ legt mittlerweile die einundachtzigste Ausgabe vor. Dieses Mal wird die nächste Generation repräsentiert durch die Hans Anselm Big Band mit der CD Liquid Circle. Schaut man in das Line-up, so wird man erstaunterweise gar keinen Musiker namens Hans Anselm erblicken. Auf der Webseite der Musiker liest man dazu: „Obwohl die Herkunft des Bandnamens lieber ein Mysterium bleiben sollte, hat sich Hans Anselm mittlerweile zu einem ständigen Begleiter des Quintetts entwickelt. Ein imaginärer Freund, der die Band bewacht, inspiriert, in Aufruhr versetzt und dennoch eint.“
Nun, lassen wir Hans im Reich der Fantasie verweilen. Die Big Band ist aus dem oben erwähnten Quintett entstanden, weil die Kompositionen weiträumiger interpretiert werden sollten. Die Vision, einen Sound zu erzeugen, der eigen und neu ist, sich von den traditionellen Hörgewohnheiten löst um für sich selbst steht, das war der Gedanke. 2015 wurde diese Formation in Berlin von der Pianistin Anna Wohlfahrt und dem Gitarristen Benedikt Schnitzler gegründet. Die Aufnahmen zu dieser Platte entstanden im Oktober 2018 im Bonello Studio in Berlin.
Mit “Lucid Flow“, einem leuchtenden Strom oder Fluss, so wird man rasch hineingesogen in eine Atmosphäre, die in der Tat strahlt und mit einem ganz besonderen Arrangement und Sound einlädt… Und wer dieser Einladung folgt, wird belohnt durch einen Klangkosmos der besonderen Art. Das ist nicht einfach Big Band-Jazz der üblichen Art. Es geht jedoch auch nicht in die Richtung anderer außenseitiger Arrangements, wie man sie von Gil Evans oder, ganz ausufernd, von Sun Ra, kennt. Hier scheint der Versuch unternommen worden zu sein, über teils im Rock angelegte Rhythmen ein Geflecht von Bläsern zu legen, das zusammen eine Komplexität ergibt, mit Musik, die nicht nur einmal an Filmmusik erinnert, seien es imaginäre Melodien zu Serien wie „Stahlnetz“ oder auch zu kompletten Filmen mit dramatischen Ansätzen.
So verspüre ich gelegentlich das Gefühl, dass sich zwei Welten gegenüberstehen, besonders zum Tragen kommend bei “I Want My Sugar“. Da rockt die Rhythm Section und darüber fliegt ein anteiliges Bläserarrangement mit jazzigem Ausdruck. Durch einen weiteren Anteil der Bläsersektion werden beide Elemente zusammengehalten. Und so sind es im Grunde genommen die Bläser, die auf ihre Art und Weise etwas repräsentieren, das sich abseits des gängigen Big Band-Genres bewegt. Allerdings entdecke ich viel von dem, was einst den Sound von Peter Herbolzheimer ausmachte. Die Rhythm Section hingegen erinnert mich in vielen Parts an das, was ich zu schätzen wusste vom United Jazz + Rock Ensemble. Insofern mag es Anknüpfungspunkte geben, bewusst oder unbewusst, die letztlich den vorhandenen Sound produzierten. Andererseits sind es jedoch die Kompositionen und schließlich die Zusammenführung aller Individualkomponenten, die dieses experimentelle Unterfangen zu einem unwiderstehlichen Sound geprägt haben.
Mach weiter so, Hans Anselm, und inspiriere die Musiker fortan weiter in diesem Sinne!
Wolfgang Giese
Trackliste |
1 Lucid Flow (10:48)
2 Demons (8:58)
3 Prisma (10:31)
4 Feline Faible (10:37)
5 I Want My Sugar (8:12)
6 Forward (8:27)
7 Der Zeitpunkt (10:59)
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Besetzung |
Anna Wohlfarth (piano)
Benedikt Schnitzler (guitar)
Arne Imig (bass)
Leon Griese (drums)
Albrecht Ernst (alto & soprano saxophone, flute)
Olga Amelchenko (alto saxophone, flute)
Anna Tsombanis (tenor saxophone, clarinet)
Musina Ebobissé (tenor & soprano saxophone)
Leonie Freudenberger (baritone saxophone, bass clarinet)
Marc Doffey (tenor saxophone, bass clarinet)
Malte Mitrowann (trumpet, flugelhorn)
Gabriel Rosenbach (trumpet, flugelhorn)
Laurin Köller (trumpet, flugelhorn)
Alexander Gibson (trumpet, flugelhorn)
Jan Landowski (trombone)
Sonja Beeh (trombone)
Gregor Littke (trombone)
Chris Lüers (bass trombone)
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