Nina Hagen

Was denn…?


Info
Musikrichtung: Ost-Rock

VÖ: 28.02.2020

(Amiga / Sony)

Gesamtspielzeit: 49:10


Bei dem Namen Nina Hagen fallen sofort die Assoziationsklappen. Die frech provozierende Punkgöre, die mit ihren sehr expliziten Texten auch zur selbstbewussten weiblichen Sexualität auf ihrem Debüt-Album eines der Highlights der deutschen Rock-Musik ever abgeliefert hat und dann irgendwann ins esoterische Nirvana abgedriftet ist und zu einer der schrägsten Nummern der deutschen Rockszene wurde, deren musikalische Relevanz allerdings gegen Null schrumpfte.

Dass es da noch eine DDR-Vergangenheit vor der Nina Hagen Band gab, dürfte dem größten Teil der Menschheit bestenfalls durch den Hit „Du hast den Farbfilm vergessen“ bewusst sein, der kürzlich von einer Fachjury des Radiosenders radioeins auf Platz 2 der 100 besten Ost Songs gewählt wurde – geschlagen nur von dem Überhit „Am Fenster“ von City.

Im Osten dürfte die Situation etwas besser sein, als im Westen. Aber auch dort war Nina Hagen nicht sonderlich präsent. Der Arbeiter- und Bauernstaat hatte nur geringe Sympathien für die in quasi familiärer Verbindung zu dem Regimekritiker Wolf Biermann stehende Sängerin. Wenn überhaupt wurden ihr nur vereinzelte Single-Veröffentlichungen zugestanden. So ist Was denn…? der erste Longplayer, der von der Ost-Nina erscheint.

Mit Stücken wie „Wenn ich an Dich denk“, dem Landlustschlager „Hey, wir fahren auf’s Land“, dem „Farbfilm“ und dem süßlichen Lovesong „Honigmann“ befinden sich auch einige harmlos banale Schlager im Programm, mit denen sich Nina problemlos im Gleichklang mit DDR-Schlagergrößen wie Frank Schöbel und Chris Doerk hat bewegen können.

Was denn…? zeigt aber auch andere Seiten der Künstlerin. Da gibt es ein paar klasse Rock und Rock’n’Roll affine Songs, die richtig Spaß machen. „Komm, komm“ kommt mit regelrecht funkigen Bläsern. „Hatschi-Waldera“ zeigt schon so richtig das verrückte Huhn Nina. Und „Zieh die Schuhe aus“ lebt die Rebellion ziemlich ungeschminkt – für’s DDR-Radio wohl definitiv zu ungeschminkt.

Drei Mal sind Songs auf dem Album, die schon eine ganze Menge von dem erkennen lassen, was dann auf Nina Hagen Band zum Ausdruck kommen sollte. Die stehen bezeichnender Weise ganz am Anfang des Albums. Am überraschendsten dabei ganz sicher eine frühe Version von „Rangehn“, deren Text schon praktisch alle expliziten Passagen der Nina Hagen Band-Version enthält. Nur ist das ganze hier so verschleiernd arrangiert, dass sie nicht ganz so deutlich rüber kommen.

Tolle Zusammenstellung, die von Amiga / Sony leider nicht in einer Weise präsentiert wird, die dem Material gerecht wird. Hier wären Liner Notes, die klar machen, in welcher Form die jeweiligen Stücke (nicht) veröffentlicht wurden, zwingend nötig gewesen. Die Edition geizt sogar mit Jahreszahlen. Die angegeben beziehen sich zumindest zum Teil auf Copyright-Tatsachen in den 90ern und nicht auf die reale Entstehungszeit. Schade - eine verpatzte Chance!



Norbert von Fransecky



Trackliste
1Was denn…? 2:49
2 Das kommt, weil ich so schön bin 3:29
3 Rangehn (Amiga-Version) 4:17
4 He, wir fahren auf's Land 3:22
5 Zieh die Schuhe aus 4:06
6 Komm, komm 3:02
7 Mama 2:02
8 Du hast den Farbfilm vergessen 3:00
9 Honigmann 4:21
10 Hatschi-Waldera 3:06
11 Wenn ich an Dich denk 3:35
12 Ich bin so alt 2:22
13 Wir tanzen Tango 2:58
14 Ich bin da gar nicht pingelig 3:08
15 Du hast den Farbfilm vergessen (Koda-Color-Mix '92) 3:05

 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>