Charpentier, M.-A. - Lambert, M. - Mouliné, E. u. a. (Christie, W.)

Si vous vouliez un jour... (Airs Serieux Et A Boire Vol. 2)


Info
Musikrichtung: Barock Ensemble

VÖ: 25.01.2019

(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi / CD / DDD / 2016 / Best. Nr. HAF 8905306)

Gesamtspielzeit: 73:44



KOSTBARKEITEN AUS DEN SALONS

Der umfangreiche Bestand an Airs de Cour bildet gleichsam das Herzstück der französischen Musik des 17. Jahrhunderts. In den raffiniert-einfachen ein- oder mehrstimmigen höfischen Liedern drückte sich das nationale Stilideal gleichsam im Minaturformat aus, bevor es z. B. auch in der Oper Maßstäbe setzte und damit auch im 18. Jahrhundert einflussreich blieb: Feinsinn und lyrische Diskretion, klassische Ausgewogenheit im Verhältnis von schlichter Form, dichterischem Wort und musikalischer Darstellung, eine verinnerlichte Virtuosität und zurückhaltende Harmonik - ganz das Gegenteil zu den "Exzessen" der Italiener (deren Einfluss freilich hier und da durchklingt).
Mit "Si vous vouliez un jour..." legt das Ensemble Les Arts Florissants unter William Christie nun die zweite Folge mit Airs Serieux Et A Boire vor. Dabei reicht das Repertoire erneut von ernst gestimmten Liebesklagen bis hin zu rustikaleren Trinkliedern. Bereits mit der ersten Sammlung Bien que l'amour ... hat das Ensemble an seine Anfänge bei harmonia mundi angeknüpft, und nun, zum 40. Jubiläum 2019, wartet man mit einer weiteren exquisiten Produktion auf.

Das Programm mit Airs von Altmeistern wie Michel Lambert, Etienne Moulinie und Sébastien Le Camus arrangiert sich um ein mehrteiliges Werk des etwas jüngeren Marc-Antoine Charpentier, das Les Arts Florissants vor rund 20 Jahren auch schon einmal für Erato aufgenommen haben und nun in einer merklich bühnenwirksameren, pointierteren Version darbieten: die Pastoraletta "Amor vince ogni Cosa", ein Mini-Musiktheater in italienischer Sprache. Die einzelnen Szenen wurden über das ganze Programm verteilt, formulieren gleichsam einen "roten Faden", funktionieren aber auch außerhalb des Zusammenhangs Kraft ihrer schönen Musik und originellen Wirkungen - gerade dieser Komponist war unübertroffen darin, aus wenigen Mitteln eine reiche Musik entstehen zu lassen. Das demonstriert auch die umfangreichere Petite pastorale, Élogue de Berges, die als Ouvertüre dem ganzen Programm vorangestellt ist. Charpentiers Beitrag zum Genre der Air de Cour im engeren Sinne ist eher schmal, aber dafür um so einprägsamer, wie das Tenorsolo Tristes déserts, sombre retaite beweist, das Reinoud van Mechelen ebenso subtil wie spannungsvoll darbietet.

Ein Vorzug der jüngsten Produktion liegt wieder darin, dass Christie über eine flexible Besetzung vom Solo bis zum Vokalquintett verfügen kann und auch im Instrumentalen von der subtilen Lautenbegleitung bis hin zum Kammerensemble mit zwei Violinen und vollem Continuo diverse Kombinatinen möglich sind. So können alle beteiligten Sänger*innen einerseits sämtlich auch einmal solistisch hervortreten, andereseits ihre Fähigkeiten zum Ensemblegesang demonstrieren. Es ist nicht zuletzt dieser Reichtum an Nuancierungen, Stimmungen und Farben, der das vorliegende Programm wieder über rund 80 Minuten zu einem besonderen Genuss macht:
Da folgt auf einen knackig-kurzen a-Cappella-Trinkspruch von Mouliné eine ergreifende fünfstimmige Liebesklage von Lambert, bevor die Violinen in besagter Pastoraletta mit italienischem Feuer aufspielen und die Stimmen der Damen wie in einem späten Monteverdi-Madrigal im stile concitato einsetzen. Gleich darauf versetzt einen Lambert mit Vos yeux adorables für vier Singstimmen und instrumentale Begleitung erneut in einen französischen Salon aus der Epoche Ludwig XIV. Neben all diesen kleinen Prächtigkeiten sind die nur von Laute bzw. Gambe begleteten solistischen Gesangsstücke vielleicht die heimlichen Höhepunkte des Programms.
Sehr angemessen ist das natürliche, intime Klangbild.

Nach dieser 2. Folge bleibt zu hoffen, dass auch hier aller guten Dinge (wenigstens) drei sind ...



Georg Henkel



Besetzung

Emmanuelle de Negri: Sopran
Anna Reinhold: Mezzo-Sopran
Cyril Auvity: Tenor
Reinoud van Mechelen: Bariton
Lisandro Abadie: Bass

Florende Malgoire & Sue-Ying Koang: Violine
Myriam Rignol: Gambe
Thomas Dunford: Theorbe

William Christi: Cembalo und Leitung



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