Brulé – Machaut – Zuckermann u. a. (Vellard – Zuckermann)
Indische Ragas und mittelalterliche Lieder
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Info |
Musikrichtung:
Mittelalter - Weltmusik
VÖ: 01.01.2012
(Glossa / Note 1 / CD / DDD / 2007 / Best. Nr. GCD 922508)
Gesamtspielzeit: 55:33
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WIE YIN UND YANG
Dominique Vellard, ein Sänger und Spezialist für Musik des Mittelalters, und der Sarod-Virtuose Ken Zuckermann haben sich mit zwei weiteren Musikern für dieses faszinierende Projekt zusammengetan: Indische Ragas treffen aus mittelalterliche Gesänge und umgekehrt.
Den Sprung in die Crossover-Falle, in der die Eigenarten der musikalischen Weltkulturen meistens zu einem gefälligen Eintopf verkocht werden, vermeiden die Interpreten dabei souverän. Es geht nicht darum, einen Einheitsstil zu kreieren, sondern durch einen offenen Dialog die subtilen Verwandtschaften ebenso wie die individuellen Charakteristika nordindischer und mittelalterlicher Musik zu erkunden.
Während Vellard eine repräsentative Auswahl einstimmiger weltlicher und geistlicher Gesänge präsentiert, konzentrieren sich Zuckermann, Anindo Chatterjee (Tabla und Dhupki) und Keyvan Chemirani (Zarb und Gattam) auf traditionelle Ragas. Zuckermann begleitet Vellard allerdings auch auf der Laute und bietet mit seinem Ensemble Improvisationen über die Stücke, die Vellard vorstellt. Dabei behandeln sie die alten Melodien wie Ragas. Da Vellard vor allem Stücke mit einer eher komplexen und chromatisch angereicherten Melodieführung ausgewählt hat, gibt es tatsächlich überraschende Berührungspunkte. Die Mikrointervalle der indischen Musik liegen wirklich nur noch einen Schritt weit entfernt, erscheinen auch sonst als eine Art ‚Dialekt‘ der europäischen Musik – und diese wiederum wirkt wie eine ‚vereinfachte‘ Form indischer Ragas. Dieser Perspektivwechsel macht diese Platte so spannend.
Erzeugen die rhythmischen Feinheiten des indischen Repertoires einen unwiderstehlichen meditativen Sog, v. a. in den Schlagzeugsoli, so profitieren die europäischen Stücke vom emphatischen, ungekünstelten Vortrag Vellards. Ihre Klarheit und Offenheit kontrastiert deutlich mit den mystischen Schwebezuständen, die Zuckermann seinem Instrument entlockt. Beides wiederum findet immer wieder organisch zusammen, z. B. in einem durch leidenschaftliche Pulsation vorangetriebenen anonymen spanischen Lied, La charramanga. Geradezu unwiderstehlich klingt in einer solchen Kombination auch der Virelai Dis tans plus qu’il ne faudrait flours von Jehannot de l’Escurel. Die Begrenzung auf eine CD machte es allerdings nötig, die Aufführungsdauer der Ragas zu beschränken; die Musiker konzentrieren sich vor allem auf die schnellen Teile.
Und noch etwas fällt ins Ohr: Die Expressivität der mittelalterlichen Gesänge neigt eher zu einem persönlichen Ausdruck als die abstraktere, überindividuelle indische Musik. Beide Welten ergänzen sich auf diesem faszinierenden Querschnitt, erscheinen als die beiden Seiten ein und derselben Medaille – oder ein musikalisches Yin und Yang.
Georg Henkel
Trackliste |
1 | Gace Brulé: Biaus m’est estez |
2 |
Ken Zuckerman: Improvisation on Biaus... |
3 |
Gregorian chant: In omnem terram |
4 |
Traditional Indian: Raga Lankadahang Sarang |
5 |
Guillaume de Machaut: Mors sui |
6 |
Traditional Indian: Raga Madhu malati |
7 |
Jehannot de l’Escurel: Dis tans plus |
8 |
Ken Zuckerman: Improvisation on Dis tans... |
9 |
Anonymous: La charramanga |
10 |
Traditional Indian and Persian: Percussion soli and duet |
11 |
Traditional Indian: Raga Koushi Bhairavi |
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Besetzung |
Dominique Vellard: Tenor
Ken Zuckermann: Sarod, Laute
Anindo Chatterjee: Tabla und Dhupki
Keyvan Chemirani: Zarb und Gattam
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