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Vertanzte Rameau-Oper in Düsseldorf
Info |
Künstler: Rameau, J.-Ph. (Kober)
Zeit: 04.02.2012
Ort: Deutsche Oper am Rhein - Düsseldorf
Besucher: ausverkauft
Fotograf: Copyright: Deutsche Oper am Rhein
Internet: Deutsche Oper am Rhein
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In der französischen Tragédie lyrique werde alles vertanzt, vom gestelzten Gesang ganz zu schweigen, unkte einst Jean-Jaques Rousseau. Als erklärter Anhänger der „natürlichen“ italienischen Musik bekämpfte er die vermeintlich unnatürliche und gekünstelte Oper des Ancien Regime. Es steht zu befürchten, dass seine Kritik anlässlich der aktuellen Düsseldorfer Aufführung von Jean-Philippe Rameaus einst sehr erfolgreicher Oper Castor et Pollux nicht viel freundlicher ausgefallen wäre. Denn die Idee, die mit zahlreichen, auch dramaturgisch sinnvollen Tanzeinlagen durchsetzte Oper Rameaus als modernes Tanztheaterstück zu inszenieren, endete in ein angestrengten Aktionismus.
Gewiss ist Rameaus Tanzmusik komplex, ausdrucksvoll, körperlich, auch narrativ. Sie ist aber ebenso eine ornamentale, elegante und dekorative Kunst – eben hochstilisiert. Schon die Zeitgenossen bewunderten an ihr, wie sie gleichsam die richtigen tänzerischen Bewegungen aus sich selbst hervorbringe.
Der renommierte Choreograph Martin Schläpfer projeziert nun auf diese feingliedrige Kunst das Vokabular des modernen Tanztheaters mit seiner eher tiefenpsychologisch motivierten Körpersprache, und das wirkt dann schnell akrobatisch, überambitioniert und verkrampft. Zumal der „Ausdruckstanz“ hier praktisch ein Dauerzustand ist und ständig das Bühnengeschehen bzw. die übrige Musik kommentiert. Das, was man in den Rezitativen, Arien und Chören hört, wird einfach verdoppelt! Und weil der Tanz eben viel Raum benötigt, stehen die übrigen Akteure dann oft zwischen den Tänzern herum. Offenbar hat die Choreographie die meisten Probenressourcen beansprucht, denn die Personenführung bei den Sängern ist unterentwickelt. Manche Auf- und Abtritte des Pollux wirkten z. B. derart nachlässig, als seien sie gar nicht geprobt worden.
Dabei ragt Bariton Günes Gürle unter den Darstellern vokal heraus, weil es ihm gelingt, eine ausdrucksvolle Darbietung mit einer entsprechenden stimmlichen Durchschlagskraft zu verbinden. Daran mangelte es vor allem den Damen, die vom Orchester Neue Düsseldorfer Hofmusik trotz der nicht allzu großen historisierenden Besetzung zu oft überdeckt wurden. Das Orchester benötigte unter Axel Kober geraume Zeit, bis es eine gewisse Betriebstemperatur und Sicherheit im Zusammenspiel erreicht hatte. Erst in der zweiten Hälfte des Abends konnte es ein befriedigendes dramatisches Feuer entfachen.
Dem ebenfalls steif agierenden Chor der Deutschen Oper gelang dies nur stellenweise. Vor allem der frenetische Dämonenchor im 3. Akt blieb enttäuschend blass – man konnte hier und an anderer Stelle hören, wie ungewohnt die eher an ausgefeilte Kirchen- und Oratorienmusik erinnernden Choreinlagen für die SängerInnen waren.
Die Ausstattung der Inszenierung wirkt trotz einiger interessanter Bühnenelemente – z. B. die an Mary Bauermeisters tachistische Collagen erinnernde riesenhafte Installation aus übereinandergelegten Rohren –, man kann es nicht anders sagen, unästhetisch. Das lag vor allem an den sperrigen, pseudomythologischen Plaste-und-Elaste-Kostümen (rosalie). Raumschiff Enterprise lässt grüßen. Ganz zu schweigen von den flatterigen grauen Leibchen der TänzerInnern, die an Putzlumpen erinnerten. Immerhin waren die, anders als das Shirt des Pollux-Sängers, nicht durchsichtig wie Frischhaltefolie.
Da gab es im Grunde keine Idee, nur im wahrsten Sinne den Versuch einer interessanten, aber bloß nicht zu sinnlichen Verpackung. Viel Tanz sollte es alles richten, am Ende mochte man aber selbst als Rameau-Fan einmal dem unfreundlichen Rousseau recht geben. Nach den erfolgreichen Produktionen der musikalischen Komödien Les Paladins und Platée blieb somit die Hoffnung auf einen angemessenen Abschluss der ambitionierten Rameau-Trilogie an der Deutschen Oper leider unerfüllt.
Georg Henkel
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