U2 gehören zu den Bands, die regelmäßig mit Superlativen belegt werden und die befreit vom düsteren Lederjacken-Image der Post-Punk- und New Wave-Tage den Weg in die Feuilletons etablierter Zeitungen gefunden haben. Selbst radikale Stilbrüche haben ihren Siegeszug nicht bremsen oder beenden können.
Dabei sind U2 im wachsenden Maße mehr als nur eine Rockband geworden. Vor allem Sänger Bono ist es gelungen seinen Ruhm auch sozial und politisch in die Waagschale zu werfen. Beim Live Aid-Festival 1985 waren U2 wenig mehr als eine von vielen beteiligten Bands. Das sollte sich bald ändern. Bono wurde zum Moderator zwischen verfeindeten irischen Politikern und engagierte sich zentral bei der sogenannten Erlassjahrkampagne anlässlich der Jahrtausendwende. Nach biblischem Vorbild (3. Buch Mose 25) sollten den ärmsten Ländern der Welt Schulden in Milliardenhöhe erlassen werden. Ein Engagement, dass tatsächlich zum Erfolg geführt hat.
Die Musiker von U2 haben ihren Glauben nie wie eine Fahne vor sich her getragen, aber wer die Texte zur Kenntnis genommen hat, konnte ihn auch kaum übersehen. Steve Stockman, ein presbyterianischer Geistlicher aus Belfast, hat die Band gerade wegen dieses Elements seit ihren Anfangstagen beobachtet. Er benutzt seit 20 Jahren Zitate ihrer Songs in seinen Predigten. Nun hat er unter dem Titel "Walk on - Die geistliche Reise von U2" die Geschichte der Band aufgeschrieben. Dabei kommen die bereits genannten Fakten zur Sprache und die CDs der Band nicht zu kurz. Aber im Mittelpunkt steht der geistliche Aspekt der Bandgeschichte.
Die Wurzeln dieses Glaubens wurden in der evangelikalen Shalom-Gemeinde Dublins gelegt, einer recht konservativen gemeinschaftsorientierten Glaubensgemeinschaft. Positiv haben U2 dort wohl die Verbindlichkeit und Konsequenz erlebt, mit dem der Glaube auch im Alltag gelebt wurde. Aber spätestens mit dem Aufstieg der Band gab es Probleme - nicht nur, weil man während des Tourlebens kaum regelmäßig am Gemeindeleben teilnehmen konnte. Das Hineinwachsen in den Rock-Zirkus mit all seinen Begeleiterscheinungen (Stichwort: Sex & Drugs & Rock'n'Roll) wurde misstrauisch beäugt, der Band sogar nahe gelegt, diesen Weg nicht weiter zu gehen. Letztlich führte das zum Bruch von U2 mit der Shalom-Gemeinde und dieser Spielart christlichen Glaubens.
Die Wurzeln aber sind solide und trugen weiter - zum einem Christentum, das zwar in großer Distanz zu kirchlichen Institutionen, aber deshalb nicht weniger engagiert gelebt wird. Indem Stockman die Band auf diesem Weg verfolgt, entsteht ein sehr differenziertes Bild äußerst ernsthafter Menschen, deren Erwachsenwerden sich auch in ihren Texten und ihrer Musik widerspiegelt.
Man merkt bei der Lektüre bald, dass Stockman kein Insider aus dem direkten Bandumfeld ist. Ob er überhaupt jemals mit den Musikern direkt gesprochen hat, bleibt offen. Exklusivmaterial wird nicht verwendet. Aber das ist in diesem Fall kein Nachteil. Stockman beobachtet die Band aus demselben Blickwinkel, wie jeder Fan, und beleuchtet sie mit dem Wissen und der Reflektion, der langen Anhängerschaft - und schafft durch sein spezielles Interesse eine neue Ansicht der irischen Top-Stars.
Wenig Mühe hat man sich bei der weiteren Ausstattung von "Walk on" gegeben. Bilder, eine Zeitleiste oder ein Register fehlen völlig. Und es ist zwar nett, dass im Anhang alle Tracks von U2 und anderen Bands, die im Buch erwähnt werden, aufgelistet werden. Aber es wäre schön gewesen, wenn man dieser Liste Seitenverweise mit auf den Weg gegeben hätte.
Das Lesevergnügen wird durch des spartanischen Rahmen zwar nicht getrübt. Aber so fällt es schwer, nach Ende der Lektüre interessanten Fragen noch einmal etwas genauer nachzugehen.
Norbert von Fransecky
Steve Stockman
Walk on - Die geistliche Reise von U2
2002, Asaph-Verlag, Lüdenscheid
ISBN 3-935703-07-4
www.asaph.net