Endlich konnte man wieder einmal einen bekannten Künstler aus der amerikanischen Country-Szene in Deutschland live erleben. Am 22.01.02 war der Songschreiber und "Country Rebell" Steve Earle zu Gast im Mainzer "Frankfurter Hof". Schon beim Betreten des Saals konnte man erkennen, dass dies kein gewöhnlicher Konzertabend werden sollte. Der gesamte Saal war bestuhlt und beim Blick auf die Bühne fiel auf, dass keine großen Anlagen aufgebaut waren. Ganz im Gegenteil, zwei Mikros, vier Monitore und ein Tisch bedeckt mit etlichen Mundharmonikas und Blues Harps. Jetzt war jedem klar, dass Steve Earle ohne Band angereist war und seine Songs akustisch nur mit Gitarre vortragen würde. Mancher war wohl etwas darüber enttäuscht, da viele Steve nur als Country-Rocker kannten, doch auch diejenigen wurden bald eines besseren belehrt! Pünktlich betrat Steve Earle die Bühne und wurde schon während seiner ersten Schritte zum Mikro mit rasendem Beifall empfangen. Er bedankte sich mit einem ironisch,
gelangweilten "thanks", das
das Publikum humorvoll entgegen nahm. Steve war nämlich nur auf die Bühne gekommen um seinen Sohn Justine anzukündigen, der im Vorprogramm spielen durfte. Im abgewetzten Schlabberlook, mit einer Gitarre und einem Cognacglas in der Hand betrat der junge Earle die Bühne. Was man dann zu hören bekam war schöner Country-Blues mit sehr guter Gitarrenarbeit. Stimmlich und auch musikalisch war ohne jeden Zweifel ein echter Earle am Werke, denn die Einflüsse seines Vaters waren nicht zu überhören. Nach ca. 20 Minuten verabschiedete sich Justine unter großem Beifall des sehr beeindruckten Publikums.
Sehr erfreulich war, dass der bis auf den letzten Platz besetzte Saal mit Zuhörern gefüllt war, die sich nicht wie auf einer Faschingsveranstaltung gekleidet hatten, wie es ja leider manchmal der Fall bei Country Konzerten ist. Nichts gegen Leute die sich gerne mal einen Stetson aufsetzen, jedoch würde es im übertriebenem Maße so eine Veranstaltung ins Lächerliche ziehen.
Nach etwa viertelstündiger Pause kam endlich der Altmeister persönlich auf die Bühne. Er ist schon lange nicht mehr der Langhaarige in Lederjacke wie ihn noch viele aus "alten Zeiten" kennen, jedoch noch genauso bodenständig und seine raue Ausstrahlung hat immer noch nichts an Attraktivität verloren! Der erste Song aus seinem Album "Transcendental Blues" mit Namen "Steves Last Ramble" wurde mit hervorragendem Gitarrenspiel und wunderschön harmonierender Mundharmonika vorgetragen, wobei seine Stimme live genauso schön kratzig und kraftvoll klingt. Darauf folgte der Song " more than i can do" der in gleicher Manier zu hören war und von den ca. 250 Zuhörern mit rasendem Beifall entgegen genommen wurde. Songs aus seinem Akustikalbum "train a`comin`" mit dem er auch sein großes Comeback feiern konnte, fehlten an diesem Abend genauso wenig wie die alten Hits und sogar aus seiner Bluegrass-Scheibe "the mountain" konnte man das gleichnamige Lied hören.
Es ist einfach eine Klasse für sich, wie Steve Earle es schafft, jedem Song das richtige Feeling mitzugeben und somit eine Atmosphäre schafft die einfach jeden Anwesenden fesselt! Besonders bei Balladen wie "my old friend the blues" oder "valentinesday", einer der schönsten die Earle wohl je geschrieben hat, konnte man im Publikum eine Stecknadel fallen hören, so aufmerksam hörten die Fans dem Künstler zu. Bei Songs wie cckmp ( cokain can not kill my pain), den Steve mit den Worten "welcome to my nightmare" ansagte, weil es sich darin um seine frühere Drogensucht handelt, riss es das Publikum zu wahren Begeisterungsstürmen hin.
Steve kündigte auch ein neues Studioalbum an, an dem er gerade arbeitet, wollte sich aber nicht auf ein genaues Erscheinungsdatum festlegen.
Mittlerweile war wohl jedem klar geworden, dass es sogar besser war, Steve Earle solo ohne Band zu sehen, da man sich so viel mehr auf den Songschreiber und sein fantastisches Gitarrenspiel konzentrieren konnte. Dann kam der Moment auf den jeder gewartet hat. Steve holte seinen Sohn Justine zum Zweiten mal auf die Bühne um die letzten 20 Minuten zusammen mit ihm seine Songs zu präsentieren. Justine unterstützte seinen Vater auf der Gitarre wie auch gesanglich, während Steve zwischen Gitarre, Banjo und Mandoline wechselte. Weltklasse wie die beiden es verstehen, rhythmisches Akkordspiel mit Melodieläufen zu verbinden, ohne das es dem Stück an Volumen fehlt. Fast etwas dreist war, den Countryrocksong schlechthin ( Copperhead Road ) akustisch vorzustellen. Auch wenn es hier etwas an Druck fehlte, war dieser Titel keineswegs langweilig interpretiert. Nach einem nicht enden wollenden, frenetischen Applaus des begeisterten Publikums gab es dann noch von Steve zwei Zugaben, zu denen auch das
Stück "Trancendental
Blues" des gleichnamigen Albums gehörte.
Ich und alle anderen Konzertbesucher hatten das große Vergnügen, einen der besten Songschreiber und Musiker der heutigen Zeit live zu erleben. So ging ein faszinierender und anspruchsvoller Konzertabend, den wohl jeder noch lange in Erinnerung behalten wird, viel zu schnell zu Ende und man kann nur hoffen, dass man so etwas in Deutschland noch öfter zu sehen bekommt!
FrankH