Wenn es einen Preis für das beste Metal-Billing 2002 gäbe, wäre Savatage und
Gefolge ein ganz heisser Anwärter für diesen Phantasie-Award. Verstärkt
wurden "The Mountain King" Jon Olivia und seine Truppe nämlich mit Blaze Bayley,
der Ex-Maiden-Frontsau, der einen ganz starken neuen Longplayer mit im Gepäck
hatte und den U.S.-Metal Veteranen Vicious Rumors.
Bei sovielen hochkarätigen Acts war das Motto "Nicht viel Zeit verlieren"
und so konnte man schon pünktlich um 19.30 Uhr die ersten Töne von VICIOUS
RUMORS vernehmen. Die Band präsentierte ihren typischen U.S-Metalstil (was auch
eine amerikanische Flagge, die die Monitorbox schmückte, unterstrich) souverän
und mit einem sehr guten Sound. Die ersten vier Reihen des Publikums dankten
den Jungs dafür, indem sie fast den gesamten Gig ihre Helden, die sogar
einige Spässchen auf Lager hatten, ohne Rücksicht auf Verluste abfeierten. Als
spontane, lustige Einlage konnte man wohl die Aktion bezeichnen, als der Sänger
einem Fan seine "Edguy"-Mütze vom Kopf "klaute" und damit den Rest des Gigs
bestritt. Die Fragen, ob er Edguy überhaupt kannte und ob er dann noch stolz
einem ihrer Merchandise-Produkte herumstolziert wäre, werden wohl nie
beantwortet werden. Recht kurzweilige, gelungene Visitenkarte der Rumours und den
Beweis das es der Band auch gefallen hat, brachte in der Umbaupause der
Drummer, der die Bühne enterte und eine Flasche "Huntermaster" ,ähh sorry,
"Jägermeister" vor Freude auf Ex leerte. Tja, Profimusiker müsste man sein, 30 Minuten
spielen und den weiteren Verlauf des Abends saufen, fressen ... usw.
Ob sich das Tourmanagement wohl einen Gefallen getan hat, BLAZE ziemlich
kurzfristig noch als zusätzlichen Support-Act zu verpflichten ? Den der
Ex-Maidenfronter und seine Jungs liessen auf der letzten Tour mit Helloween den
Headliner, im wahrsten Sinne des Wortes, ziemlich alt aussehen. Um es
vorwegzunehmen, ganz so verherrend wurde es für Savatage nicht, den die Band um Blaze
Bayley hat sich den Eigenschaften ihres zweiten Albums angepasst und ist ein
wenig ruhiger und routinierter geworden. Dies merkte man vor allem an den beiden
Gitarristen, die vor einem Jahr kaum zu bremsen waren. Dennoch, wer Blaze
noch nicht live bewundern durfte war beeindruckt von der vielen Bewegung auf
der Bühne und vor allem von der Energie des Sängers, der für die Dauer der Show
wie in einem Rausch war. Dies gipfelte darin, das sich Bayley, der auch
optisch wie ein "Freeclimber" rüberkam", wieder was zum klettern suchte, aber in
der Stadthalle Langen nichts passendes fand, was eine gewisse unfreiwillige
Situationskomik zu Tage legte. Auch an der Songauswahl gab es nichts zu
meckern. Mit "Futureal" und "Man on the Edge" gab es sogar zwei Maidenstücke, die
hauptsächlich aus Bayleys Feder stammten. Vom neuen Album "10th Dimension"
wurde "Speed of Light", "Kill & Destroy" und der Titeltrack dargeboten, wovon
zumindest die letzten zwei Tracks Stimmungshöhepunkte des Gigs waren, was auf
das hohe Potential des Albums schliessen lässt. Der Rest der Stücke auf der
Setlist stammte vom Debüt "Silicon Messiah" und damit war erstmals kein
"Wolfsbane"-Song im Angebot. Das erste Drittel des Publikums verausgabte sich durch
die Anfeuerungen des sympathischen Bayley, der manchmal durch seine Grimassen
wie ein Pitbull rüberkam, total und so denke ich sind die "Zugabe"-Rufe den
Musikern hinter der Bühne wie Öl hinuntergelaufen. Aber da Vorgruppen
bekanntlich keine Extra-Stücke spielen dürfen, müssen wir noch ca. eins bis zwei
Monate bis zur anstehenden Blaze-Headlinertour warten.
Nun war es endlich soweit und die Gerüchte nach ausverkaufte Stadthalle
konnte endlich die heissersehnten Jungs von Savatage willkommen heissen.
Heissersehnt ist wohl auch der passende Ausdruck, da die Amis ursprünglich schon vor
einigen Monaten an selber Stelle auftreten sollten, dieser Gig aber wegen den
Terroranschlägen auf den heutigen Tag verschoben werden musste. So wählte
die Band auch als Intro den Song "The Show must go on" von Queen, der in voller
Länge vom Band abgespielt wurde und eine ziemliche Gänsehautatmosphäre
hinterlies, bevor es dann mit "Commissar" richtig losging. Schon jetzt bemerkte
man was für eine geniale Lichtshow Savatage aufgezogen hatte, die ohne grossen
Aufwand, nur mit richtig eingesetzten Spots zur wirkungsvollsten Lichtshow
gehörte, die ich je bei einer Band gesehen hatte. Diese Beleuchtung und die
faszinierenden Gesten des neuen Sängers Damond Jinuya versetzten den Zuschauer
fast in eine Musicalvorstellung. Auch der Fehler der letzten Sommerfestivals
wurde ausgemerzt und so hielt sich der Ville-Valo-lookalike auch dezent im
Hintergrund wenn er mal nicht an der Reihe war. Vielleicht war ja er auch der
Grund für die hohe Quote an weiblichen Besuchern an diesem Abend, aber auch
gesanglich zog er alle Facetten und meisterte sie mit Bravour. Jon Olivias
Stimme hörte sich wie in letzter Zeit eigentlich immer ziemlich knarzig an, aber
gerade dies und seine teilweise sehr ironischen Ansagen stellten einmal mehr
unter Beweis warum Oliva einer der abslouten Lieblinge der Metal-Szene ist.
Bis in wirklich die hinterste Reihe gingen die Fans mit und dies veranlasste
Savatage (wie übrigens auch die anderen zwei Vorgängerbands) ein "It`s good to
be back in Germany" ins Mikro zu rufen. Vorher war der Tourtross ja in
Griechenland und ich möchte nicht wirklich wissen wie es dort zugegangen ist.
Songtechnisch zündete die Band ein Hitfeuerwerk allererster Güte und liess keinen
der Höhepunkte ihrer schon über 20-jährigen Schaffensphase aus. Beispiele
gefällig ? Welcher Metalfan bei Stücken wie "Sirens", "GutterBallet", "Agony &
Ecstasy", "Believe", "Edge of Thorns" u.v.a.m. nicht geil wie eine läufische
Hündin wird, dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Auch fünf Stücke des aktuellen
Albums "Poets & Madmen" fanden sich auf der Setlist und in den über zwei
Stunden Spielzeit(!) blieb sogar noch Zeit für das eine oder andere
Instrumental, bei dem Chris Caffery wiedereinmal vorführen konnte zu was für einen
Wahnsinnsgitarristen er sich doch gemausert hat. Also Zugaben dieses genialen
Konzertabends gewährten Oliva & Co. den Fans das wie immer mit sensationellen
mehrstimmigen Vocals dargebotene "Chance", das den Opfern des 11.Septembers
gewidmet wurde. Tja, irgendetwas fehlte da doch noch ?!? Die "Mountain
King"-Sprechchöre wurden immer lauter und so kamen die Jungs aus Florida nochmal auf die
Bühne um "Hall of the Mountain King" zu zelebrieren. Bandleader Oliva hatte
sich dafür extra mit einer roten Pumuckl-Perücke schick gemacht, die während
des Songs zu Caffery wanderte der anschliessend sogar die Unverfrohrenheit
besass das Ding in einem günstigen Moment Herrn Jinuya aufzusetzen, der das
Spiel zwar ein paar Sekunden mitspielte, aber ganz wohl war ihm da nicht dabei
und dies veranlasste "Mountain King" Oliva zu einem Lachanfall
sondersgleichen.
Um ca. 23:45 Uhr war dann Schicht im Schacht und wenn Savatage das nächste
mal in unseren Breitengraden auftaucht bin ich wieder dabei, auch wenn dies
wohl leider noch einige Zeit dauern wird. I seek Power !
MANUEL LIEBLER