(08.02.02, Café Central, Weinheim)
The Icarus Line spielen sich in Weinheim wahrlich in Extase!
Am Freitag Abend freute sich eine leider nicht so große Menge von circa 50-60
Musikliebhabern die in der Szene als "At The Drive-In"-Nachfolger gehandelten
"The Icarus Line" endlich live sehen zu können.
Das Konzert wurde von den "Starfuckers" eröffnet. Ein wirklich interessante
Band, die harten sowie anspruchsvollen Rock'n'roll produzieren. Um den Sänger,
den man optisch zwischen Meister Propper und dem Frontman von "Right Said Fred"
einordnen kann, zieren sich ein Drummer, der wohl auch in einer Metalband gut
aufgehoben wäre, zwei technisch versierte Gitarristen und ein angsteinflößender
Bassist, der sich wie festgenagelt die komplette Spielzeit nicht von der Stelle
bewegte und durch seine Sonnenbrille ausschließlich finster ins Publikum
schaute. Die "Starfuckers" liefern einen durchaus gelungenen, dynamischen
Auftritt ohne jedoch den Konsumenten wirklich in der Form zu berühren um
relevant zu sein. Sie kratzen an der Oberfläche ohne aber einen zu bleibenden
Eindruck hinterlassen. Die weitere Entwicklung der Band dürfte aber dennoch
interessant zu verfolgen sein.
Als der Hauptact die Bühne betritt traut sich das Publikum etwas näher an die
Musiker und wird sofort von der Wucht des aus den Boxen dröhnenden Sounds
mitgerissen. "The Icarus Line" kommen aus Hollywood, nicht unbedingt der
gewöhnlichste Ort für eine Band, die ihren Sound zwischen Hardcore, Noise,
Psychedelic und zahlreichen anderen Einflüssen findet, aber vielleicht gerade
deshalb auch ein sehr guter. 1996 als "Kanker Sores" gegründet, nannte man sich
1998 nach dem Unfalltod des damaligen Schlagzeugers Tim Childs in "The Icarus
Line" um und fand mit Jeff Watson, dem mittlerweile sechsten Drummer, einen
dynamischen, technisch guten und virtuosen Nachfolger. In feine Hemden mit
Krawatten gehüllt erinnern sie an die optische Uniformität von "The
(International) Noise Conspiracy". Ein Gitarrist beklettert schon beim ersten
Song seinen Verstärker, reibt sein Instrument an demselben und entlockt der
Klampfe so ungewöhnlich Töne. Sänger Joe Cardamone schreit was seine Stimme
hergibt in das Mikro, der Rest der Band experimentiert mit vielen Effekten und
erschließt dem Gehör des Zuhörers neue Klangdimensionen, ein wahres Feuerwerk
alternativer, kreativer sowie exzessiver Musik bahnt sich an. Die Zeit verfliegt
während sich die Musiker von Song zu Song steigern, sich wahrlich in Extase
spielen. Joe rennt soweit es das Kabel seines Mikros zulässt kreischend,
schreiend, teilweise auch wieder klar und beruhigend singend durch die Menge,
setzt sich in die Ecke vor eine PA-Box, erkundet wie die Bühne von unten
aussieht, ... - kurz: völlig verrückt und mitreißend. Die Musiker auf der Bühne
verhalten sich ähnlich exzessiv und zeigen deutlich welch Freude sie an ihrem
Job haben. Gespielt werden fast ausschließlich Stücke des neuen,
empfehlenswerten Albums "Mono". Höhepunkt ist vermutlich "Feed A Cat To Your
Cobra", wobei "Kill Cupid With A Nail File" von einer älteren EP auch
spielenswert gewesen wäre. Leider ist die Band aber müde diese älteren Sachen
weiterhin zu spielen. Zum Schluss wirft Joe sein Mikro weg und läuft davon, der
Rest spielt noch eine Weile weiter, ein Gitarrist hat seine Gitarre gewechselt,
erklimmt nun eine große PA-Box, schlägt dort sein Instrument gegen die Wand,
springt wieder runter um es auf den Boden zu schlagen und zerschmettert es
schließlich an einer Monitorbox. Jeder der Band drischt noch mal rein was geht
und geht dann ab. Die Fans bleiben nun wie in Trance noch einige Minuten vor der
leeren Bühne stehen und gehen dann wie hypnotisiert zum T-Shirt-Stand. Die
Gitarre kann diesesmal nicht wieder geklebt werden, sie ist tot, Joe möchte sie
gern im Garten begraben. Letztendlich hat mich Joe noch gebeten zu schreiben
"that we sucked dicks", dem komme ich gerne nach.
Der Band ist unter Berücksichtigung des immensen Potentials ein Platte der
Qualität von "Relationship Of Command" von "At The Drive-In" in naher Zukunft
auf jeden Fall zuzutrauen. Besonders live besonders empfehlenswert.
Kevin Kirchenbauer