Ossian

Az Igazi Szabadság


Info
Musikrichtung: Metal

VÖ: 21.04.2017

(Hammer)

Gesamtspielzeit: 44:32

Internet:

http://www.ossian.hu


Die Ungarn Ossian konnten einem geradezu unheimlich werden: Seit ihrer Reunion Ende des vergangenen Jahrtausends brachten sie viele Jahre lang regelmäßig im Jahrestakt gut- bis hochklassige Traditionsmetalalben heraus, und nur in wenigen Jahren erschien kein neues Studioalbum, dafür dann aber meist ein Livewerk oder ein ähnlicher Zwischendurch-Release. Wer sich über das Gros der jüngeren Alben informieren will, findet auf www.crossover-agm.de eine Reviewserie, hier soll es um das aktuelle Album Az Igazi Szabadság gehen – und es dürfte keine Überraschung sein, daß auch dieses problemlos seinen Platz in der genannten Albenreihe findet.
Der erste Blick gilt natürlich der Bandbesetzung. Ossian, jahrzehntelang mit zwei Gitarristen agierend, hatten vor einigen Jahren die zweite Planstelle eingespart, arbeiten seither also nur noch mit einem Sechssaitenbediener, was allerdings keine Auswirkungen auf die musikalische Ausrichtung hatte: Der Traditionsmetal Ossians bleibt grundsätzlich auf zwei Gitarren ausgerichtet, auch wenn doppelläufige Leads Seltenheitswert besitzen („Ahol A Szürkeség Véget Ér“ als markante Ausnahme). Wie die Band das live umsetzt, müssen Menschen beurteilen, die im Gegensatz zum Rezensenten die in Ungarn zwar sehr tourfreudigen, aber kaum je über die Grenzen ihres Heimatlandes hinaus gelangenden Ossian schon mal auf der Bühne erlebt haben. Auf die Studioarbeit aber hat der Fakt, daß Richárd Rubcsics alle Sechssaitenparts allein bestreiten muß, keine Auswirkungen: Ossian sind und bleiben Traditionsmetaller durch und durch, und wenn sich doch mal ein kleiner moderner Schlenker einschleicht, dann dient der als bewußt eingesetztes individuelles Stilmittel.
Trotzdem justieren die beiden Hauptsongwriter, neben Rubscics noch Sänger Endre Paksi, das Material gelegentlich neu. Auf den letzten Alben gab es beispielsweise fast immer ein Instrumentalstück, unter den elf neuen Songs aber findet sich keins. Dafür tauchen gleich im eröffnenden Titelstück völlig überraschend einige Keyboardpassagen auf – normalerweise haben sich die Ungarn von solchen Klängen eher ferngehalten, auf dem neuen Album dagegen kommt so etwas gleich in etlichen Songs vor. Balladen dagegen hatten sie schon oft im Repertoire, und „Köd Elötted, Köd Mögötted“ stellt unter Beweis, daß sie in diesem Sektor nichts verlernt haben. Einen kompletten Kirchenchor dagegen haben sie im dem Rezensenten bekannten Teil ihres Schaffens noch nicht zum Einsatz gebracht, während die fünfköpfige Riege der Backingvokalisten mit József Kalapács auch einen sehr prominenten Namen aufweist – selbst der nichtungarische Gourmetmetaller kennt dessen Ex-Band Pokolgép oder sein jüngeres Soloschaffen. Was Ossian diesmal nicht bieten, ist metallische Hochgeschwindigkeit: Sie hatten auf den Vorgängeralben meist zumindest ein, zwei Songs dabei, welche die Schlagzahl nach oben schraubten – dem ist auf Az Igazi Szabadság nicht so, und das relativ treibende Tempo von „Ahol A Szürkeség Véget Ér“ stellt da schon fast das Ende der Fahnenstange dar, wobei der Song an sich, da Rubscics in der Gitarrenarbeit hier eine Halbakustiklinie dominieren läßt, gar nicht so hart wirkt, daß man ihn diesbezüglich als Gipfelpunkt interpretieren müßte. Auch hier kommen zudem ein paar Keyboardflackereien zum Einsatz, was Ossian offenbar so gut gefallen hat, daß sie dieses Stilmittel im folgenden „Vigyázz A Szívemre“ gleich nochmal zum Einsatz bringen. So entsteht insgesamt ein Bild, das man am besten mit dem Wort „gediegen“ umschreiben könnte. Ossian, gegründet bereits in den Mittachtzigern, sind keine Jungspunde mehr (wenngleich sie seit einigen Jahren mit Gergely Kálozi einen solchen an den Drums sitzen haben), also versuchen sie auch gar nicht erst, mit den jungen Wilden mitzuhalten. Trotzdem könnte dem einen oder anderen Hörer Az Igazi Szabadság etwas zu entspannt respektive energielos vorkommen, und auch der Rezensent teilt die Einschätzung, daß die Balance aus Härte und Gediegenheit auf diversen jüngeren Alben schon besser funktionierte als in dieser knappen Dreiviertelstunde hier. Das macht die Songs an sich natürlich nicht schlechter, und schon der eröffnende Titeltrack beweist, daß Ossian in puncto Songwriting absolut nichts verlernt haben. Wer seinen Metal kompakt und doch ideenreich inszeniert liebt, kommt hier auf seine Kosten – die elf Songs bewegen sich in einem bandtypischen Schnitt von vier Minuten Spielzeit. Stilistisch etwas weiter aus dem Fenster lehnen sich Ossian nur mit „Szememben, Mint Egy Tükörben“, das als Orchesterballade beginnt und Einfälle verarbeitet, die auch Nightwish hätten haben können, während der Hauptteil dann die üblichen Ossian-Elemente addiert und dadurch eine ganz eigentümliche, aber reizvolle Stilistik schafft. Daß es sich hier um den einzigen Song handelt, bei dem außer Paksi und Rubscics auch noch ein Gast, nämlich Keyboarder Attila Ádám (Ungarn-Szenespezialisten könnten ihn von den Symphonic Metallern Tales Of Evening kennen), mitkomponiert hat, ist natürlich kein Zufall. Folkloristische Elemente wie in „Harangok“ hatten Ossian dagegen auch schon auf den Vorgängeralben ganz dezent eingestreut, während sie im Gitarrensound gleich zu Beginn des Titeltracks so nahe an Hammerfall liegen, wie einem das bisher noch nie aufgefallen ist. Und apropos Gitarren: Rubscics beweist mit seinem gekonnt zwischen Solidität und Phantasie pendelnden Spiel ein weiteres Mal, daß er zu den Topleuten an seinem Instrument gehört.
Zu betrachten bleibt schließlich noch Endre Paksis Gesang. Hörte man ihm in der Vergangenheit bisweilen sein fortschreitendes Alter dahingehend an, daß sich sein stimmliches Spektrum in tiefere Regionen verlagerte, wo er aber noch nicht immer ganz sicher wirkte, so beginnt er sich seit einigen Alben dort wohlzufühlen und weiß die sich nunmehr bietenden Möglichkeiten immer besser zu nutzen, so daß er auch auf Az Igazi Szabadság einen souveränen Eindruck hinterläßt. Daß er abermals in Ungarisch singt, dürfte dem Leser angesichts der Songtitel schon ins Hirn gesprungen sein, aber das Booklet des Digipacks bietet (neben traditionell einigen kurzen Liner Notes des Sängers, auch diese freilich in Ungarisch gehalten) alle Texte, so daß zumindest verstehendes Lesen und Auswendiglernen für alle, die sich vielleicht doch mal aufmachen wollen, um die Band live zu erleben, und dann fleißig mitsingen möchten, ermöglicht wird. Optik wie Sound genügen wie immer internationalen Standards.
So bleibt ein interessantes Kapitel in der Ossian-Geschichte: Geht ihnen im Alter wirklich die Puste aus, oder ist die vergleichsweise Energiearmut des Albums Absicht und weicht auf Folgealben wieder einer größeren Dosis Power? Der grundsätzlich hohen Qualität und der Tatsache, daß auch dieses Werk in jede vernünftige Ungarn-Metal-Sammlung gehört, tut der beschriebene Umstand jedenfalls keinen Abbruch.



Roland Ludwig



Trackliste
1Az Igazi Szabadság3:39
2 Célszemély 3:35
3 A Szerencse Angyala 4:46
4 Köd Elötted, Köd Mögötted 3:32
5 Ébredj Fel 3:52
6 Ahol A Szürkeség Véget Ér 3:26
7 Vigyázz A Szívemre 4:33
8 A Tegnap Tüzében 3:57
9 Szememben, Mint Egy Tükörben 4:30
10 Harangok 4:28
11 Végsö Menedék 4:04
Besetzung

Endre Paksi (Voc)
Richárd Rubscics (Git)
Krisztián Erdélyi (B)
Gergely Kálozi (Dr)



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