Swing Low, Alabama: East Blues Experience zu Gast beim Jazzklub Altenburg
„Sind sie da, sind sie weg“, behauptete die Werbung einst von einer schmackhaften Substanz. Im übertragenen Sinne könnte man diesen Spruch auch auf East Blues Experience anwenden, deren kurze Aktivitätsphasen immer wieder durch längere Perioden unterbrochen werden, in denen sich die Mitglieder ihren anderen Tätigkeiten widmen. Das bedeutet etwa bei Drummer Ronny Dehn und Basser Jäcki Reznicek, dass sie ebenjene Rollen bei Silly ausfüllen. Adrian Dehn wiederum, Ronnys Sohn, der seit geraumer Zeit bei East Blues Experience als zweiter Gitarrist mitspielt, ist momentan in Panama, so dass die Formation an diesem Freitag in Altenburg wieder in der klassischen Triobesetzung auf die Bühne steigt. Die Nachfrage ist so groß, dass die Veranstaltungshalle im Weindepot Priem kapazitätstechnisch gerade so ausreicht – offensichtlich hat die Band, die bereits anno 2015 im Rahmen der Konzertreihe des Altenburger Jazzklubs in der Skatstadt gastierte, damals einen sehr positiven Eindruck hinterlassen. Wenn man daraus ein Gesetz der Serie ableiten kann, müßte der Zuspruch beim nächsten Gastspiel nochmals größer sein – soviel vorweg. Von einer Formation mit dem Namen East Blues Experience sollte der Hörer selbstredend Blues erwarten können, aber das Trio spielt durchaus etwas mit den Erwartungen des Publikums und erkundet auch zahllose andere musikalische Gefilde in der Bluesnachbarschaft. Zudem beinhaltet die neue EP Der Tag auch Songs mit deutschen Lyrics – das war im DDR-Blues zwar nicht ungewöhnlich, besitzt heutzutage allerdings eher Seltenheitswert. Das EP-Material kommt in den beiden Sets, beginnend gleich mit „Wie lang soll ich warten“ an Position 3, umfangreich zum Zuge, ebenso wie zahlreiche weitere Eigenkompositionen von Chefdenker/Gitarrist/Sänger Peter Schmidt, der sich also nicht nur durch die weite Blueslandschaft covert, diesem Zweig allerdings auch gerne mal frönt, wie sich das für einen anständigen Blueser gehört. Als einer der zentralen Anknüpfungspunkte dient der klassische Chicago Blues, und da East Blues Experience eine intensive Verbindung zu Carey Bell hatten, taucht in der Setlist Material von diesem auf, aber auch solches, mit dem Bell Schmidt bekannt gemacht hatte. „Alabama“ wiederum hat in der zu hörenden Fassung kein „Sweet Home“ davor, sondern nur gelegentlich ein „Swing Low“, und es stellt eine der wenigen Nummern des Abends dar, in denen Schmidt, Reznicek und Dehn das Tempo tatsächlich mal bis in die Nähe des akustischen Stillstandes drosseln („It’s So Easy To Love You“ ist der einzige andere Vertreter in der ersten Sethälfte). Statt dessen eröffnen sie gleich mit vier ziemlich flott gehaltenen Nummern, bevor sie in „Roter Mond“ die Schlagzahl zum ersten Mal entscheidend nach unten schrauben und in der Folge eine stimmige bunte Mischung hervorzaubern, die extremen Puristen zwar immer noch viel zu schnell und/oder zu rockig ausfallen dürfte – aber solche sind an diesem Abend offenbar in der deutlichen Minderheit. Die Gourmets im Publikum erfreuen sich statt dessen an stimmungsvollen Interpretationen von Werken aus dem Fundus von Canned Heat, mit denen East Blues Experience auch mal on the road waren, oder Jimi Hendrix, den Schmidt im Dezember 1990 mit der Urbesetzung von East Blues Experience als allererste Nummer einprobte (Dehn ist seit 1991 an Bord, Reznicek seit 1994). Dass die hauptstädtische Formation trotz ihrer eher seltenen Aktivität (und zudem zwischendurch auch mal veränderter Besetzung) prima eingespielt ist, versteht sich vor diesem Hintergrund von selbst, und das kommt sowohl den kompakteren Nummern als auch den ellenlangen, aber in sinnvollem Rahmen bleibenden Improvisationen Schmidts zugute. Auch der Soundmensch tut anfangs sein Bestes, bringt aber im zweiten Set das schräge Kunststück fertig, Rezniceks Baß so ins klangliche Abseits zu stellen, dass man selbigen zwar noch vernimmt, aber irgendwie nicht mehr als integralen Bestandteil des Triosounds ansieht. Das trübt im besagten zweiten Set die Freude ein wenig, aber die Klasse aller Beteiligten rettet die Situation doch noch, und das Tanzbein bleibt in Bewegung, in selbigem Teil übrigens verstärkt im Boogiemodus, obwohl doch das Silly-Debüt Tanzt keiner Boogie hieß. Aber damals waren Dehn und Reznicek ja auch noch nicht bei Silly ... Zum Scherzen aufgelegt ist Schmidt übrigens auch, was seinen Ansagen einen beträchtlichen Unterhaltungswert verleiht. Gut bei Stimme ist er ebenso, und wenn man nicht verlangt, dass ein Bluessänger zwingend eine Stimme haben müsse, die nach vielen Gallonen Feuerwasser klingt, kann man diese im Normalspektrum angesiedelte, aber ziemlich ausdrucksstarke Stimme auch richtig gut finden. Ein wenig aus dem stilistischen Rahmen fällt allerdings seine Gewandung: Mützen dieser Art sieht man sonst eher im Nu-Metal-Umfeld, und das Guns-n-Roses-Shirt liegt in ähnlicher Entfernung vom Grundstil wie das Threshold-Subsurface-Shirt des Rezensenten, wobei beide Schmidt-Ausprägungen allerdings keinen Widerhall im Set finden (zumindest nicht, soweit es der Rezensent feststellen kann – er hat nicht den kompletten GnR-Backkatalog im Kopf, worunter sich freilich durchaus einiges findet, woraus man eine Bluesrockfassung zaubern könnte). Mit „Hey Hey Honey“, dem ersten Song, den Schmidt je schrieb und der gekonnt mit dem „Honey-Money“-Reim spielt, verabschieden sich East Blues Experience nach zwei Stunden Nettospielzeit, werden vom begeisterten Auditorium aber natürlich nicht ohne zwei Zugaben fortgelassen, deren erste als bisher noch nicht eingesetztes Stilmittel auch noch leichtes Südseeflair ins Stilspektrum mischt und deren zweite der Klassiker „Hoochie Coochie Man“ ist, der natürlich nochmal für besonders viel Jubel sorgt. In drei Jahren wieder? Meinetwegen gerne auch früher. Roland Ludwig |
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