Wino & Conny Ochs: Leidenschaftliche Songs über Schmerzen, Wut, Sehnsucht und Liebe
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Wohl noch nie war Szeneurgestein Scott „Wino“ Weinrich so aktiv und produktiv wie in den letzten drei Jahren. Neben der (Live-)Reunion von St. Vitus stand ein erstes Soloalbum an (Punctuated Equilibrium) und in Folge ließen auch Platten mit den beiden Projekten Shrinebuilder und Premonition 13 aufhorchen. Eine besondere Herzensangelegenheit war ihm allerdings seine Akustikscheibe Adrift. So pur und intim erlebte man den Mann selten. Auf der dazugehörigen Tour spielte damals im Vorprogramm der deutsche Songwriter Conny Ochs, welcher außerhalb seiner Hauptband Baby Universal ebenfalls eine Akustikalbum aufnahm (Raw Love Songs). Die beiden verstanden sich sofort und es entstand eine Freundschaft, welche nun im gemeinsam eingespielten Heavy Kingdom gipfelt. Hierauf setzen die beiden ihre Soloausflüge fort und präsentieren ein echtes Gemeinschaftswerk - ganz pur und eindringlich eingespielt. Hier lenkt nichts vom reinen Kern der Songs ab. Wino und Ochs spielen sich die Bälle ganz selbstverständlich zu, als würde man sich bereits viele Jahre kennen. Das macht natürlich neugierig wie es dazu kam. Und so fragte MAS ein weiteres Mal bei Conny Ochs persönlich an, der mit wenigen Sätzen (dafür umso mehr auf den Punkt) antwortete.
Ich kann mir vorstellen, dass die letzten zwölf Monate aufregend für Dich waren. Bist zufrieden wie Deine CD Raw Love Songs und Du als Solokünstler in der Musikszene aufgenommen wurdest, bzw. sogar überrascht vom wohl gesonnenen Echo?
Das letzte Jahr war wild, ich war viel unterwegs und habe überall neue Leute getroffen. Dass ich im Anschluss an die Adrift-Tour von Wino ein Teil der Exile on Mainstream-Famile geworden bin war ein großes Glück für mich in diesem Jahr. Raw love songs ist ziemlich weit rumgekommen inzwischen. Ich bin dankbar für all das und freue mich auf alles was jetzt kommt.
Kanntest Du Wino im Vorfeld der Tour bereits, bzw. war Dir bewusst was für eine „Untergroundlegende“ er in der Metal/Heavy Rock-Szene ist?
Als die Tour losging wusste ich nicht was für ein Held Wino für viele ist. Wir kannten uns nicht und haben uns getroffen wie zwei Wanderer die sich begegnen, für ein ganzes Stück Weg auf demselben Trip. Das war ein besonderer Moment, weil es nur die Geschichte für uns gab, die wir zusammen erlebt haben, auch mit Brian von Darsombra. Inzwischen weiß ich mehr über seine Geschichte und er ist wirklich ein Lehrer für mich geworden.
Wie war das erste Aufeinandertreffen und welchen Eindruck hat der Mann bei Dir hinterlassen?
Wir haben uns das erste Mal auf dem South of Mainstream Festival gesehen. Wino war wie er auch sonst ist ehrlich und neugierig und immer voller Respekt für das was andere Leute machen. Wir haben uns über die Bands auf dem Festival unterhalten, über Townes Van Zandt und wie wir uns auf die Tour freuen. Das alles war voller Herz.
Was ist er für ein Typ und welche Eigenschaften/Einstellungen teilt ihr, weswegen ihr auch musikalisch so gut harmoniert?
Wir kommen aus verschiedenen Welten aber wir sehen uns beide nach der Wildnis. Wir leben beide in Licht und Schatten.
„All lyrics and music by Wino & Conny Ochs“ steht auf der CD geschrieben. Aber wie lief das Ganze ab - schrieb jeder im Kämmerlein zu Hause seinen eigenen Songs, die man am Ende zusammenwarf oder gab es doch so etwas wie eine gemeinsame Songwriting-Session?
Wir hatten beide schon Textideen und Riffs. Zum Teil sind die schon während der Tour entstanden, wenn wir gejammt haben. Heavy Kingdom haben wir von vorn bis hinten zusammen geschrieben, an einem Nachmittag in Berlin und das war der Grundstein für die Platte. In jedem Song ist die Welt des einen, teils der Welt des anderen. An Stellen an denen es nicht weiterging war immer der andere da.
Bereits Ende 2010 hat Wino zusammen mit Dir eine Latitude-Session für Southern Records aufgenommen, die bisher allerdings unveröffentlicht ist. Gab es damals schon erste Songideen die jetzt in „Heavy Kingdom“ einflossen?
Ja, die Fassung von „Labour of love“ die jetzt auch auf dem Album ist haben wir an dem Tag geschrieben.
„The heavy kingdom of love“ heißt es im Titelsong. Liebe und Leidenschaft sind immer wieder Themen eurer Lieder. Sind selbige - vor allem auch ihre dunkle Seite - auch eine Triebfeder hinter dem Album und eurem gemeinsamen Schaffen und warum die Metapher als „schwerfälliges Königreich“?
„Heavy“ steht für die Kraft und die Macht aller Leidenschaften. Es geht auf dem Album um Schmerzen, um Wut, Sehnsucht und auch um die Liebe ohne die keiner von uns mehr stehen würde und für die es sich lohnt zu kämpfen. Es geht um das woran wir glauben und was unsere Welt ausmacht. Fake is the easy kingdom.
Die meisten Titel sind recht düster. Ist es allgemein schwieriger positive Gefühle in Worte und Musik zu verwandeln oder trifft auch hier das alte Klischee zu, dass der Musiker nichts schreibt, wenn er gut drauf ist?
Klischees sind mir egal. Ich schreibe was ich schreibe und überhaupt etwas zu schreiben und zu teilen finde ich positiv, wenn du so willst. Für mich sind andere Sachen düster. Abba zum Beispiel, diese ganze Clockwork Orange-Musik die die Leute ruhigstellt, während sie dabei langsam durchdrehen.
Oft wird im Songwriter-Genre mehr Wert auf Text als auf die Musik dazu gelegt, was ich meine, hier nicht der Fall ist. Was steht für Dich mehr im Vordergrund, der Text oder die Musik oder geht das eine nicht ohne das andere?
Es gibt keinen Vordergrund oder Hintergrund. Das ist ein Bild, sonst ist da kein Leben drin. Wenn wirklich was passiert, kommt immer alles zusammen.
Das Artwork zur CD wirkt ziemlich kryptisch mit der zerbrechenden Burg mit den abgetrennten Wurzeln, dem Mondzyklus und weiteren Symbolen. Bezieht sich das auf einzelnen Songs der Platte oder hat es eine andere, übergeordnete Bedeutung? Vielleicht kannst Du etwas Licht ins Dunkel bringen.
Wir fühlen uns auf jeden Fall beide zuhause in der Mythologie, der Mystik und der Symbolik, weil sie die Instinkte aktiviert. Der andere Teil der Geschichte ist man selbst. Es war klar, dass wir ein dunkles Artwork wählen. Die meiste Zeit über wenn wir geschrieben haben war es dunkel draußen und außerdem ist überall Licht. Da siehst du nichts mehr und der Kopf tut dir weh, du kannst auch nicht mehr fantasieren weil alles um dich flimmert. Alles andere will ich den Leuten überlassen. Die Botschaft ist manchmal schwer zu lesen aber wenn du sie selbst findest wird sie dir etwas bedeuten.
Warum habt ihr gerade ein Lied von Townes Van Zandt gecovert? Ist das euer kleinster, gemeinsamer musikalischer Nenner und übt er eine ähnliche Faszination aus?
Townes hat uns von Anfang an begleitet - hinter und auf der Bühne. Am Ende der Tour haben wir in London in dem Club gespielt in dem er seinen letzten Auftritt hatte. Townes ist für mich der größte Songwriter - zusammen mit Woody Guthrie. Live hatten wir schon „Nothing“ gespielt und als wir Lust hatten noch einen Song für die Platte zu covern, war klar das es nur einer von Townes sein konnte. Er war immer an unsere Seite und gehört irgendwie zu der Geschichte dazu.
Letzte Woche hätte ja ein offizielles Release-Konzert in Berlin mit Dir und Wino sein sollen, was ja dann so nicht funktionierte. Wie lief es deswegen, sind die Songs auch von Dir alleine gut angekommen?
Ja, es waren viele Leute da und es gab einige die auch schon mitgesungen haben - woher auch immer sie die Songs kannten! Es war schade, dass Wino nicht da sein konnte, der in New York auf dem Flughafen fest hing. Aber wir hatten einen guten Abend mit vielen Freunden und hatten ihn alle im Herzen dabei.
Was kann man von der gemeinsamen Tour im Frühjahr erwarten? Steht ihr gemeinsam auf der Bühne und spielt die Lieder aus Heavy Kingdom, sowie von Adrift und Raw Love Songs zusammen oder hat jeder auch seinen eigenen Part mit Solosachen?
Wir spielen auf jeden Fall auch Songs von Adrift und Raw love songs. Wie oder ob wir das aufteilen wissen wir noch nicht genau.
Was denkst Du, wird es nach eurer gemeinsamen Tour eine Fortsetzung der Geschichte geben oder geht ihr erst einmal wieder getrennte Wege?
Es gibt viele neue Ideen. Ich hoffe auch wir können die Tour in Winos Heimat fortsetzen und die Küsten langziehen. Auf Motorrädern oder Pferden.
Was kommt als nächstes nach der Tour bei Conny Ochs - Rückkehr zu Baby Universal und zur elektrischen Gitarre, weitere Solostreiche?
Wir nehmen im Frühling ein neues Album mit Baby Universal auf das wir im Herbst veröffentlichen wollen. Und es wird ein neues Soloalbum geben das im Juli aufgenommen wird - auch mit elektrischen Gitarren.
Mario Karl
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