Musik an sich


Artikel
Wacken: der Weg von einer Metal-Party in einer norddeutschen Kieskuhle zu einer Festival-Institution




Info
Autor: Andreas Schöwe

Titel: Wacken Roll - Das größte Heavy Metal-Festival der Welt

Verlag: Hannibal

ISBN: 978-3-85445-304-8

Preis: € 14,95

271 Seiten

Internet:
http://www.hannibal-verlag.de
http://www.wacken.com
http://www.wacken.de

Wacken - kaum ein anderer Provinzort gleicher Einwohnerzahl dürfte dem hiesigen Heavy-Metal-Fan ein breiteres Grinsen auf das Gesicht zaubern. Seit nunmehr 20 Jahren schon findet dieses alljährliche Massenfestival statt, und Andreas Schöwe, langjähriger Redakteur des Metal Hammer, geht in seinem Buch Wacken Roll auf eine metallische Zeitreise, in der er dieses Metal-Event von den bescheidenen Anfängen bis ins Jahr 2009 begleitet.

Die Wacken-Geschichte beginnt im Jahr 1989 während eines Kneipenbesuchs, als die weniger als 2.000 Einwohner zählende Schleswig-Holsteinische Gemeinde wohl noch keine (Heavy-Metal-) Sau kannte und sich wohl eher Erholungssuchenden mit dem Fahrrad oder auf Wanderungen als Reiseziel anbot und ländliche Idylle und Beschaulichkeit den Ort prägten. Für diese Idylle steht Wacken wohl noch immer, doch seit 1990 kommt es einmal im Jahr im August zu einer lautstarken Unterbrechung des Provinzlebens. In jenem Jahr veranstalteten Holger Hübner und Thomas Jensen das erste Wacken:Open:Air-Festival. Und während auf der ersten Wacken-Party 1990 gerade einmal 800 Leutchen in der hiesigen Kieskuhle versammelt waren, hat sich das Festival innerhalb der letzten 20 Jahre doch merklich vergrößert: die Luftbildaufnahmen von der 100fachen Menschenmenge einige Jahre später erinnern fast an Woodstock, und aus einer Bühne mit wenigen Bands sind mittlerweile vier Bühnen mit 100 Bands pro Veranstaltung geworden.

Diese Entwicklung war aber nicht ganz ohne Hindernisse, wie Andreas Schöwe im ersten Teil seines Buches, in dem er die bisherigen Wacken-Veranstaltungen Jahr für Jahr kurz Revue passieren lässt, dokumentiert. Was anfänglich als Spaß-Party mit einer kaufmännischen schwarzen Null begann, entwickelte sich im Laufe der Zeit zum größten Heavy-Metal-Festival der Welt. Zwar konnte man bereits beim dritten W:O:A 1992 bereits mit Größen wie Saxon und Blind Guardian auftrumpfen, trotzdem trieb die Veranstaltung die Organisatoren im Laufe der 90er Jahre mehrmals an den Rand des persönlichen Ruins: aus der schwarzen Null waren sechsstellige rote Zahlen geworden. Noch mal so richtig durchgestartet ist das Festival dann erst im neuen Jahrtausend, in dem die Besucherzahl nochmals deutlich anstieg und mittlerweile die Organisation immer professioneller wurde.

Nach dem (etwas zu kurzen) historischen Abriss der einzelnen Wacken-Events kommen zunächst die Macher in Interviews und Statements zu Wort (neben Holger Hübner und Thomas Jensen natürlich auch Bauer Uwe Trede, dem ein kleiner Teil des Festival-Areals gehört und sich um die Beschaffung weiterer Flächen kümmerte), anschließend gibt es rückblickende Erzählungen der hiesigen Polizei, der Feuerwehr, des Ordnungsamtes und sogar des Bürgermeisters. Es folgen viele Berichte und Erinnerungen einiger aufgetretener Musiker, u. a. von Biff Byford (Saxon), Doro Pesch, Oscar Dronjak (Hammerfall), Klaus Meine und Rudolf Schenker (Scorpions) sowie von Iron Maiden-Manager Rod Smallwood. Diese auf 100 Seiten gestreckten und damit fast die Hälfte des Buches ausmachenden Erfahrungsberichte mögen für echte Fans der jeweiligen Bands interessant sein, für viele Leser aber auch etwas langatmig sein: eigentlich wird immer nur geschrieben: "Wir waren im Jahr xy in Wacken und es war ein tolles Erlebnis. Die Fans waren toll, die Atmosphäre war prima, die Veranstalter Holger Hübner und Thomas Jensen sind die besten Jungs der Welt und wirklich ehrliche Heavy Metal-Fans. Wir lieben Wacken und kommen gerne wieder." Nachdem man diese Sätze dann so oder so ähnlich von 22 Musikern gelesen hat, kommen schließlich noch ein paar Festivalbesucher zu Wort, die ihre eigenen Anekdoten zum Besten geben.

Als kurzen Abschluss gibt es am Ende noch einen amüsanten Epilog über die Ortsschilder von Wacken. Während man mit einem abgeschraubten Ortschild der Gemeinde Wacken 1990 wohl nicht mal einen Blumentopf gewinnen konnte bzw. dieses auf einem Flohmarkt losgeworden wäre, ist dieses mittlerweile wohl ein sehr beliebtes Souvenir unter den Wacken-Jüngern geworden. So beliebt, dass diese mittlerweile in einem feuerverzinkten Rahmen eingeschweißt und die Gestelle tief in den Boden einbetoniert wurden...

Unterm Strich ein nettes Büchlein, welches aber eigentlich auch nicht besonders viel Hintergrundinformationen bietet. Die eigentliche Historie des Festivals wird leider auf nur 30 Seiten beschrieben, der größte Teil des Buches besteht eben nur aus Statements von einzelnen Beteiligten. Eine Auflistung der aufgetretenen Bands der jeweiligen Jahre gibt es nicht (würde vielleicht auch den Rahmen sprengen), aber ein bis zwei Buch-Seiten (inklusive Fotos) über jedes Wackenjahr ist etwas wenig. Aber für Metalheads, Wackenbewohner und ehemalige oder zukünftige Festivalbesucher eine lohnende und auch preiswerte Sache, die wohl leichter zu beschaffen ist als ein Ortsschild-Souvenir...

Und übrigens: vom 04. bis 06. August 2011 ist wieder Wacken-Zeit! Viel Spaß!


Jürgen Weber



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