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Rock Meets Classic 2011: Holroyd, McCafferty, Gramm, Gillian und ein bunter Strauß Evergreens




Info
Künstler: Rock Meets Classic 2011

Zeit: 09.01.2011

Ort: Nürnberg - Frankenhalle


Die Verschmelzung von Rockmusik mit klassischen Elementen geht zurück bis in die 70er Jahre. Hier experimentierten die Pioniere Deep Purple unter Jon Lords Regie zum ersten Mal zusammen mit einem klassischen Orchester. Concerto For Group And Orchestra hieß das sehr originelle Ergebnis. Dies wurde im Laufe der Musikgeschichte durch verschiedene Bands mit unterschiedlichem Erfolg (u.a. Scorpions, Metallica, noch einmal Deep Purple, Kiss) durchgeführt. Vor allem live garantiert diese wuchtige Verschmelzung der beiden Musikrichtungen einen sehr exklusiven und seltenen Hörgenuss. Bereits 2010 wurde diese Tour durchgeführt, damals noch mit Bobby Kimball (Toto) am Gesang statt Ian Gillan. Leider verstarb völlig überraschend Gotthard-Sänger Steve Lee 2010 an den Folgen eines Motorradunfalls. Er hätte eigentlich Teil dieser Tour sein sollen. Als Ersatz für ihn wurde kurzerhand Les Holroyd, Sänger der Band Barclay James Harvest, verpflichtet. Da es letztes Jahr durchwegs positive Kritiken gehagelt hatte entschloss ich mich heuer, das Konzert in der Nürnberger Frankenhalle zu besuchen. Der Andrang an der Halle ist um 19 Uhr noch human, wird später jedoch immens. Die Veranstaltung wird meines Erachtens ausverkauft sein, ich sehe kaum freie Plätze.

Die Nürnberger Frankenhalle überzeugt mich sofort durch ihre schöne Optik, wird jedoch von einigen Konzertbesuchern als akustisch ungünstig beurteilt. Es ist das typische „Rock Meets Classic“-Publikum, das sich teilweise hierher verirrt hat. Frauen in edlen Kleidern, Männer, die mit ihren Frauen „die alten Helden“ noch einmal sehen wollen. Teilweise haben sich auch etwas jüngere Leutchen unters Publikum gemischt. Im Großen und Ganzen besteht es jedoch aus Publikum, das Schuppen wie den Hirsch, Löwensaal oder ähnliche Lokalitäten nur äußerst selten besucht und sich lieber am Champagnerstand, der am Eingang steht, bedient. Mir kann’s egal sein, ich bin wegen der Musik hier. Vor mir sitzen einige Frauen mit ihren Freunden mit Backstage-Passen, die die Karten offensichtlich geschenkt bekommen haben und von der Musik wenig bis keine Ahnung haben.

Um ca. 20:30 Uhr geht das Licht aus, das Orchester kommt unter großem Applaus auf die Bühne und spielt sich erst einmal warm. Was dann folgt, raubt mir fast den Atem: Mat Sinner, der an diesem Abend mit seiner Mat Sinner Band (was der nicht alles für Bands hat…) das Orchester rocktechnisch begleitet, kündigt den unverwüstlichen Nazareth-Sänger Dan Mc Cafferty an. Der lässt sich auch nicht lange bitten und sing A Capella „Dream On“, das mir totale Gänsehaus erzeugt. Wahnsinn, was für eine Stimme! Das beeindruckt mich immer wieder aufs Neue. Als dann das Orchester einsetzt bin ich hin und weg und zu Tränen gerührt. Dan spricht zwischen den Songs immer mit dem Publikum. Durch seinen brutalen schottischen Akzent ist es jedoch sehr schwer, irgendetwas zu verstehen. Ich bin mir mittlerweile sicher: Der macht das mit Absicht. Eine weitere Ballade, „Love Hurts“, wird dem Nürnberger Publikum präsentiert, bevor es mit drei rockigeren Nummern weitergeht, wobei der Evergreen „This Flight Tonight“, der am Schluss gespielt wird, sehr gut ankommt. Ich bin total begeistert, das Publikum klatscht Beifall und Dan Mc Cafferty verlässt auch schon wieder die Bühne.

Setlist Dan Mc Cafferty (Nazareth):
Dream On
Holiday
Love Hurts
Hair Of The Dog
This Flight Tonight

Nach einer kurzen Pause, die das fabelhaft aufspielende Orchester mit dem berühmten „Bolero“ verkürzt, tritt ein Sänger auf, bei dem ich nie gedacht hätte, ihn einmal live zu sehen: Lou Gramm. Für mich ist dieser Sänger ein typisches Rock’n’Roll-Schicksal im negativen Sinne. In den 80ern hat die Band Foreigner aufgrund vieler Tophits, nicht zuletzt jedoch auch wegen seiner markanten Stimme Millionen Platten verkauft. Dann kam der Ärger mit Gitarrist Mick Jones, die Trennung von Foreigner, ein paar klasse Soloalben (unter anderem mit dem Hit „Midnight Blue“). Lou Gramm erkrankte an einem Hirntumor, der ihn für mehrere Jahre außer Gefecht setzte und ihn gesundheitlich stark mitgenommen hat. Foreigner touren mittlerweile mit Kelly Hansen am Mikro. Umso schöner ist es, Lou Gramm in diesem Rahmen live erleben zu können. Die Band, mittlerweile durch einen zweiten Gitarristen unterstützt legt mit dem Beginn von „Urgent“ los und ein sichtlich wohlgenährter Lou Gramm betritt die Bühne. Er sieht völlig anders aus, als man ihn von den Platten her kennt. Ich bin mir sicher: Selbst wenn er einen Meter vor mir entfernt irgendwo gestanden hätte, ich hätte ihn garantiert nicht erkannt. Aber als er loslegt mit dem Song, ist alles klar. Seine Stimme ist natürlich tiefer und er muss sich ziemlich anstrengen, aber es ist unverkennbar die Stimme von Foreigner! Ich freue mich total, diese Legende einmal in meinem Leben live zu sehen. Da stört es mich auch nicht, wenn er bei manchen Songs (vor allem „Jukebox Hero“) doch gewaltige Probleme hat, die Noten korrekt zu treffen. Was soll’s? Er singt mit Begeisterung und Leidenschaft, das ist das, was zählt. Und er gibt Vollgas. „I Wanna Know What Love Is“ verpasst der kompletten Halle mehrere Schauer und unter tosendem Beifall, den der kleine Mann auf jeden Fall verdient hat, verlässt er die Bühne. Dieser Song hat der Legende nach schon Atlantic-Gründer Ahmet Ertegun zu Tränen gerührt und nach dem Song weiß man auch, warum.

Setlist Lou Gramm (Foreigner):
Urgent
Hot Blooded
Jukebox Hero
I Wanna Know What Love Is
Cold As Ice

Anschließend folgt eine etwa 30minütige Pause, die dem Publikum Zeit lässt, den Champagnerentzug mit Nachschub auszugleichen. Danach geht es weiter mit einer hervorragenden Amanda Sommerville, die einen Song als Solosängerin performt und dabei eine glänzende Leistung abliefert. Das Publikum, das an diesem Abend übrigens bestens aufgelegt ist, honoriert dies mit viel Beifall.

Nun kommt der Auftritt der Stimme von Barclay James Harvest, Les Holroyd. Niemals hätte ich gedacht, dass die Frisur, die man von zahlreichen Postern kennt, auch live so perfekt sitzt! Er macht den Eindruck, direkt vom Pilzesammeln zu kommen und mal eben ein paar Songs schmettern zu wollen. Doch der Eindruck täuscht gewaltig. Les Holroyd ist voll auf der Höhe und verzaubert das wuchtige „Mockingbird“ mit seiner eindrucksvollen Stimme und einer überaus sympathischen Bühnenpräsenz. Das radiokompatible „Life Is For Living“ kommt ebenfalls sehr gut an, bevor der Überhit „Hymn“ das Publikum zu wahren Begeisterungsstürmen hinreißt. Les Holroyd dirigiert hier gekonnt die Massen, indem er wie beim Live-Album Berlin die Publikumsreaktionen geradezu heraufbeschwört. Einmalig, eine absolut beeindruckende Leistung. Als er die Bühne verlassen will, wird sogar Zugabe gefordert, was er leider nicht erfüllen kann.

Setlist Les Holroyd (Barclay James Harvest):
Child Of The Universe
Mockingbird
Live Is For Living
Hymn

Jetzt kommt die Hauptattraktion des Abends: Ian Gillan. Über ihn muss man an sich keine Worte mehr verlieren, er hat den Hardrock mit seiner Stimme entscheidend geprägt. Mittlerweile ist es jedoch in meinen Augen leider so, dass er live gewaltig an Zugkraft und Power eingebüßt hat. Ich bin sehr gespannt, wie es heute wird. Mat Sinner kündigt ihn als „Voice Of Rock“ an, wobei er eigentlich wissen müsste, dass dieser Titel schon längst an Glenn Hughes vergeben ist und der diesen völlig zu Recht trägt (in letzter Zeit wohl eher „Voice of Eierkneifen“ - Anm.d.Red.). Die Band und das Orchester legen mit dem bekannten Anfang von „Highway Star“ los und ein überaus schlanker Ian Gillan setzt mit seinem Gesang passgenau ein. Er singt gut, wobei er gerade bei hohen Passagen doch gehörig an Power verloren hat. Dies wird gerade bei diesem Song mehr als deutlich. Was außerdem auffällt: Er singt teilweise mit geschlossenen Augen und wippt lässig hin und her - was manchmal gefährlich an einen Schlagersänger erinnert. Erwähnenswert ist hier auf jeden Fall der Gitarrist der Mat Sinner Band, der mit einem Weltklassesolo diesen Song geradezu zelebriert. Beeindruckend wird es bei „When A Blind Man Cries“. Dieser Song wird (endlich) dem 2010 verstorbenen Sänger von Gotthard, Steve Lee, gewidmet. Dies erwähnt Ian Gillan lediglich in einem Nebensatz, was ich sehr schade finde. An sich hätte es sich gehört, ihm die ganze Tour zu widmen! Dennoch sorgt gerade dieser ruhige Song für gewaltig Gänsehaut und dies wird durch den massiven Streichereinsatz noch verstärkt. „Black Night“ und ein wuchtiges „Perfect Strangers“, bei dem der Keyboarder das Solo seines Lebens spielt, klingen mit Orchester einmalig. Zum Abschluss des Abends kommen seine drei Kollegen mit auf die Bühne und jeder darf einen Teil des Evergreens „Smoke On The Water“ singen, was ich ziemlich cool finde. Der Song ist vorbei, die Sänger, die Band um Matt Sinner und das überragende Orchester bekommen tosenden Applaus und das völlig zu Recht.

Ian Gillan (Deep Purple):
Highway Star
Strange Kind Of Woman
When A Blind Man Cries
Black Night
Perfect Strangers
Smoke On The Water

Fazit: Insgesamt war es eine absolut sehenswerte Veranstaltung, die durch die perfekte Mischung aus Rock und klassischer Musik glänzt und den Songs dadurch eine ganz spezielle Note gibt. Das Prager Sinfonieorchester ist an Spielfreude wahrscheinlich nicht mehr zu toppen. Etliche langhaarige Ensemblemitglieder haben während der Songs mitgemosht und mitgebangt, dass es eine wahre Freude war. Und musikalisch war dies in meinen Ohren jedenfalls absolut Klasse! Die einzelnen Sänger haben sich ebenso ein großes Lob verdient. Meine Kritik setzt bei Ian Gillan an, der sichtlich in die Jahre gekommen ist. Eigentlich wollte ich mir in diesem Jahr Deep Purple anschauen, die mit einem klassischen Orchester touren. Nach dieser Vorstellung keinesfalls. Ian Gillan hat offensichtlich den nötigen Schwung verloren, den man als Frontmann von Deep Purple braucht. Es wäre definitiv Zeit, in Rente zu gehen bevor die ganze Sache zur reinen Nostalgieshow verkommt. Ein großes Lob auch an die Mat Sinner Band, bei denen vor allem die beiden sehr guten Gitarristen, Amanda Sommerville und der Primal Fear-Sänger Ralf Scheepers, der sich zu keiner Sekunde der Show in den Vordergrund drängte, sondern artig und brav seine Backing-Vocals übernahm erwähnt werden müssen. Dies ist umso beeindruckender, wenn man ihn mit Primal Fear live gesehen hat, wo er im Stile eines Rob Halford alles aus sich herausholt. Mat Sinner schafft ebenfalls mühelos den Spagat zwischen Sinner/Primal Fear und der eher untergeordneten Rolle in der heutigen Funktion, was ihn ebenfalls umso sympathischer macht.




Stefan Graßl



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