Musik an sich


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Mahler, G. (Herreweghe)

Sinfonie Nr. 4


Info
Musikrichtung: Romantik Orchester

VÖ: 01.11.2010

(Phi / Note 1 / CD / DDD / 2010 / Best. Nr. LPH 001)

Gesamtspielzeit: 53:28



INNOVATIV

Die sinfonischen Seelenlandschaften Gustav Mahlers umfassen alle Farben und Abschattierungen von himmelhoch Jauchzend bis zum Tode betrübt. Die 4. Sinfonie ist da keine Ausnahme, gibt sich aber im Vergleich mit den übrigen geradezu maßvoll und übersichtlich – klassizistisch beruhigt, wenn man so möchte. Die Neueinspielung durch Philippe Herreweghe und das Orchestre des Champs-Elysées ist meines Wissens die erste, die historische Instrumente verwendet: Darmsaiten bei den Streichern, zurückhaltenderere Bläser, beim Schlagzeug Pauken, die nicht einfach nur ein verwaschenes Bassdröhnen im Hintergrund produzieren.

Das Ergebnis ist ein innovativer Wurf, wenngleich auf diskrete Weise. Auch weil Tontechniker Andreas Ruge ein ungemein luftiges, weiträumiges Klangpanorama geschaffen hat. Die übergenauen Partiturangaben des Komponisten machen Sinn, weil man ihre Beachtung unter diesen Bedingungen tatsächlich hören kann.
Dieser Mahler hat beides: eine erlesene, durchlichtete Klangkultur aber auch Kraft. Vor allem die vielen Soli klingen beseelt und charaktervoll, auch mal keck, ohne je aufdringlich zu wirken. Ausdrucksvolle Dezenz, die ohne grelle Technicolor-Effekt auskommt, scheint Herreweghes Maxime bei diesem Mahler zu sein. Allein der etwas unruhig flackernde Sopran von Rosemary Joshua im „Orchesterlied“ des 4. Satzes wirkt weniger gut balanciert als der instrumentale Part.
Wobei die 4. schon per se in vielen Teilen ein Elfenreigen in der Nähe zu Mendelssohns Mittsommernachtstraum-Musik ist. Von daher vermisst man hier auch weniger das pathetische Espressivo, dass man mit Mahler in der Regel verbindet. (Ob diese Delikatesse beispielsweise bei der 6. Sinfonie aufgehen würde, ist eine spannende Frage …). Trotzdem verfangen alle Schreckmomente. Wenn die Stimmung im Eröffnungssatz plötzlich kippt, sich die Harmonik eintrübt und das leitmotivische lustige Glöckchenklingen plötzlich ängstlich gehetzt klingt, dann blickt man in das Janusgesicht dieser Musik.

Diese Aufnahme ist die erste, die auf Herreweghes jüngst gegründetem Label PHI erscheint. Nach über dreißig Jahren hat sich der Dirigent im Guten von Harmonia Mundi getrennt, um in eigener Regie mehr Aufnahmen seiner drei Ensembles herauszubringen. Mit der jungen französischen Outhere-Group, in der sich bereits Label wie Alpha, Zigzag oder Ricercar zusammengefunden haben, ist dafür sicherlich ein guter Partner gefunden worden. Herreweghe möchte sich weiteren Meisterwerken der Romantik widmen. Schumann, Brahms, Dvorak und Debussy interessieren ihn. Auch weitere Kompositionen von Bach. Herreweghes künftigen Mahler-Exegesen schaut man unter diesen Bedingungen ebenfalls mit Spannung entgegen.



Georg Henkel



Besetzung

Rosemary Joshua: Sopran

Orchestre des Champs-Elysées

Philippe Herreweghe: Leitung


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