Graf Tati
Lind
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Manche Veröffentlichungen hinterlassen einen etwas fragend. Fragend danach, wie ernst das alles gemeint ist, ob es eventuell Ironie ist, ob der Künstler uns vorführen will, oder ob er tatsächlich die Position beziehen will, die er mit seinem Werk scheinbar preisgibt. Bei Graf Tati bezieht sich das auf alles: die Covergestaltung (nebst der skurrilen Wellensittich & Mann Zeichnung und den Fotografien, die den Künstler (?) in biederster Kleidung und Pose zeigen, die mich an den Alleinunterhalter am Casio-Keyboard vom achtzigsten Geburtstag meiner Tante erinnern. Es lassen sich leider nirgendwo Informationen zu dem Mann finden, deshalb kann man nur von dem Werk Lind ausgehen.
Hierauf finden wir zehn perfekt produzierte Popstückchen, zumeist mit südamerikanischen Rhythmen (Bossanova, und wieder sind wir bei dem achtzigsten Geburtstag) unterlegt, ausgefeilte Instrumentierung mit Gitarre, Keyboards und programmierten Rhythmusgerüst. Die zumeist fröhlich gestimmten Melodien kratzen somit oft sehr stark an der Grenze zum Kitsch und auch zur Langeweile, da keine Widerhaken zu finden sind. Wenn dann im dritten Stück ("Mediapark") dunkle Wave Elektronik über den Rhythmen liegt und auch der Gesang mal eine gewaltige Spur melancholischer ausfällt, gewinnt das Ganze an Kontur, die jedoch im zu leichten und beschwingten Refrain gleich wieder beerdigt wird. Der Sound ist sehr nah am frühen neunziger Jahre Wave von Thomas Elbern und seinen Escape with Romeo, aber wesentlich poppiger. Jedoch hätte das Album mit mehr Stücken dieser Art deutlich gewonnen.
Lind ist ein perfekt produziertes Popalbum ohne jede Ecken und Kanten, deshalb mit starker Tendenz zum Easy Listening, manchmal im positiven Sinne, weil die Songs leicht verdaulich sind und trotzdem gut unterhalten, manchmal im negativen Sinn, weil es in Fahrstuhlgedudel das man vergessen hat, bevor der Song zu Ende ist, endet. Um zu meiner Einleitung zurück zu kommen, ich fürchte das Graf Tati all das hier ernst meint, ich finde weder Ironie noch Tiefgründiges, und somit sind einige Texte leider sehr banal, wie auch die Musik mit der Zeit immer banaler wird. Eine an sich saubere Pop-Produktion, der es aber leider an Konturen fehlt und die somit über Albumlänge in der Bedeutungslosigkeit versinkt.
Wolfgang Kabsch
Trackliste |
1 | Der Tag beginnt | 4:07 |
2 | Zurück zu mir | 4:37 |
3 | Mediapark | 6:14 |
4 | Sommerregen | 5:19 |
5 | Teenage Wallhalla | 4:25 |
6 | Bilbao | 5:18 |
7 | Trübseeligkeit | 3:36 |
8 | Glücklich mit der Bachmann | 5:35 |
9 | Glaubst Du an die Liebe | 6:02 |
10 | Neopren | 5:26 |
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Besetzung |
Holger Fath-Tati: Gesang, Instrumente, Kompositionen
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