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Reviews
Rossini, G. (Welser-Möst)

Il Turco in Italia (DVD)


Info
Musikrichtung: Oper des 19. Jhdt.

VÖ: 06.12.2004

Arthaus Musik / Naxos (DVD (AD: 2002, live) / Best.Nr. 100369)

Gesamtspielzeit: 140:00

Internet:

Arthaus Musik



MULTIKULTI KANN AUCH SPASS MACHEN

Ein türkischer Herrscher kommt nach Italien, um die europäischen Sitten und Gebräuche in Augenschein, sowie die italienischen Frauen in den Arm zu nehmen. Fast könnte man daraus ein Lehrstück zum Thema Integration machen. Unter der Regie von Cesare Lievi hat das Opernhaus Zürich bei dieser 2002 entstandenen Produktion von Rossinis Oper "Il Turco in Italia" jener Versuchung glücklicherweise widerstanden. Im wesentlichen geht es ja auch gar nicht um kulturelle Gegensätze, sondern um Donna Fiorilla, die ihrem trotteligen Gatten Don Geronio ein ums andere Mal Hörner aufsetzt - mal mit dessen vermeintlichem Freund Don Narciso, dann aber auch mit eben jenem türkischen Fürst (Selim), auf den zugleich dessen ehemalige Haremsdame Zaida scharf ist. Die Verwechselungen und Ränkespiele beziehen ihre besondere Würze aus der Anwesenheit des Dichters (Poeta Prosdocimo), der alle Vorgänge als Inspiration für sein neuestes Operlibretto nutzen möchte und hier dabei - zusätzliche Brechung der Perspektive - von einem weiteren Dichter/Komponisten beobachtet wird, der schon die Partitur wälzt.

Die Züricher Inszenierung kommt ohne aufwendiges Bühnenbild aus, taucht aber mit Requisiten, Licht und Kostümen alles in bunteste Bonbonfarben. Die höchst agile Personenführung macht trotz der experimentellen Anklänge des Librettos aus den Figuren Menschen aus Fleisch und Blut. Für die durch das Regie-Theater oft geplagten deutsche Zuschauer ist es höchst vergnüglich und entspannend, sich einmal einem solch unideoligischen Opernvergnügen hingeben zu können, in das kein geheimer Hintersinn hineingelesen worden ist.
Die Kamera begleitet die Sänger geschickt und dennoch zurückhaltend. Das Bühnengeschehen ist so, wie auch klanglich in idealer Weise eingefangen.
Zum musikalischen Gelingen der Aufführung trägt zunächst ganz besonders das Orchester des Opernhauses Zürich bei, das unter dem Dirigat von Franz Welser-Möst, inzwischen zum Chef des Cleveland Orchestra avanciert, einen weit überdurchschnittlichen Rossini serviert. So wird die Musik zwar durchweg quirlig, dabei aber mit geschickten Abstufungen in Tempo und Dynamik interpretiert.
Wie nicht anders zu erwarten war, drückt Cecilia Bartoli in der Rolle der Donna Fiorilla der Aufführung ihren Stempel auf und beweist, dass es derzeit wohl keine bessere Rossini-Interpretin gibt. Wie sie mit nie versiegendem Engagement jede noch so kleine Verzierung, jede noch so halsbrecherische Stretta darbietet und zugleich stets aufmerksam der Situation nachspürt, um auch den Koloraturen durch feinste Schattierungen noch einen Sinn abzuringen, ist schlichtweg beeindruckend. Die scheinbare Mühelosigkeit der Tongebung und die Brillanz bis in die extremsten Höhen hinein tun ein übriges. Da verzeiht man ihr das manchmal übertriebene Grimassieren , das die DVD rücksichtslos einfängt, gerne.
Als dümmlicher Ehemann Don Geronio gefällt Paolo Rumetz nicht nur stimmlich, sondern auch durch sein komisches Talent. Ruggiero Raimondi gibt trotz seiner 63 Jahre noch immer einen kraftvoll, viril wirkenden und technisch makellosen Selim ab, wenngleich die Beweglichkeit der Stimme nicht mehr ganz so groß ist, wie einst. Mit Überzeugungskraft und viel Charme agiert auch Oliver Widmer in der Rolle des Dichters.
Einzig Reinaldo Macias kann dem Rest des Ensembles mangels Geschmeidigkeit in den Höhen stimmlich nicht das Wasser reichen und fällt durch einige Intonationsschwächen unangenehm auf.

Fazit: 140 Minuten Rossini-Vergnügen pur, präsentiert in einer schön zu handhabenden Box und mit einem sorgfältigen Beiheft. Was will man mehr?



Sven Kerkhoff



Besetzung

Donna Fiorilla - Cecilia Bartoli, Sopran
Selim - Ruggiero Raimondi, Bariton
Don Geronio - Paolo Rumetz, Bariton
Don Narciso - Reinaldo Macias, Tenor
Poeta Prosdocimo - Oliver Widmer, Bariton
Zaida - Judith Schmidt, Sopran
Albazar - Valery Tsarev, Tenor
Poeta suggeritore - Adriano

Chor und Orchester der Opernhauses Zürich

Ltg. Franz Welser-Möst


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