Nach Lektüre dieser Review gibt es keine Entschuldigung mehr. Den Satz "Cydonian?? Kenn´ ich nicht," will ich dann nicht mehr hören.
Die Bayern haben mit "Estranged" ein Progressive-Debut vorgelegt, das nicht nur überraschend ausgereift klingt, sondern auch noch über ein Höchstmaß an Eigenständigkeit verfügt. Selbstverständlich, Assoziationen tauchen auf: der frühe Alan Parsons, Mike Oldfield, Queensryche (bei den ruhigeren Gitarren), Symphony X (wenn´s heftiger wird) oder Dream Theater (wenn´s ganz heftig wird). Aber das bleiben Notizen am Rande. Nur selten sind die Anklänge so manifest und durchgehend wie die zu Amorphis (zu "Elegy"-Zeiten) in "Black Sun", das dann sehr floydig ausklingt. Auch vor genrefremden Elementen schreckt der Fünfer nicht zurück. "General next to God" klingt mit rappenden Vocals aus.
Es gelingt Cydonian auf ihrem 10-Tracker so eine stimmige Synthese der 70er mit den 90ern herzustellen. Wieselflink agierende Gitarren sorgen dafür, dass "Estranged" über zeitgemäßen Druck verfügt, während die Keyboards eher für das heute oft fehlende emotionale Fundament zuständig sind. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die Tatsache, dass Cydonian in der Lage sind, ruhige Titel auch ruhig durchzuführen, statt sie mit aggressiven Heavy-Solo-Passagen zu zerreißen, wie es bei vielen Prog-Acts derzeit Sitte ist. Beispiele dafür sind "Present Moment" und der Rausschmeißer "Waiting for a Star". Das es auch schnelle geht, beweist "Mice ELF", das treibende Gegenstück dazu.
Hinzuweisen ist noch auf "Dutch Mountains" - im Original von The Nits. Ob es nötig ist ein auch im Original schon geniales Stück zu covern, mag dahin gestellt bleiben. Jedenfalls ist der Versuch - sehr nahe am Original - prima gelungen. Ja, und dann gibt es da noch die Slayer-Parallele - aber zum Glück nur bei der Spielzeit. Aber das wird man beim Nachfolger hoffentlich abstellen.
Norbert von Fransecky
18 von 20 Punkte
www.cydonian.de