"Ryan Adams? Sie sprechen doch bestimmt von Bryan Adams?"
Der Witz war eigentlich noch nie witzig. Schon gar nicht für Ryan Adams
selbst, dem gar vorgeworfen wurde, diesen Namen nur des schnellen Erfolgs
wegen gewählt zu haben, denn die namentliche Ähnlichkeit mit einem gewissen
Kanadier ist erheblich. Doch von schnellem Erfolg kann gar nicht die Rede
sein, auch wenn Ryan Adams im Moment von allen Seiten hoch gelobt wird,
denn Musik macht er schon eine ganze Weile.
Seit Mitte des Sommers haben zunächst all meine Freunde und Bekannten von
eben diesem Ryan Adams geschwärmt. Spätestens seit Whiskeytown`s "Pneumonia"
war er auch mir dann ein Begriff.
Als ich endlich, nach einer Odyssee durch deutsche Musikgeschäfte, meine
Kopie von "Gold" (Lost Highway Records, erschienen am 26. September 2001)
in den Händen hielt, konnte ich mein Glück kaum fassen. Wenigstens konnte
ich jetzt endlich mitreden, denn reden tun sie derzeit alle - überall liest
und hört man Adams` Namen. Und diesen gleichen dämlichen Witz.
Noch viel weniger fassen konnte ich mein Glück dann allerdings nach dem
ersten Hören der CD. Für gewöhnlich dauert es ein wenig, ehe mich ein Album
wirklich anspricht und Songs ihre ganze Wirkung entfalten. Nicht so
bei "Gold", das sofort alles in den Schatten stellte, was ich in letzter
Zeit gehört habe. Großartiges Gitarrenspiel, teilweise begleitet von
Orchester und Chor, manchmal nur von Adams` wundervoller Stimme. Einfühlsame
Klavierstücke und immer wieder einfache und einfach wunderschöne Melodien
und Texte zum Verlieben.
Von seinen Country-Rock-Wurzeln hat sich Adams weiter entfernt. Sie sind
noch da, tief drinnen, doch kommen sie seltener hervor. "Gold" bietet
phantastischen Rock, ist aber auch weitaus poppiger und hörerfreundlicher
als seine Vorgänger - aber das im positivsten Sinne überhaupt: Lieder zum
Mitsingen und Mittanzen ebenso wie zum Mitfühlen. Und Songs bei denen man
sich fragt, warum vor Adams noch niemand darauf gekommen ist.
Schnellere Stücke, wie das unglaubliche "New York, New York", nach dem
11. September als heimliche Hymne der Stadt gehandelt, wechseln sich mit
langsameren Songs, wie das romantisch-traurige "When the Stars Go Blue"
und "Goodnight Hollywood Boulevard". Und so bietet Adams nicht nur textlich
eine Reise durch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern beweist
mit seiner Musik auch, dass Rock-Musik noch lange nicht am Ende ist.
Den Witz wird man wohl bald nicht mehr hören müssen. Zwar bleibt zu
bezweifeln, ob Adams tatsächlich so etwas wie das nächste "Große Ding"
wird (obwohl er es verdient hätte), aber das muss er auch gar nicht. Ein
Held ist er für seine Fans ohnehin schon. Und so lange er uns weiter mit
solch grandioser Musik beglückt, darf sich niemand beklagen.
Gold für Ohren und Seele ...
Katja Wenk
19 von 20 Punkten
Ryan Adams on Tour
13.02.2002 Grünspan (Hamburg)
14.02.2002 Batschkapp (Frankfurt)*
17.02.2002, 21:00Uhr Metropolis (München)*
* zusammen mit der Sweetheart Revolution