End Of Paradise
Hétköznapi Túlélö
|
|
|
Ein ziemlich gezacktes Bandlogo, ein Gasmaskenträger vor einer trostlosen Industrielandschaft inclusive Autowrack und Kraftwerkskühltürmen im Hintergrund sowie der Umstand, dass Sänger Attila Feltein den Spitznamen „Zombi“ mit sich herumträgt, lassen eigentlich auf recht heftige Musik schließen. Die ersten 20 Sekunden des Openers „A Szabadság Ébredése“ bringen allerdings traditionellen Metal mit einem markanten Leadgitarrenthema über treibend-lockerem Drumrhythmus zu Gehör, und als nach besagten 20 Sekunden „Zombi“ zu singen beginnt, ist klar, dass auch die anhand des bisherigen Instrumentalteils noch im Bereich des Möglichen befindlich gewesene Abdriftung in Richtung melodischen Death Metals göteborgiger Prägung nicht stattfindet: End Of Paradise entpuppen sich auf diesem ihrem vierten Release und zweiten vollständigen Album als Traditionalisten im Grenzbereich zwischen klassischem Hardrock und Melodic Metal, und da der Rezensent weder das Debütalbum Ne Add Fel noch eine der beiden EPs besitzt und auch das allerneueste Album A Kiválasztott noch nicht in seinem Player rotiert ist, kann er nicht beurteilen, ob die Formation aus Székesféhervár auch auf ihren anderen Releases so klingt bzw. ob es irgendwelche Entwicklungen in bestimmte Richtungen gegeben hat.
Konzentrieren wir uns also auf die knapp 44 Minuten Musik, die uns Hétköznapi Túlélö offeriert. Die beiden markanten Merkmale des dort zu erkennenden Bandstils sind bereits angeklungen. Da wäre zum einen „Zombis“ Gesang – der Mann führt eine etwas angerauhte Rockröhre ins Feld, die ein ganz klein wenig an einen weniger extrem kreischigen und etwas geerdeteren Tom Keifer erinnert und zugleich noch an einen anderen Sänger, den der Rezensent in seinem musikalischen Gedächtnis aber aktuell nicht zuordnen kann. Dass „Zombi“ am Beginn des abermals flott beginnenden, in den Refrainpassagen aber in einen seltsamen Galopprhythmus schaltenden „A Rendszer Hálójában“ einen Kreischlaut losläßt, als habe ihn gerade einer seiner Spitznamensvetter am Gemächt gepackt, bleibt eine Ausnahmeerscheinung und das doublebassunterlegte frenetische Gitarrensolo dieses Songs der härteste Moment der Platte. Damit wären wir auch schon beim zweiten Faktor: Gitarrist László István Tóth begnügt sich nicht damit, saubere Rhythmusgitarren und starke Soli zu spielen, er hängt auch an viele Passagen noch Melodiegirlanden, wie er es bereits in den genannten ersten 20 Sekunden des Openers „A Szabadság Ébredése“ getan hat und wie das in ähnlicher Weise etwa Vinny Burns auf dem bis heute stärksten unter den dem Rezensenten bekannte Ten-Alben, Babylon, in archetypischer Weise pflegte. Der hatte allerdings einen Zweitgitarristen und auch noch einen Keyboarder zur Seite, lief also live nirgendwo Gefahr, etwaige Soundlöcher zu induzieren – wie End Of Paradise dieser Gefahr begegnen, muß derjenige beurteilen, der die Band im Gegensatz zum Rezensenten schon mal auf der Bühne erlebt hat. Vielleicht greift dort Tamás Munkácsi ins Geschehen ein, der auf dem Album nur gasthalber ein Solo zu „Idöben Létezni“ beigesteuert hat, oder Co-Produzent Zoltán Cserfalvi entstaubt seinen Sechssaiter mal wieder, von dem man seit den ersten Ossian-Alben nach der Spätneunziger-Reunion, als er neben Richard Rubscics als zweiter Gitarrist agierte, bis er vor dem Titkos Ünnep-Werk durch Attila Wéber ersetzt wurde, nur noch wenig gehört hat, was über die ungarischen Landesgrenzen hinausgedrungen wäre.
Dieser Umstand dürfte auch die internationale Karriere von End Of Paradise nicht eben befördern helfen. Sie stehen zwar beim größten ungarischen Metal-Label unter Vertrag, und ihre Musik ist zwar wenig eigenständig, aber doch gut genug, dass sie eigentlich jeder mitteleuropäische Melodic-Metal-Liebhaber ins Herz zu schließen geneigt sein könnte. Aber die Formation singt in Ungarisch, und wenn es schon Größen wie Ossian oder Pokolgép kaum mal über die Landesgrenzen hinaus schaffen, ist es für eine kleine Band wie End Of Paradise noch einmal doppelt schwierig. Zudem fehlen Hétköznapi Túlélö die Hits, die man auch als Nicht-Sprachkundiger nach kurzer Zeit auswendig mitformulieren kann, wenngleich speziell das Melodiegefühl des Gitarristen wirklich als außergewöhnlich zu bezeichnen ist und sich Gast Munkácsi dieser Linie problemlos anpaßt, wobei sich sogar ein paar doppelstimmige Riffs in diese Nummer eingeschlichen haben. Mit „Csak Veled“ bieten End Of Paradise zudem eine schöne Halbballade, in der auch Bassist Mihály Menyhárt mit gefühlvollem Spiel in den akustischen Vordergrund tritt und die in einer gerechten Welt längst für massives Radio-Airplay gesorgt hätte. Der Albumcloser „A Pokolból“ führt noch zwei andere Stilelemente ins Spiel: „Zombi“ brüllt hier im Hintergrund mal kurz deathmetallisch herum, während die Halbakustikparts an Iron Maiden gemahnen und der in der ersten Minute noch stilistisch unentschiedene Song plötzlich in flottem Rhythmus losgaloppiert und weitere Iron-Maiden-Anklänge, zu denen auch die Baßabmischung zählt, zu einem durchaus eigenständigen Ganzen verarbeitet – gerade das Gitarrensolo hätte man von Murray/Smith/Gers in dieser Form nie zu hören bekommen, und generell hat Tóths Gitarrenarbeit hier und da einen ganz leichten skandinavischen Einschlag, wie ihn der Kenner beispielsweise auch vom Supreme-Majesty-Meisterwerk Tales Of A Tragic Kingdom her schätzt, wenngleich dieses sonst eher wenig Parallelen zu End Of Paradises Album aufweist, vom brillanten Melodiegespür mal abgesehen. Im Gegensatz zu Ten lagern die Ungarn jederzeit eher auf der Metalseite des erwähnten Grates und verzichten zudem komplett auf Keyboards, so dass sie im heutigen Melodic Metal schon fast eine Ausnahmestellung innehaben. Das Problem ist nur, dass das z.B. in Mitteleuropa niemand weiß – ein änderungswürdiger Zustand, und der Genrefreund sollte sich wie erwähnt nicht vom eigentlich andere Musik verheißenden Cover abschrecken lassen, wenn er dieses starke Werk seiner Kollektion zuzuschanzen gedenkt.
Roland Ludwig
Trackliste |
1 | A Szabadság Ébredése | 4:15 |
2 |
Arra Tartok Én | 5:31 |
3 |
Hétköznapi Túlélö | 4:39 |
4 |
A Rendszer Hálójában | 4:52 |
5 |
Az Én Háborúm | 4:25 |
6 |
Mementó | 4:25 |
7 |
Idöben Létezni | 4:39 |
8 |
Csak Veled | 5:28 |
9 |
A Pokolból | 5:32 |
|
|
|
|
|
Besetzung |
Attila Feltein (Voc)
László István Tóth (Git)
Mihály Menyhárt (B)
Dénes Németh (Dr)
|
|
|
|