Effektvoll: Die Schweizer Cowboys From Hell gastieren beim Jazzklub Altenburg
Hinter dem Namen Cowboys From Hell vermutet wohl jeder metalsozialisierte Hörer eine Pantera-Coverband – und liegt in diesem Falle zweimal, wenn auch jeweils nur knapp, daneben. Die Schweizer setzen nämlich überwiegend auf Eigenkompositionen, und das mit Pantera ... nun, dazu mehr im Verlaufe der Schilderung des Gigs. Da selbiger im Rahmen des Jazzklubs Altenburg stattfindet, ist erstmal davon auszugehen, dass wir hier nicht etwa reinrassigen Metal serviert bekommen, und das trifft dann auch prompt ein: Die Formation besteht aus einem Drummer, einen Bassisten und einem Saxophonisten, wobei letztgenannter ein Arsenal an Effektgeräten vor sich stehen hat, das jeden Metalgitarristen vor Neid erblassen lassen dürfte. Und das Arsenal steht nicht nur da, es kommt auch zum Einsatz, so dass das Saxophon beispielsweise im zweiten Song „Running Man“, dem Titeltrack des aktuellen Albums der Band, auch mal nach einem Akkordeon oder nach einer Rhythmusgitarre klingt. Gerne hätte man diese Vielfalt noch deutlicher wahrgenommen, aber während des ganzen Gigs ist der Drummer einen Tick zu laut und der Saxer einen Tick zu leise abgemischt, wobei dass Mißverhältnis allerdings noch in vertretbarem Rahmen bleibt und das anfängliche Geknister in „Brechstang“ ursachenseitig behoben werden kann. Besagtes „Brechstang“ macht auch dem Nichtkenner des Studiomaterials klar, was er an diesem Abend zu erwarten hat – und obwohl eine E-Gitarre fehlt, ist man doch irgendwie geneigt, das Ergebnis als Jazzrock einzustufen, aber doch auch irgendwie wieder nicht. Alle drei Musiker sind spieltechnisch erwartungsgemäß topfit, dazu aber auch hochgradig einfallsreich, zugleich freilich intelligent genug, bei aller Virtuosität eine gewisse Grundgriffigkeit der Songs nicht zu vergessen. Sie gehen zudem auch nicht mit der Brechstange zu Werk: Krach machen können sie natürlich, wenn sie wollen, aber sie wissen um die Wichtigkeit dynamischer Entwicklung, wie etwa die schrittweise Entfaltung von „First Song“ (der trotz seines Titels nicht als Opener, sondern an Position 3 erklingt) verdeutlicht, wo der Drummer u.a. mit dünneren Sticks, Auflagen auf den Trommeln und zusätzlichen Percussionelementen arbeitet. Auch das nach einer langen Sax-Überleitung mit Weltraumeffekten etwas geradliniger zu Werke gehende „Hymn For The Sailor“ weiß zu überzeugen, in „Vintage Babe“ greift der Basser titelgemäß zu einem alten Fender-Instrument, und in „Urbi Et Orbit“ klingt er nochmal komplett anders – auch er hat ein gewisses Effektarsenal dabei und wählt hierfür einen an Kraftwerk (zu deren „Hit-Zeiten“) angelehnten Sound. Bis auf „Hymn For The Sailor“ vom 2012 erschienenen Zweitling Big Fish hat der erste Set ausschließlich Werke des aktuellen dritten Albums Running Man geboten, das übrigens in Estland auf Platz 43 und in Kolumbien auf Platz 84 der nationalen Jazz-Charts gelandet sei, verkündet der Saxer in seiner ersten Ansage, die erst nach dem vierten Song kommt. Der zweite Set bietet zunächst noch drei weitere Eigenkompositionen, die etwas unauffälligeren „Speed Of Sound“ (in das der Saxer auf Wunsch aus dem Publikum das Thema von „O du fröhliche“ einbaut) und „Big Fish“ sowie die grandiose Halbballade „It’ll Be Fine“, geschrieben vom Basser, der gefühlvolle Außenteile mit einem zwar recht komplexen, aber wie auch die Außenteile viel schneller als der bisher gehörte Set nachvollziehbaren Mittelteil koppelt. Danach kündigt der Saxer noch zwei Coverversionen „zum Erraten“ an. Besitzer der beiden jüngsten Alben sind hierbei im Vorteil, denn dort finden sich jeweils die Studiofassungen. Die erste, auf Running Man verewigte ist auch für den unspezialisierten Musikfreund leicht zu erkennen: Chris Isaaks „Wicked Game“ behält auch in der Cowboys-From-Hell-Fassung markante Elemente wie den hier vom Saxophon übernommenen typischen Vokalsprung zu Refrainbeginn. Verzwickter liegt der Fall bei der auf Big Fish stehenden Nummer: Der Rezensent und Nichtbesitzer besagten Albums kennt das markante Hauptriff, kann es aber spontan nicht zuordnen – erst der Blick auf die Setlist bringt Gewißheit: Cowboys From Hell covern tatsächlich Pantera! Es handelt sich allerdings nicht um eine Nummer des den Bandnamen inspiriert habenden Albums, sondern um „Walk“ vom Nachfolger Vulgar Display Of Power, der nicht in der Kollektion des Rezensenten steht, welchselbiger die Nummer daher letztmalig irgendwann in den 90ern auf MTV’s Headbanger’s Ball gehört haben wird. Den Nichtmetallern im Publikum, und zu denen dürfte das Gros der Anwesenden im dicht gefüllten Vordersaal des Paul-Gustavus-Hauses zählen, wird der ganze Hintergrund wohl gar nicht erst geläufig gewesen sein – aber dessen bedarf es auch nicht zwingend: Ja, es funktioniert, heftigen Modern Metal in nicht weniger heftigen Jazzrock umzubauen, und die Nummer würde problemlos auch als Eigenkomposition durchgehen. Das begeisterte Publikum gibt sich damit natürlich nicht zufrieden und fordert eine Zugabe ein, die das Züricher Trio mit „Lonesome Bill“ auch gewährt. Selbige Nummer stammt als einzige des Sets vom 2008er Debütalbum Monster Rodeo und macht deutlich, wie groß die Siebenmeilenstiefel der Weiterentwicklung im seitherigen Jahrzehnt wirklich waren: Die Nummer ist noch wesentlich konservativer strukturiert und verzichtet weitgehend auf Effekte, besticht aber z.B. durch ihre zwei markanten Hauptloops und wird ähnlich eifrig beklatscht wie die jüngeren Nummern. Ein exzellenter Jahresabschluß beim Jazzklub Altenburg, Appetit auf neue Entdeckungen im Jahr 2019 machend. Setlist Cowboys From Hell: Brechstang Running Man First Song Hymn For The Sailor Vintage Babe Urbi Et Orbit -- Speed Of Sound Big Fish It’ll Be Fine Wicked Game Walk -- Lonesome Bill Roland Ludwig |
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