Kitshickers
III - 0
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Drei Jahre nach dem letzten Album melden sich die Kitshickers mit etwas Neuem zurück. Und schon in schöner Tradition handelt es sich in erster Linie um ein fettes Doppel-Vinylalbum das auf zwei schweren Scheiben in weißem, leicht mamoriertem Vinyl daher kommen. Dass das Ganze auch wieder ein typisches, mystisches, von Gutz gestaltetes Artwork hat, ist auch bereits schöne Gewohnheit.
Doch es gibt auch Ungewohntes, Neues auf dem neuen Album Namens III-O. Die auffälligste und wichtigste: es gibt Texte und einen Sänger / Growler. Bisher gab man sich ja bis auf wenige Ausnahmen nstrumental und erzeugte den Flow der Konzeptalben durch Geräusche und dem Einspielen von Sprachsamples. Diese sind auf III-O nicht gänzlich, aber doch weitesgehend verschwunden. Eine weitere Neuerung ist die doch wieder wesentlich härtere Ausrichtung. Gab es noch besonders auf The Orion Constallation (2008) aber auch auf Horror Vacui (2013) viele kurze und sehr unterschiedliche Stücke (mit durchaus poppigen, flamencoartigen, asiatischen und vielen anderen Einschüben), die sich dann zu einem großen Ganzen verbanden, besteht III-O eigentlich aus vier jeweils seitenfüllenden Stücken. Offiziell ist das Album jedoch in fünf „Chapter“ aufgeteilt von denen das Chapter 1 in zwei Teile aufgegliefert ist und sich über die ersten anderthalb LP-Seiten erstreckt und die Chapter 3 und 4 die dritte Seite füllen.
Musikalisch knallt das Album mit “Chapter 1.1 – Birth. Early Years. Void“ nach einem kurzen mystischen Intro so richtig los. Hier kehren die Kitshickers mit sich überschlagendem, knallendem Schlagzeug, flirrenden Gitarren-Riffs und dunklen Bässen tatsächlich zu ihren Anfängen zurück. Auch hier gibt es kleine, akustische und ruhigere Einschübe, aber in erster Linie geht hier die Luzi ab. Der Gesang ist zunächst gedämpft und melodisch bevor er sich zum Schluss hin in wilde, aber sehr professionelle und teilweise verständliche Growls hineinsteigert. Dieser erster Knaller läuft knapp 15 Minuten, fühlt sich aber viel kürzer an.
Das “Chapter 1.2 – Awareness“ beginnt dann wesentlich besinnlicher mit einem sanften Schlagzeugspiel, einer traurigen Gitarrenmelodie und einen eben solchen Bass. Zusätzlich wird eine sehr schön passende Violine eingesetzt. Knapp acht Minuten erklingt dieser wunderschöne, traurige und stimmungsvolle instrumentale Song. Zum Schluss steigern sich die Gitarren in ein kräftiges von der Violine unterstütztes Finish und beendet diesen epochalen Song.
“Chapter 2 – Growth“ füllt dann die Seite zwei des Albums mit weiteren achteinhalb Minuten. Begonnen wird mit einer rituell klingenden Perkussion, über der sich nach einigen Sekunden hymnische Gitarre erheben. Dieses Stück ist wieder mit Gesang, und dieser sowie auch die Melodieführung und der Aufbau tragen es ein wenig Richtung Alternative / Stoner Rock der á la Amplifier. Das ist ja keine schlechte Refferenz, für die Kitshickers jedoch ein betont straighter Einschlag. Doch natürlich baut die Band hier auch wieder eine plötzliche Wendung ein. Ca. in der Mitte ertönt spacige, sehr kräftige Elektronik, die zunächst die Gitarren verdrängen, nur um beide Klänge dann zu einem fast perfekten Stoner-/Spacerocksong zu verbinden. Der Gesang steigert sich vom Melodischen teilweise in Growls hinein, überschreitet die Grenze jedoch nicht. Wie gesagt, ein überraschend straighter, und trotzdem psychedelisch-spaciger Song.
Die zweite Scheibe wird mit “Chapter 3 – Rise“ eröffnet. Das mit knapp sieben Minuten kürzeste Stück eröffnet mit Kitshickers' typischen, tief gestimmten, perlenden Gitarrenklängen. Der Bass wummert tief dazu, das Schlagzeug ist schleppend. Der Gesang ist sehr geheimnisvoll und es setzt eine zweite, sehr melodische Gitarre dazu ein, bevor heftige Riffs und kräftige Growls einsetzten, ohne dass das Tempo wesentlich gesteigert würde. Hier trifft ein kräftiger Stonerbass auf geile Gitarreneinsätze und dunkle Harmonien. Das Stück mündet nach heftigen Gitarrenriffs in einer sehr poppigen, spacigen Keyboardsequenz, unterlegt mit programmierten Rhythmus. Sehr versponnen.
Es folgt das “Chapter 4 – Awereness 2 – Peace“, das mit dunklen elektronischen Klängen sakral eröffnet wird. Diese Sequenz wird von einem knallenden Schlagzeug und einer schneidenden E-Gitarre beendet. Das mündet wiederum in einem straffen Song, der wieder ein wenig an die bereits erwähnten Amplifier oder ähnlich gelagerte Bands erinnert. Doch auch das währt nur kurz, denn dann bricht der brachiale Bass den Weg für dunkle und kräftige, von starken Gitarrensounds flankierten Growls. Daraus entwickelt sich ein stonerlastiger Mix, der in einem einsam vor sich hin schlagendem Schlagzeug mündet. Dieses wiederum führt in den letzten Teil des Stückes mit einem wummernden Bass, flirrender Elektronik und schwebenden Gitarreneffekten. So endet dieses, das für mich beste Stück dieses Albums zunächst in harmonischer Psychedelik, bevor die Gitarren wieder losbrechen und das Stück stoner-like / psychedelisch beenden.
Abgeschlossen wird das Album mit dem sich über die komplette vierte Seite erstreckenden “Chapter 5 – Mindfulness“. Dies sind zwar leider nur knapp 9 Minuten, aber die haben es in sich. Auch hier wird mit mystischen, dunklen elektronischen Klängen begonnen, die dann von Pianoklängen unterstützt werden. Zusammen mit Wasserrauschen ergeben diese Klänge eine traurige und doch irgendwie schöne Atmosphäre, die sich langsam immer mehr steigert und dann mit Wall-of-Sound-Gitarren in euphorische Sphären abhebt. Die Gitarren duellieren sich zu dem dann einsetzenden schweren Bass und bereiten das Feld für das Finale Furioso. Heftige Growls, knallendes Schlagzeug, viel Energie und Pathos bringen ein weiteres starkes Release der Kitshickers zu einem bombastischen Ende und hinterlassen den Hörer zunächst mal atemlos (Lass das mal in der Nacht nicht Helene Fischer wissen! - Anm.d.Red).
Beim Download des Albums über den dem Vinyl beiliegenden Downloadcode erhält man das Album übrigens zweimal, einmal so wie es ist und ein weiteres Mal ohne Gesang. Die Hintergründe dafür könnt ihr dem Interview in dieser Ausgabe entnehmen. Fakt ist, dass es sich um die exakt gleiche Musik handelt, nur ohne Gesang, also keine andere Versionen.
In meinen Augen ist das Experiment mit dem Gesang absolut geglückt. Zwar vermisse ich ein wenig die vielen Ideen an Sound- und Sprachsamples der letzten Alben, aber es funktioniert auch so. Und auch die Instrumentalversionen funktionieren tadellos dank ihrer gesteigerten Härte.
Die Kitshickers halten ihr hohes Niveau und präsentieren sich für mich weiter als zu Unrecht leider viel zu unbeachteter Speerspitze der progressiven Metalbands, die weit über den Tellerrand hinausschauen. Ganz kommt das neue Album jedoch nicht an die Großtat Horror Vacui heran. Doch die Abweichung liegt nur in Nuancen.
Wolfgang Kabsch
Trackliste |
1 | Birth Early Years Void | 14:59 |
2 |
Awareness, Pt. 1 (feat. Lisa Berg) | 7:42 |
3 |
Growth | 8:35 |
4 |
Rise | 6:25 |
5 |
Awareness, Pt. 2 (Peace) | 14:19 |
6 |
Mindfulness | 8:30 |
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Besetzung |
Gilles Heinisch: Gitarren, Samples
Boris Schiertz: Gitarren
Pol Lies: Bass
Nelson Curado: Schlagzeug
Yann Dalscheid: Gesang
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