Neu erstarkt und immer noch ein Ausnahmemusiker: Walter Trout
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Eigentlich hatte ich schon befürchtet, dass Walter Trout gar keine Auftritte mehr machen kann. Zu schlimm waren die Berichte um seine Krankheit. Als ich erst die Pressefotos gesehen habe, bin ich richtig erschrocken. Umso erfreuter war ich als ich mitbekommen habe, dass er wieder gesund ist und sogar ein neues Album am Start hat! Bei der Scheibe Battle Scars hat er ein Album produziert, bei dem es hauptsächlich um seine Krankheitsgeschichte geht. Wenn man bedenkt, dass er knapp vor dem Tod stand, ist das schon mehr als bemerkenswert. Ich habe Battle Scars vor dem Auftritt noch nicht gehört und eher deprimierte Songs erwartet.
Das Publikum besteht größtenteils aus etwas älteren Semestern, ganz ausverkauft ist die Halle an dem Abend nicht. Ursprünglich war der Auftritt in der Freiheiz-Halle geplant, wurde aber in die Theaterfabrik verlegt. Knapp nach 21 Uhr beginnt das Konzert des legendären Walter Trout. Die Band kommt zackig auf die Bühne und legt sofort los. Walter Trout ist fast nicht mehr wieder zu erkennen. Bei den letzten Fotos auf Konzertplakaten, seiner neuen CD oder Presseberichten im Vorfeld sah er total abgemagert aus. Er hat sich anscheinend bestens erholt und auch wieder ein paar Kilos zugelegt.
Als er zu spielen beginnt, traue ich meinen Augen fast nicht. Trout legt eine Spielfreude und Beweglichkeit an den Tag, die ich und sicher die meisten anderen Fans im Publikum auch nicht erwartet haben. Der Gesang des Gitarristen ist der Hammer! Kraftvoll, rau und voluminös erzählt er seine Geschichten und macht ganz und gar nicht den Eindruck, vor kurzem sehr krank gewesen zu sein. Passend zu seinem „Comeback“ hat er die Tour unter das Motto „I’m Back“ gestellt und bringt gleich zu Beginn die gleichnamige Luther-Allison-Nummer. Das Stück passt hier wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.
Seine Mitstreiter sind bestens eingespielt und sehen aus, als ob sie seit 30 Jahren nichts anderes machen, als in eben dieser Besetzung auf der Bühne zu stehen. Besonders beeindruckt mich an dem Abend neben Walter Trout der urige Sammy Avila, der eine tolle alte Hammond spielt. Er lässt das Teil ordentlich röhren und wummern, als wäre es das leichteste von der Welt. Hinter ihm thront stilecht der Leslie-Verstärker, den ich mir bei der Gelegenheit schon mal näher betrachte. Schlagzeuger Michael Leasure hält zusammen mit Bassist Johnny Griparic den Laden zusammen. Sie sorgen mit ihrer kompakten, geradlinigen Spielweise für einen unbändigen Groove, der die exzellenten Ausflüge von Trout und Avila bestens in Szene setzt. Kultig ist der Ventilator, der während des kompletten Gigs auf den Arbeiter am Schlagzeug, Michael Leasure, gerichtet ist. Er tobt sich an den Dampfkesseln ordentlich aus und braucht dieses Gerät vermutlich dringend als lebensrettende Maßnahme.
Das getragene „Say Goodbye To The Blues“ widmet Walter Trout seinem Freund und Mentor B.B. King, den er sehr verehrt. Trout ist ein sehr sympathischer Musiker, der seine Ansagen äußerst verständlich rüber bringt. Auch beim Singen versteht man jedes einzelne Wort sehr gut. Mit seinen Songs erzählt er meist selbst erlebte Geschichten, die er musikalisch hervorragend in Szene gesetzt hat. Dabei beweist er einen trockenen Humor, den man einfach mögen muss. Die Titel der neuen CD sind keinesfalls wehleidige, klagende oder depressive Stücke. Die rocken ordentlich und die Message ist: Auch wenn es im Leben manchmal richtig schlimm sein kann: Es geht auch wieder aufwärts, gib nie auf! Auf der Bühne setzt er dieses Motto musikalisch mit wahrer Leidenschaft um. Trout erzählt zwischen den neuen Songs sehr offen und ehrlich, worum sich die Stücke handeln. Besonders fasziniert mich der Song „Haunted By The Night“. Hier beschreibt er, wie furchtbar für ihn teilweise die schlaflosen Nächte im Krankenhaus waren. Hört sich vielleicht seltsam an, aber der Song und die restlichen Stücke der neuen Scheibe fand ich allesamt hervorragend!
Dass Trout in der musikalischen Früherziehung alles richtig gemacht hat, beweisen die Auftritte seines Sohnes Jon. Bei manchen Songs spielt sein Filius Rhythmusgitarre, bei einigen aber auch recht anspruchsvolle und knackige Soli. Teilweise duelliert er sich mit seinem Vater, dem man den Stolz auf seinen Sohn natürlich anmerkt. Bei ein paar Stücken hilft ein Roadie am Gesang und an der akustischen Gitarre aus - auch er macht seinen Job beängstigend gut. Trout macht keinen Hehl daraus, dass er nur aufgrund einer Lebertransplantation und der Fürsorge seiner Frau heute noch lebt und Musik machen kann. Er fordert die Zuschauer auf, einen Organspendeausweis anfertigen zu lassen und verspricht, dass er diesen Hinweis bei jedem Auftritt geben wird. Doch es geht nicht nur ernst zu. Einmal geht Trout kurz hinter die Bühne. Als er wieder kommt, spielt seine Band einen schnellen Beat und er bewegt sich wie ein Tanzbär mit tapsigen Bewegungen zu der schnellen Musik. Das sieht so lustig aus, dass ein Großteil der Konzertbesucher in schallendes Gelächter ausbricht. Ich kann mich auch fast nicht mehr halten - es sieht einfach zu komisch aus.
Der Abend fliegt nur so dahin. Auf der Bühne steht eine Band, die von der ersten bis zur letzten Note spielt, als ginge es ums nackte Überleben. Wer da nicht hellauf begeistert ist, dem ist vermutlich nicht mehr zu helfen. Auf einmal gehen die Musiker von der Bühne. Ich bin davon sehr überrascht, aber als ich auf die Uhr blicke, merke ich, dass schon über zwei Stunden vorbei sind. Natürlich bekommt das tolle Münchner Publikum noch eine Zugabe. Die fällt mit dem starken „Going Down“ ziemlich brachial aus, was aber ganz gut ins Konzept passt. Hier wird noch einmal aus allen Rohren gefeuert. Jon Trout und der vorhin erwähnte Roadie kommen noch einmal dazu und bekommen auch ihren verdienten Applaus.
Nach zwei Stunden und 15 Minuten machen die Vollblutmusiker verdientermaßen Feierabend. Die Fans in der Theaterfabrik sind begeistert, die Musiker - natürlich allen voran Walter Trout - sind sichtlich gerührt. Ich hätte niemals einen so vitalen Walter Trout erwartet. Ich freue mich über den starken Auftritt, aber am meisten über die Tatsache, dass Trout dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen ist. Er genießt jede Sekunde auf der Bühne. Das macht einfach Spaß, dabei zu sein. Wer auf Bluesrock der etwas härteren Sorte steht, sollte sich diesen Typen wirklich anschauen. Es lohnt sich!
Setlist:
Help Me
I'm Back
Say Goodbye to the Blues
Almost Gone
Omaha
Tomorrow Seems So Far Away
Playin' Hideaway
Haunted By The Night
Fly Away
Rock me Baby
I Can Tell
Marie's Mood
Serve Me Right To Suffer
Amazing Grace
Going Down
Stefan Graßl
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