Hamferð: Wir spielen sehr spezielle Musik!
Dass es Heavy Metal auch in den entlegensten Ecken der Erde gibt, wissen wir nicht erst seit Sam Dunns Dokumentation Global Metal. Wirklich exotisch sind die Färöer, eine autonome, zur dänischen Krone gehörende Inselgruppe im Nordatlantik, gelegen zwischen der britischen Insel, Norwegen und Island, vielleicht nicht. Trotzdem ist diese entlegene Lage mit ihrer oftmals unfreundlichen Wetterlage wohl etwas dafür verantwortlich, dass Bands von dort immer etwas eigenwillig und besonders klingen. Ein aktueller Newcomer von dort hört auf den Namen Hamferð. Hamferð spielen sehr bildhaften und episch angelegten Doom Metal, wie man ihn in ähnlicher Art auch von My Dyning Bride kennt. Doch der große Unterschied ist, dass hier in Färöisch gesungen (und gegrowlt) wird, was ihnen zusammen mit der an den Tag gelegten Atmosphäre den Ruf als „Sigur Rós des Metal“ einbrachte. 2012 gewann man damit den renommierten Wacken Metal Battle für junge, talentierte Bands. Nach einer EP hat die sechsköpfige Band kürzlich ihr konzeptionelles Debütalbum Evst veröffentlicht, welches zweifelsohne zu den besten Erstlingswerken des Jahres 2013 zählt. MAS nahm mit Gitarrist Theodor Kapnas und Sänger Jón Hansen Kontakt auf, um ein wenig über ihre Band zu plaudern.
|
Hallo, Theodor und Jón. Könnt ihr mir vielleicht ein bisschen was über die Geschichte von Hamferð erzählen - seit wann gibt es die Band, in welchen Art von Gruppen wart ihr vorher tätig?
Theodor: Die meisten von uns haben bereits in verschiedenen Bands gespielt. Ich war allerdings vor Hamferð in keiner ernsthaften, Konzerte spielenden Gruppe. John (Egholm, Gitarre - Anm.d.Verf.), der Hamferð gegründet hat, spielte in Synarchy, Jenus (Í Trøðini, Bass - Anm.d.Verf.) ist noch Mitglied bei Incurse, Jón singt in einer Band namens Nátt, was übersetzt Nacht bedeutet, und Remi (Johannesen, Schlagzeug - Anm.d.Verf.) trommelte vorher bei eine Band namens Ineptus. Die Band wurde 2008 gegründet, als John sich langsam von der Art Musik, die Synarchy spielten, langweilte und etwas ganz anderes machen wollte. Seitdem haben wir eine EP und ein Album veröffentlicht und auf ein paar Touren und Festivals in Europa gespielt.
Was bedeutet der Bandname Hamferð? Hat er vielleicht eine Art historischen Hintergrund?
Jón: Man kann es so sagen. Aber ich würde eher das Wort „folkloristisch“ verwenden. Wörtlich übersetzt bedeutet Hamferð „Hautreise“ und es wird normalerweise im Kontext „í hamferð“ - wie „sie sah ihn in einer hamferð“ - verwendet. Es umschreibt Erscheinungen von Personen, die sich in Lebensgefahr befinden, vor ihren Lieben, als Omen ihres bevorstehenden Todes. Zum Beispiel sehen Frauen von Fischern Bilder ihrer Ehemänner vor sich, was bedeutet, dass sie in der See verloren gegangen sind. Viele dieser Geschichten wurden im letzten Jahrhundert auf den Färöer erzählt.
Die Färöer Inseln sind ein ziemlich kleines Land. Gibt es dort trotzdem eine Rock- und Metalszene oder ist man mehr folkorientiert? Klar, Týr sind auch bei uns bekannt, ansonsten ist eure Heimat ein eher unbeschriebenes Blatt.
Theodor: Es gibt hier definitiv eine Metalszene, auch wenn das Land sehr klein ist. Týr sind natürlich sehr offensichtlich. Sie sind zweifelsohne die größte der Färöer Metalbands. Es gibt viele coole Bands, die schon viele Jahre existieren, wie zum Beispiel Sic, Synarchy und Incurse. In letzter Zeit sind auch ein paar neue, aufregende Gruppen wie Reduced To Ash, Asyllex und besonders Earth Divide aufgetaucht.
Wenn wir schon von Týr gesprochen haben. Diese Band sieht sich selbst in der Tradition traditioneller Färöer Folkloreballaden. Sind Eure Musik und Texte in gewisser Art ach von folkloristischen Melodien und Poesie beeinflusst?
Jón: Bis zum einem gewissen Grad, ja. Die meiste Kunst der Färöer, die sich mit der dunkleren Seite der einheimischen Kultur beschäftigt, inspiriert uns. Die alten Kvæði (Bezeichnung der traditionellen, oft Jahrhunderte alten Balladen des Landes - Anm.d.Verf.), von denen Týr viele adaptiert haben, können ziemlich gewalttätig sein und sie beschreiben ihre Protagonisten als fehlerhafte Menschen, die dennoch dazu fähig sind beeindruckende - oft auch grauenhafte - Dinge zu tun. Auch wenn die Ereignisse dieser Geschichten überwiegend erfunden sind, enthüllen die Kvæði viel von der ursprünglichen Kultur, von der wir abstammen. Besonders von diesem Aspekt sind wir beeinflusst. Jedoch verwenden wir keineswegs alte Geschichten, Figuren oder Orte. Unsere Geschichten und Texte sind eher vage und poetisch, indem sie sich mit abstrakteren Dingen beschäftigen.
Diskografie | Vilst er síðsta fet (EP, 2010)
Evst (2013) |
| Die Musik die ich bisher von den Färöern gehört habe, klingt in meinen Ohren ziemlich melancholisch. Dies gilt auch für Hamferð. Ist die Volksseele der Färöer generell eine melancholisch veranlagte?
Jón: In gewisser Weise würde ich zustimmen. Es gibt eine wahre Fundgrunde an schönen, melancholischen Balladen in der musikalischen Geschichte des Landes und alle unserer bekannten Musiker tragen stets ihren Teil mit dem was sie tun dazu bei. Es geht Hand in Hand mit der Atmosphäre, welche das raue Wetter, die dunklen Winter und die geografische Isolation der Färöer Inseln erzeugen. Auf der anderen Seite gibt es hier aber auch eine Lebhafte Schlager- und Countrymusikszene. Es ist also nicht alles Verderben und Finsternis.
Jón, warum hast Du Dich entschlossen bei Hamferð nur in Deiner Muttersprache zu singen? Weil es einfacher ist sich auszudrücken oder auch in gewisser Weise aus nationalem Stolz heraus? Hast Du es jemals auf Englisch versucht?
Jón: Kurz nachdem Hamferð gegründete wurde, fühlten wir uns genötigt genau heraus zu arbeiten, wie die Band wirklich sein soll. Unser erster Song wurde teils in Englisch, teils in Färöisch geschrieben. Die Idee die färöische Sprache zu verwenden war also von Anfang an da. Aber als wir weiteres Material schrieben und begannen ein genaues Konzept zu entwickeln, war uns klar, dass wir es richtig anpacken und aus Hamferð eine konzeptionelle Band mit dem Fokus auf einen färöischen Sound machen mussten. Natürlich sind auch einige internationale Inspirationsquellen offensichtlich. Aber wir waren schon in unseren Anfängen davon überzeugt, dass in unserer Musik etwas eindeutig Färöisches ist, so dass wir einfach unsere eigene Sprache verwenden mussten. Wir spielen den ersten Song noch immer, komplett mit dem englischen Teil. Aber es ist fraglich, ob wir nochmals etwas auf Englisch schreiben werden. Unsere Muttersprache ist einfach zu tief in unser Konzept integriert.
Ich finde, dass Eure Musik ziemlich bildhaft klingt. Wenn ich Evst höre, kann ich regelrecht das Salz des Meeres riechen und ich sehe karge Felsen und weite Grasländer vor mir. Trotzdem würde ich gerne mehr über die Texte der Platte erfahren. Sie scheint ein Konzeptalbum zu sein. Kannst Du mir etwas zur enthaltenen Geschichte erzählen?
Jón: Die Geschichte dreht sich um einen Mann, der seinen Sohn in einem Storm auf einem Berg verliert und dann nach ihm sucht. Auf seiner beschwerlichen Reise um die Klippen trifft er die mysteriösen Huldur, die eine Welt innerhalb der Berge bewohnen. Sie stimmen zu, ihm zu helfen und führen ihn in ihr Reich. Aber es ist kein Platz für Menschen. Er verliert dabei langsam den Bezug zur Realität und beginnt die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verwirren. Schließlich begeht er in seinem Wahnsinn ein schlimmes Verbrechen und flieht vom Berg, während er für sich selbst eine endgültige Lösung wählt, um mit seinem Sohn und seiner Familie wieder vereint zu sein, die alle bereits verstorben sind.
Das Artwork des Gesamtpakets scheint dem Inhalt der Texte zu folgen. Weiter geht ihr stets in feinen Anzügen auf die Bühne. Es scheint, als sei die allgemeine Erscheinung ziemlich wichtig für Hamferð.
Theodor: Es ist wirklich sehr wichtig für uns. Wir sind stets sehr bewusst um das Konzept von Hamferð gewesen. Wir spielen sehr spezielle Musik und es würde nicht denselben Effekt haben, würden wir als normale Typen in Jeans und Bandshirts auf der Bühne rumrennen. Wir sind ziemlich pingelig bei dem was wir auf der Bühne tun, was wir anziehen, wie unser Artwork aussieht und so weiter, da wir glauben, dass wir das was hinter Hamferð steht, nicht nur durch unsere Musik transportieren, sondern auch mit allen anderen Aspekten rund um die Band.
Vor allem die skandinavischen Länder sind für ihre starke einheimische Kulturförderung bekannt, von der auch Rock- und Metalbands profitieren können. Werdet ihr vielleicht auf ähnliche Weise unterstützt?
Theodor: Ja, das werden wir. Wir profitieren von diversen Unterstützungen. Der allgemeine öffentliche Kulturfond der Färöer Inseln ist nicht besonders groß und die Kosten, um nach Europa für Konzerte zu reisen, sind für eine sechsköpfige Band immens. Deshalb müssen wir kreativ sein und versuchen soviel Unterstützung wie möglich aus verschiedenen Quellen zu ziehen. Wir sind wirklich sehr, sehr glücklich, in einem Land zu leben, in dem du Unterstützung bekommst, wenn du etwas Lohnenswertes machst. In unserer derzeitigen Situation könnten wir ansonsten nicht die Chance nutzen auf internationaler Ebene Konzerte zu spielen. Deshalb sind wir extrem dankbar dafür. Es treibt uns an, soviel zu erreichen wie möglich - nicht nur für uns, sondern für die ganze Musikszene hier.
2012 habt ihre den Wacken Metal Battle gewonnen, der euch die Gelegenheit gab, bei einem großen Label - genau gesagt Nuclear Blast - zu unterschreiben. Ihr habt Euch aber entschlossen weiter mit der einheimischen Firma Tutl zu arbeiten. Habt ihr das Angebot nicht als eine Art Chance gesehen?
Theodor: Es liegt einfach daran, dass wir eine tolle Beziehung zu Tutl haben! Sie haben uns seit unseren Anfängen unterstützt und veröffentlichten unsere erste EP, als wir gerade erst eine handvoll Konzerte gespielt haben. Seitdem spielen sie eine große Rolle in dem, was wir als Band sind. Natürlich ist es nicht gerade einfach, nein zu einer Firma wie Nuclear Blast zu sagen. Aber in diesem Fall waren Tutl in der Lage uns alles zu geben, was es braucht um die Band aufzubauen und international zu veröffentlichen und zu touren. Deswegen gab es für uns auch keinen Grund das Label in diesem Moment zu wechseln.
Ihr habt bereits Konzerte mit Bands wie Týr und Moonsorrow gespielt, was musikalisch recht gut passt. Allerdings seid ihr kürzlich auch mit der Mittelalter-Folkbank Corvus Corax getourt. Hier ward ihr wohl in besonderem Maße mit einem ganz anderen Publikum konfrontiert. Welche Erfahrungen nahmt ihr hier mit nach Hause?
Theodor: Nun ja, das Publikum war bei all den Auftritten tatsächlich ziemlich verschieden! Unsere Tour mit Týr und Moonsorrow funktionierte ziemlich gut. Aber es gibt immer wieder eine Gruppe von Folkmetal-Fans, die eben nur Folkmetal hören möchte. Unsere drei Konzerte mit Corvus Corax waren auch gut. Aber auch hier: es gibt immer Leute, welche mit unser Art von Musik nichts anfangen kann. Aber das gilt für jedes Publikum und es ist unser Job rauszugehen und sie zu überzeugen! Man lernt definitiv von diesen Erfahrungen und ich denke wir konnten wirklich auf unserer Reise einige Leute für uns gewinnen.
Was waren die besten und schlechtesten Dinge mit der Band bis hierher? Ich kann mir vorstellen, dass besonders der Auftritt in der ältesten Kirche des Landes, Havnar Kirja in der färöischen Hauptstadt Tórshavn, etwas Besonderes war.
Theodor: Die Show in Havnar Kirkja war auf jeden Fall ein Highlight. Bei einem solchen Ereignis mit so vielen verschiedenen Leuten zu arbeiten war etwas Besonderes. In Wacken zu spielen und den Wacken Metal Battle zu gewissen war auch eine unfassbare Erfahrung und rangiert auf derselben Ebene wie der Kirchenauftritt. Auch die beiden Europatouren, die wir gespielt haben, waren unglaublich. Mir fällt gerade gar nichts Schlechtes ein. Die meisten Dinge die wir bis heute gemacht haben, wurden super.
Zum Schluss würde mich noch interessieren, welche Pläne ihr für die Zukunft verfolgt.
Theodor: Wir wollen einfach weiter Musik machen und um die Welt touren und sehen wo es uns hintreibt. Wir haben eine starke Einstellung was die Band betrifft und wir glauben, dass wir unsere Wünsche für Hamferð in den nächsten Jahren verwirklichen können. Wir hoffen, wir sind dabei nicht zu blind optimistisch.
Vielen Dank für das Interview ihr beiden!
Mario Karl
|