Musik an sich


Reviews
Berlioz, H. (McCreesh)

Grande Messe des Morts (Requiem)


Info
Musikrichtung: Romantik

VÖ: 1.11.2011

(Signum Classics / Note 1 / 2 CD / DDD / 2010 / Best. Nr. SIGCD280)

Gesamtspielzeit: 88:00

Internet:

Gabrieli Consort / Paul McCreesh



ENTFESSELT

Sie kommt daher wie eine billige Pralinenschachtel für die Schwiegermama und selbst die Tracklist hat man vergessen: Was die Aufmachung angeht, hat Paul McCreesh bei seinem neuen Label Signum nicht eben das große Los gezogen. Doch selbst in der hässlichsten Verpackung kann sich das allerschönste Geschenk verbergen. So auch hier. McCreesh hat in seiner Diskographie mittlerweile einen weiten Weg zurückgelegt, der ihn von der frühen venezianischen Mehrchörigkeit bis zu einem der kalorienhaltigsten Werke der Romantik geführt hat – Berlioz´ monumentalem Requiem aus dem Jahre 1837. Mindestens 210 Sänger, 16 Pauken, 18 Kontrabässe, vier Blechbläserensembles u.v.a.m. verlangt der Komponist. Für das Publikum bleibt also selbst in einem Kirchenraum wie der gotischen Kirche St. Maria Magdalena zu Wroclaw (Breslau) kaum noch Platz. Aber das ist kein Problem, denn die Tontechniker von Signum haben das Klangerlebnis in bester räumlicher Staffelung eingefangen, so dass man es auch zuhause so richtig krachen lassen kann, wenn die Trompeten zum Jüngsten Gericht blasen.

McCreesh lässt nicht nur in den historisch stimmiger Besetzungsstärke antreten, sondern hat – gerade bei den Pauken und Blechbläsern – ganz bewusst auch möglichst weitgehend auf historische Instrumente zurückgegriffen. Das sorgt für ein hohes Maß an klanglicher Stimmigkeit. Viele der sonst arg grellen, gellenden Effekte werden auf diese Weise abgemildert und bekommen einen erdfarbeneren Charakter. Auch ansonsten wird hier sorgsam austariert und demonstriert, dass das Werk durchaus nicht nur vom orgiastischen Klang lebt, sondern vor allem vom konsequenten Aufbau musikalischer Spannung, die sich dann eben gelegentlich im Fortissimo eruptiv entlädt. Die Zusammenarbeit zwischen McCreeshs eigenem Ensemble und den einheimischen Kräften, die noch um junge Musiker der Chethams´ School verstärkt wurden, führt zu keinerlei Friktionen. Im Gegenteil: Die verschiedenen Klangkörper scheinen sich gegenseitig geradezu zu befeuern. So wirken selbst die großen Klangblöcke noch stabil und aufeinander abgestimmt. Aber auch den sanfteren, teils überaus romantischen Passagen verhilft diese Aufnahme zu ihrem Recht, so dass insbesondere das „Hostias“ und „Sanctus“ von ergreifender Intensität sind.

Großes Kino! Die angekündigten Folgeproduktionen (Mendelssohns „Elias“ und Brittens „War Requiem“) darf man gespannt erwarten.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Robert Murray: Tenor

Gabriele Players
Wroclaw Philharmonic Orchestra
Chetham´s School of Music Symphonic Brass Ensemble
Gabrieli Consort
Wroclaw Philharmonic Choir

Paul McCreesh: Ltg.


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>