Musik an sich


Reviews
Händel, G. F. (Temmingh)

The Gentleman´s Flute


Info
Musikrichtung: Barock

VÖ: 17.9.2010

(Oehms Classics / harmonia mundi / CD / DDD / 2010 / Best. Nr. OC 772)

Gesamtspielzeit: 63:31

Internet:

Stefan Temmingh



SURROGAT

Wer in früheren Zeiten Musik liebte, in der Oper oder im Konzert von der einen und anderen Arie ganz begeistert war, hatte ein Problem: Um die schöne Musik wieder zu hören, gab es mangels CD, mp3 und DVD nur die Möglichkeit, erneut in die Oper zu gehen. Oder man machte die Musik "von Hand" selbst. Und letzteres galt dann durchaus als ein edles Vergnügen. Die gebildeten Herren der besseren Kreise im London des 18. Jahrhunderts versuchten sich dabei gerne auf der Blockflöte, denn der virtuose Gesang ist nun einmal nicht allen gegeben. Mit ihrem der menschlichen Stimme verwandten Klang war die Blockflöte besonders geeignet, die Stimme des Sängers oder der Sängerin zu ersetzen. So nimmt es nicht wunder, dass die Händel-Begeisterung jener Tage ihren Niederschlag in zahlreichen Arrangements für Blockflöte und Basso Continuo fand. Nicht ganz leicht zu spielen, aber für den versierten "Dilettanten" durchaus machbar und ein beliebter "Party-Spaß" jener Zeit.
Etwas von diesem Vergnügen wollte der Flötist Stefan Temmingh dann auch mit dieser Produktion transportieren. Es ist ihm gelungen - hieraus folgt aber auch, dass man nicht alles ganz ernst nehmen darf. Natürlich eignen sich nicht alle Arien gleich gut für solche Arrangements und so klingt manches dann auch mal putzig, anderes arg verzerrt, einiges etwas täppisch eingerichtet und vieles von unechter Melancholie durchzogen. Das fängt schon mit der Ouvertüre zu Rinaldo an, bei der es sich naturgemäß als besonders schwierig erweist, ein ganzes Orchester auf häusliches Format zusammenzudampfen. Lustig ist´s allemal. Die Arien "V´adore, pupille" und "Lascia ch´io pianga" klangen vielleicht noch nie so herzerweichend (mit klarer Tendenz zum Kitsch), während etwa das ohnehin einem volkstümlichen Tune verwandte "Il vostro maggio" aus Rinaldo oder das heitere "Di te mi rido" absolut überzeugend tönen.

Um dem Ganzen Abwechslung angedeihen zu lassen, bringt Temmingh einerseits sehr verschiedene Flöten historischer Bauart zum Einsatz, zum anderen schmückt er vieles mit girlandenartigen Verzierungen aus. Zudem agieren die Begleitinstrumente (Psalterium, Cembalo, Viola da gamba, Fagott, Theorbe, Laute und Barockharfe) in immer wieder neuer Zusammensetzung. Dass dieses sehr spezielle Repertoire dabei auch den Musikern ähnliches Vergnügen bereitet hat, wie ehemals den Ausführenden bei den bierseligen Musik-Partys im London zu Händels-Zeiten, kann man durchaus hören.

Ein origineller Beitrag zur nicht enden wollenden Flut der Händel-Produktionen. Dass einem am Ende die Orginalversionen dennoch lieber sein werden, dürfte man mit den Musikliebhabern des 18. Jahrhunderts dann allerdings durchaus gemein haben.



Sven Kerkhoff



Trackliste
1Rinaldo for a Flute | Overture 05:35
2 Alcina for a Flute | Tornami a vagheggiar 04:26
3 Giulio Cesare in Egitto for a Flute | V’adoro, pupille 04:10
4 Rinaldo for a Flute | Il vostro maggio 02:30
5 Alcina for a Flute | Verdi prati 03:56
6 Un momento di contento 04:25
7 Musette 01:34
8 Credete al mio dolore 03:32
9 Saul | Sinfonia 01:53
10 Alcina for a Flute | Di te mi rido 04:21
11 Rinaldo for a Flute | Lascia ch’io pianga 05:24
12 Sulla ruota di fortuna 02:57
13 Amadigi di Gaula | Tu mia speranza 03:12
14 Rinaldo for a Flute | Bel piacere 02:02
15 Sonata in G minor | Larghetto 02:32
16 Andante 03:15
17 Adagio 01:02
18 Presto 01:54
19 Rinaldo for a Flute | Venti Turbini 02:43
20 Alexander Balus | Convey me to some peaceful shore 01:56
Besetzung

Stefan Temmingh: Blockflöte

Olga Mishula: Psalterium
Olga Watts: Cembalo
Domen Marincic: Viola da gamba
Lyndon Watts: Fagott
Axel Wolf: Laute und Theorbe
Loredana Gintoli: Barockharfe


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