Bach, J. S. (Badiarov)
Cello Suiten BWV 1007-1012
|
|
Info |
Musikrichtung:
Barock Kammermusik
VÖ: 01.11.2010
(Ramée / Note 1 / 2 CD / DDD / 2009 / Best. Nr. 1003)
Gesamtspielzeit: 138:19
|
|
|
SCHWERBLÜTIG
Wie eine Mischung aus Fagott und Gambe und manchmal sogar wie eine Drehleier (Gavotte aus BWV 1012!) klingt das barocke Violoncello da spalla, das so genannte Schulter-Cello, das Dmitry Badiarov auf dieser Aufnahme spielt. Erstaunlich, welche tiefe Töne dieses gar nicht besonders große Instrument hervorbringt. Möglich wird dies durch dickere, da silberumsponnene Darmsaiten, die aufgrund der nicht zu straffen Spannung zudem sehr leicht ansprechen.
Auffällig ist der in der Tiefe brummige und in der Höhe vibrierende, bei schnellen Passsagen auch heisere, dabei aber nicht unangenhme Klang. Kein Zweifel: Das Schultercello klingt schön und vielfarbig. Inspiriert gehandhabt, ist es ein echter Charakterdarsteller auf der barocken Originalklangbühne.
Badiarov ist nicht der erste, der sich mit diesem immer noch exotischen Instrument an die Bachschen Cellosuiten heranwagt. Die galten spätestens seit den Zeiten Pablo Casals ja als ein echtes Mysterium, das sich nur in muße- und mühevoller, am besten lebenslanger Arbeit erschlösse. Für jeden Cellisten sind sie nicht zuletzt deshalb eine besondere Probe seines Könnens, weil die Partie so viele schwierige Lagenewechsel verlangt. Zumindest auf einem konventionellen Cello, das auf dem Boden steht.
Auf dem Schultercello, das im Grunde eine stark vergrößerte Violine ist, erledigen sich diese Schwierigkeiten von selbst. Man kann die Musik wie auf dem Sopraninstrument spielen. Offenbar hat Bach bei den Suiten und auch sonst mit diesem Instrument gerechnet. Sigiswald Kuijken hat das genauer erforscht. Er ist nicht nur ein Lehrer Badiarovs, sondern hat bereits eine eigene Einspielung auf dem Spalla-Cello vorgelegt. Dabei hat er auch gleich mit der mit allerlei Mythen befrachteten Interpretations-Tradition gebrochen und eine derart entspannte Version produziert, dass es schon wieder ein Anti-Effekt ist. Die Wahrheit liegt offenbar wie so oft in der Mitte.
Badiarov betont vor allem die Direktheit, die die Musik auf dem Spalla-Cello gewinnt und kostet dessen Klang weidlich aus. Seine Einspielung besitzt mehr Nachdruck, mehr „Körper“ als diejenige Kuijkens. Dieser prächtige Klang seines nach historischem Vorbild rekonstruierten Instruments scheint für die Wirkung, die von der Aufnahme ausgeht, bereits die halbe Miete zu sein – dass man diese Stücke aber deshalb nie mehr anders hören möchte, wie die Ankündigung verheißt … nun ja! Ein Instrument bleibt ein Instrument.
Schweißnasse expressive Gipfelstürme darf man nicht erwarten, sie sind auch gar nicht erforderlich. Leichtigkeit und Noblesse, wie sie z. B. Steven Isserlis auf einem konventionellen Cello vormacht (und dabei Kuijkens entspannte Haltung vorbildlich mit spielerischer Energie verbindet) gibt es aber auch nicht. Eher ein ernstes, ja schwerblütiges, in den langsamen Sätzen ausdrucksvolles Singen, das wegen einiger uriger Farben mit etwas Humor gewürzt ist. Über diesem eher sinnenden Ansatz geht mir der innere, vorwärtsdrängende Zug der Musik doch zu sehr verloren. Seltsamerweise wirkt die Musik dadurch archaischer als auf anderen Einspielungen – wie ein Werk des 17. Jahrhunderts. Ich musste öfter an Gambenmusik von Marin Marais denken.
Dieser Retro-Effekt mag auch an der etwas distanzierten, leicht kirchenraumhalligen Akustik liegen. Dennoch hat die Tontechnik dafür gesorgt, dass kein Detail verloren geht. Ausstattung und Dokumentation sind wie immer bei Ramée vorbildlich.
Georg Henkel
Trackliste |
CD 1 Suite I-III 58:29
CD 2 Suite IV-V 79:50
|
|
|
|
|
Besetzung |
Dmitry Badiarov: Violoncello da spalla (nach einem Modell von Johann Christian Hoffmann, um 1750)
|
|
|
|