Musik an sich


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HERMAN VAN VEN - Musiker, Sänger, Poet, Clown und Mensch





Eine kleine Betrachtung seiner neuen Werke Lieber Himmel –Höchstpersönlich (Buch & CD) und Lieber Himmel – eine Weihnachtsgeschichte (DOCD, Live) und des Künstlers höchstpersönlich

Herman van Veen wurde am 14. März 1945 im holländischen Utrecht geboren. Er studierte Geige, Gesang und Musikpädagogik am Utrechter Konservatorium und gab mit dem clownesken Soloprogramm Harlekijn sein Theaterdebüt. Der inzwischen Zweiundsechzigjährige blickt auf eine lange und sehr erfolgreiche Karriere zurück, in der er jede Menge Alben in vier verschiedenen Sprachen veröffentlichte, etliche Videos bzw. DVD´s und Bücher herausbrachte, sowie eigentlich permanent auf den Bühnen dieser Welt steht. Wer mehr Interesse an der Biographie und dem gewaltigen Katalog des Hermann van Veen hat, den möchte ich direkt auf seine Homepage www.hermanvanveen.com verweisen, denn um diese geht es mir in diesem Bericht nicht.

Hier möchte ich nun seine zwei neuesten Veröffentlichungen vorstellen, die zwar (fast) denselben Namen tragen und auch Überschneidungen enthalten, doch trotzdem sehr unterschiedlich sind.


In Lieber Himmel – Höchstpersönlich veröffentlicht van Veen 52 Texte und Gedichte, zum Teil erstveröffentlicht, zum Teil bereits bekannt. Die bereits bekannten entstammen einigen seiner Lieder oder entsprechen den immer hintergründigen Geschichten, die van Veen immer wieder auf seinen Konzerten zwischen die Lieder baut. Die in Lieber Himmel zusammengefassten Texte verbindet, dass sie sich thematisch alle mit der Bibel befassen. Herman van Veen ist jedoch weder der christlichen noch einer anderen Religion verpflichtet. Er wurde nicht sehr strenggläubig durch die Eltern erzogen, eine stärkere christliche Färbung erlebte er nur durch seine Großeltern. Und so setzt sich van Veen auch mitunter sehr kritisch mit den Bibelthemen auseinander. Wie ein Kind werden oft Dinge hinterfragt oder durch pure Logik ausgehebelt. Hinter jeder Geschichte stehen die Menschen und das alltägliche Leben. Wie der aufwachsende van Veen selber Bibeltexte empfand, welchen Schaden falsch ausgelegte, welches Heil gut ausgelegte Bibeltexte bringen können. Und der Poet van Veen steht auch immer im Focus:

Wie sagt man die Stille eines gebrauchten Teebeutels,
beschreibt man einmal ausgezogene Unterwäsche,
erzählt man den Geruch von Treibholz, zeigt wie grün ihre Augen waren,
macht man den letzten Atemzug sichtbar?

Die Dinge, an die man sich am lebhaftesten erinnert,
sind am schwersten zu beschreiben.
Wie sagt man hinterher:
Verzeih mit?


Manchmal fragt man sich, was will uns dieser Mann sagen? Welche Lehre will er verbreiten? Darf er überhaupt diese Punkte in dieser Art ansprechen? Und meine Antwort (und die offensichtlich vieler, wie sein Erfolg beweist) lautet klar: Ja! Denn Herman van Veen ist Mensch. Und Hermann van Veen liebt die Menschen. Doch er versteht sie manchmal nicht und deshalb stellt er Fragen. Oder erzählt Geschichten. Und seine Geschichten sind wie seine Lieder – zwischen Fröhlichkeit und tiefer Nachdenklichkeit oder Traurigkeit liegt oft nur ein einziges Wort, ein einziger Atemzug. Gleich die erste Geschichte “Windekind“ ist ein Paradebeispiel der Verschachtelungen und Windungen, die van Veen in eine einzige, nur dreizehn Seiten lange Geschichte packen kann. Er beginnt von sich als Kind zu erzählen, von einer Kinderkrankheit und von einer im Fieberwahn gesichteten Wolke, die ihm Mut und Kraft zum Durchstehen der Krankheit brachte. Dann erzählt er die Geschichte weiter, dass er nach dem Gesunden in ein Ferienlager sollte, das jedoch sehr hart war und dessen schwerer Ruf ihm vorausseilte. Quasi ein Erziehungslager für einige Wochen. Sein Vater gab ihm einen Brief mit den Worten, „Wenn es Dir ganz schlecht geht, dann öffne diesen Brief, er wird Dir dann helfen“. Die Geschichte erzählt nun, wie sich der kleine Junge von Tag zu Tag rettet, sich fragt, wie der Brief ihm wohl helfen könne und ob nicht die Chance vertan sei, sei der Brief einmal geöffnet. Und ob er sich diesen Brief nicht also für den schlimmsten aller Tage bewahren solle. Schlussendlich geht die Zeit vorbei, er musste mitunter ganz schön leiden, aber er hält die Torturen bis zum Ende aus. Und beim Öffnen des Briefes durch den Vater zu Haus stellte sich heraus, dass dieser Fahrkarten für die Fahrt nach Hause enthalten hatte. Dann zieht er plötzlich eine 45-jährige Zeitblende und erzählt von einer Fahrt nach Buchenwald ins KZ, in dem er eine Vorstellung seines Musikstückes Windekind machte, das auf Texten der in diesem KZ zu Tode gekommenen Poetin Selma Meerbaum Eisinger beruht.. Er erzählt voller Traurigkeit von dem Leid, das dieser Ort angerichtet hat und noch heute ausstrahlt, aber gleichzeitig von der Schönheit der Gedichte Selmas.

Die Geschichten sind wirklich das reine Leben, sie erzählen von Weihnachten, vom ersten Entdecken der eigenen Sexualität.
Dem Menschen und Poeten van Veen sind hier die wohl bewegendsten, unterhaltsamsten und auch nachdenklichsten 176 Seiten gelungen, die ich jemals gelesen habe.
Unterstützt wird das Buch von einer zwanzig Minuten langen CD, auf der einige der Geschichten zu sehr ruhiger und besinnlicher Gitarrenbegleitung von Edith Leerkers dargeboten werden und Herman van Veen das Ave Maria singt. Und hier zeigt er auch eine weitere seiner Künste: sein ausgebildeter Gesang wird mir persönlich nämlich auch zu selten gelobt.


Die zweite Veröffentlichung ist die live aufgenommene Doppel CD Lieber Himmel – eine Weihnachtsgeschichte. Diese wurde bereits auf einer kleinen Tournee durch Kirchen und kleinere Hallen im November / Dezember 2006 aufgenommen und nun, sicherlich passend zu Weihnachten, veröffentlicht. Hier erzählen Edith Leerkers (Gitarren, Gesang & Perkussion) und van Veen (Gesang, Violine & Perkussion) die Geschichte Jesu nach, mit Fokus auf die Weihnachtsgeschichte an sich. Die 35 Stücke sind nicht alle neu, einige wurden einfach umarrangiert und in die Geschichte eingebaut und siehe da, sie passen wunderbar. Die Geschichte ist, wie das Buch, aus ganz und gar nicht kirchlichen Gesichtspunkten betrachtet und erzählt, sondern hier wird oft auf die Dinge eingegangen, die eben so, wie sie die Bibel, oder die Menschen, die selbige interpretieren, gar nicht so schön sind, wie sie erscheinen oder aber viel schöner sind, als sie interpretiert werden. Es wird immer wieder etwas in die Moderne transportiert und auch oft angemahnt, wie wenig der Mensch doch aus dieser Geschichte gelernt hat. Es fließen auch wieder viele der kleinen persönlichen Anekdoten des van Veen mit ein, der typische, hintergründige Humor von van Veen kommt nie zu kurz. Die beiden Künstler bringen hier die Weihnachtsgeschichte in einer nachdenklich amüsanten Form für Groß und Klein dar, die auch gleichzeitig Menschen allen Alters zum Nachdenken über die Geschichte, die Religion und den Alltag anregt. Musikalisch ist durch die Reduzierung auf Gitarre(n), Violine und ein ganz wenig Perkussion ein sehr intimes, ruhiges und zum Nachdenken oder auch mal Träumen einladendes Stück Musik entstanden, dass über die komplette Länge interessant und einfach nur schön ist. Die Arrangements sind perfekt, dass Leerkers und van Veen Könner an Ihren Instrumente sind, muss ich nicht wieder erwähnen. Wie alle Werke des seit einigen Jahren auf höchsten Niveau stehenden van Veen Zirkels überzeugt dieses Werk in allen Belangen. Eine Bewertung beider Werke nehme ich nicht vor, für mich sind es zwei weitere Ausnahmewerke eines Ausnahmekünstlers, der mit Punktbewertungen nicht mehr zu beschreiben ist.
Die Beiden touren auch diesen Winter wieder mit dem Stück, ich denke, die Kirchen werden dann wieder ausverkauft sein.

Nun zurück zum Menschen van Veen. Wer ist dieser Poet? Was macht ihn so stark, so emotionell? Was gibt Ihm diese Gabe, jemanden mitten ins Herz treffen zu können? Unvermittelt? Das ist sicherlich schwer zu beschreiben. Insbesondere, wenn man die Person nicht persönlich kennt. Oftmals wundert man sich ja, dass eine Person, die man so bewundert, sich als ganz anders entpuppt. Das könnte natürlich auch auf van Veen zutreffen, doch ich glaube es nicht. Ich kehre zu meiner Eingangsbeschreibung zurück: Herman van Veen ist Mensch. Und er liebt die Menschen! Doch er versteht sie nicht. Er versteht nicht, was sie mit ihrem nächsten tun, was sie mit ihrer Umwelt tun und was sie schlussendlich sich selbst antun. Er weiß auch, dass er mit seinen Liedern und seinen Shows an sich nichts verändern kann. Aber er versucht den Menschen ins Herz zu schauen. Und er versucht die Menschen in sein Herz schauen zu lassen. Er hält den Menschen einen Spiegel vor. Lässt sie lachen, auch durch teilhaben lassen. Im Grunde ist Herman van Veen wie ein Kind – er kann genauso abgrundtief traurig sein, wie er überbordend fröhlich sein kann, und das fast in derselben Minute und er lebt diese Dinge aus wie ein Kind, spontan und direkt, zumindest auf der Bühne und in seinen Stücken. Er erzählt fast immer nur vom ganz normalen Alltag, mit seinen schönen Erlebnissen und Katastrophen. Und verbindet den Lauf des kleinen mit dem Lauf des großen Ganzen. Er macht Dinge verständlich für jeden, er bringt sie uns nicht bei, denn wir wissen über viele dieser Dinge schon Bescheid, doch verdrängen wir sie und vergessen sie darüber. Doch Hermann van Veen ist der Clown, der uns den Spiegel vorhält. Nicht frontal und plump. Nein, subtil und in Tönen und Worten, denen man zuhört versteckt, denn er weiß, wer immer nur schreit, dem hört niemand mehr zu. Und oftmals führt er uns auch ein klein wenig hinter das Licht, in dem er sich langsam in unser Ohr einschmeichelt, uns zum Lachen bringt um gleich anschließend vom Mädchen mit Magersucht oder vom Hunger in Afrika zu berichten.
Das Phänomen van Veen wird man nicht erklären können. Es ist nur schade, dass es nicht mehr solcher Musiker, Sänger, Poeten, Clowns und schlicht Menschen gibt.
Herman van Veen möchte gern eine bessere Welt haben. Und er tut mit seinen vielen karikativen Aktionen einiges dafür. Doch am glücklichsten ist er. glaube ich. am Ende eines Konzertes, wenn er in die Augen seines Publikums sieht und erkennt, dass er für die letzten drei Stunden für die Anwesenden sein Ziel zu 100% erreicht hat: diesen Menschen eine bessere Welt für diese Zeit beschert zu haben.


Wolfgang Kabsch



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