Musik an sich


Reviews
Bach, W. F. (Hill)

Klavierwerke 1 (12 Polonaisen u.a.)


Info
Musikrichtung: Barock Klavier

VÖ: 29.11.2007

Naxos / Naxos
CD (AD DDD 2005) Best. Nr. 8.557966


Gesamtspielzeit: 62:30



SCHWERELOS ZWISCHEN DEN ZEITEN

Die mitunter eruptiv nach außen drängende, dann wieder in grüblerischen Stimmungstiefen sich verlierende Musik tritt in dieser Aufnahme in spannungsvollen Kontrast zur Zartheit des Instrumentalklangs. Denn Robert Hill spielt seine erste Naxos-Auswahl von Wilhelm Friedemann Bachs Kompositionen für Tasteninstrumente auf einem frühen Fortepiano Bartolomeo Cristoforis von 1720, das Keith Hill nachgebaut hat. In Deutschland kannte man diese seinerzeit ganz neuartigen Claviere nur dem Prinzip nach; die von Silbermann gebauten sächsischen Instrumente besitzen eine andere Mechanik. Insbesondere die Messingsaiten des italienischen Modells schienen Robert Hill für die empfindsamen Gesten der Musik Wilhelm Friedemanns geeignet. In der Tat verhält sich die subjektive, oft improvisiert anmutende Musik zu den komplexen kontrapunktischen Organismen von Bach Vater geradezu komplementär. Dabei zeigt sich Wilhelm Friedemann vor allem in der planvollen Anordnung seiner 12 Polonaisen von den Inventionen und Sinfonien seines Vaters beeinflusst – es waren eben diese Stücke, die ihm als finger- und satztechnische Studienstücke von seinem Vater auf die noch kindlichen Hände komponiert wurden.
Der älteste Bach-Sohn investiert jedoch viel stärker in individuelle Ausdrucksfiguren, für die er sich oft kühner harmonischer Fortschreitungen bedient, die die chromatischen Vieldeutigkeiten der Spätromantik vorwegnehmen. Die knapp eineinhalb Minuten dauernde Polonaise Nr. 4 könnte sogar glatt von Anton Webern ersonnen sein. Gerade relativ freie Formen der Polonaise oder der Fantasie boten Wilhelm Friedemann für solche Extremlösungen ideale Möglichkeiten.

Hill bringt mit seiner empfindsamen, unforcierten Lesart die eigenwillig und schwerelos zwischen den Zeiten und Stilen mäandernde Musik gut heraus, auch wenn ich mir manchmal einen etwas kräftigeren Klang gewünscht hätte. Hier und da – vor allem bei schnellen Passagen - stößt Cristoforis Instrument dann doch an seine mechanischen Grenzen. Auf dem Cembalo dürften dagegen viele Stücke wegen ihres ausgedünnten Satzes zu „leer“ klingen, auf den späteren Klavieren zu schwer. So gesehen ist Hills Entscheidung genau richtig.



Georg Henkel



Trackliste
1Polonaise No. 1 in C-Dur2:41
2Polonaise No. 2 in C-Moll3:24
3Polonaise No. 3 in D-Dur3:55
4Polonaise No. 4 in D-Moll1:23
5Polonaise No. 5 in Es-Dur3:40
6Polonaise No. 6 in Es-Moll5:28
7Polonaise No. 7 in E-Dur3:30
8Polonaise No. 8 in E-Moll3:24
9Polonaise No. 9 in F-Dur1:51
10Polonaise No. 10 in F-Moll4:58
11Polonaise No. 11 in G-Dur3:37
12Polonaise No. 12 in G-Moll3:33
13Sonata in D-Dur, F. 3 I. Un poco Allegro5:08
14Sonata in D-Dur, F. 3 II. Adagio6:02
15Sonata in D-Dur, F. 3III. Vivace6:48
16Fantasia in A-Moll, F. 233:08
Besetzung

Robert Hill, Fortepiano nach Christofori


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