15 Jahre THE TEA PARTY – Ein Blick zurück auf die Hinterlassenschaft der kanadischen Band
Kanada, innovative und einfallsreiche Musik, ein Trio, welches klingt als wären doch mehr als nur sechs Hände zu Gange. Der fachkundige Musikhörer denkt vielleicht gleich an Rush. Aber nördlich der Vereinigten Staaten gibt es auch die Band The Tea Party auf welche all dies zutrifft. Oder mittlerweile eher gab. Denn nach 15 Jahren Bandgeschichte fand selbige im Oktober 2005 ihr Ende. Über 15 Jahre und acht Studiowerke haben Jeff Martin (v, g), Stuart Chatwood (b, key) und Jeff Burrows (dr) der Welt absolut wunderbare und einzigartige Musik geschenkt.
1990 nahmen die Dinge in Windsor, Provinz Ontario, ihren Lauf, als die drei Schulfreunde nach ein paar Jamsessions The Tea Party aus der Taufe hoben. Mit der Zeit entstand ein rockmusikalisches Gebräu das zu großen Teilen Elemente aus Blues und vor allem aus der Musik des mittleren Ostens enthielt. Speziell Letzteres klang umso authentischer, da die Band hierfür sehr oft traditionelle Instrumente aus verschiedenen Teilen der Welt verwendete. Dadurch hob man sich wohltuend von der gleichzeitig aufblühenden Indierock- und Alternativeszene ab. Aber nicht nur die Instrumentierung ließ aufhorchen. Auch das Songwriting fiel durch vertrackte Melodien, hypnotische Psychedelic-Einflüsse und verspielte Arrangement auf. Unterstützt wurde dies zusätzlich durch den emotionalen und fast magischen Gesang von Jeff Martin, der aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes und der Intensität immer wieder mit Jim Morrison von The Doors verglichen wurde. Dabei stand The Tea Party musikalisch viel eher ihren Vorbildern Led Zeppelin nahe und wurden von Jimmy Page des Öfteren als eine moderne Form des bleiernen Zeppelins bezeichnet. Textlich beschäftigte sich die Band sehr mit persönlichen und philosophischen Dingen. In den Songs von Jeff Martin finden sich immer wieder Einflüsse aus Büchern von Personen wie z.B. Tom Cowen, Aldous Huxley, Aleister Crowley oder William S. Burroughs
Nachdem die Band die erste Zeit damit verbrachte einen eigenen Sound und eine Richtung zu finden, entstanden mit der Zeit zahlreiche Songs welche man als Demos aufnahm um bei verschiedenen Plattenfirmen vorstellig zu werden. Ein erwünschter Plattenvertrag kam nicht zu Stande und so entschlossen sich die drei 1991 ihre gesammelten Werke (welche heute übrigens ziemlich Lo-Fi klingen) zu einem Album zusammenzufassen und auf eigene Faust in einer Auflage von 3.500 Stück zu veröffentlichen. Heute ein begehrtes und zu hohen Preisen gehandeltes Sammlerstück. Diese von den Fans als Independent Album bezeichnete CD enthielt bereits einige Stücke welche noch Jahre später im Liveprogramm der Band zu finden waren. Hierauf kommt der Blues- und Hendrix-Einfluss noch besonders zur Geltung, was in späteren Jahren nicht mehr so stark der Fall war.
Während des Grungehypes Anfang der 90er Jahre wurden Bands, deren Musik einen melancholischen Touch besitzt, im Dutzend von großen Labels unter Vertrag genommen. Im Zuge dessen fand auch The Tea Party beim Major EMI ein zu Hause. 1993 erschien dann das von der Band selbst produzierte Major-Debüt Splendor solis. Hierfür wurden neben komplett neuen Song auch die Highlights des Indiealbums neu aufgenommen. Splendor solis hatte einen sehr naturbelassenen und organischen Sound, in dem zahlreiche Akustikgitarrensequenzen und in geringem Maße elektronische Effekte ihren Platz fanden. In Vergleich zu späteren Alben kann diese CD regelrecht als puristisch bezeichnet werden. Mit ersten Hits wie „Save me“ oder „Midsummer day“ war das Album ein wichtiger Grundstein für die weitere Karriere der Band. Eine Doppelplatin-Auszeichnung in ihrem Heimatland unterstreicht dies.
Zahlreiche Touren schlossen sich an. Im Jahre 1995 meldete man sich dann wieder an der Veröffentlichungsfront mit The edges of twilight zurück. Ein Album welches guten Gewissens als ihr Meisterwerk bezeichnet werden kann. Jeder einzelne Song ist ein Hit und es gibt darauf keine Schwachpunkte. Während beim Vorgänger noch eine Band auf der Suche nach ihrem Stil zu hören war, hatte man diesen hier gefunden. „Edges of twilight“ weist auch den stärksten Ethnoeinfluss aller ihrer Veröffentlichungen auf. Die Tea Party nahm den Hörer z.B. mit auf einen türkischen Bazar („The bazaar“), machte mit ihm Ausflüge in die Straßen von Indien („Inanna“), schauten auch einmal in Marokko vorbei („Sister awake“) und entführte einen aber auch in die Sümpfe von Louisiana für eine Blues-Session („Turn the lamp down low“). Um dies zu erreichen wurden über 30 verschiedene, teils sehr exotische, Instrumente für die Aufnahmen verwendet, die alle von der Band selbst gespielt wurden. Besondere Highlights sind unter anderem die epische Ballade „Correspondences“, das schwer rockende „The bazaar“ und vor allem DER Tea Party-Titel schlechthin: „Sister awake“. Ein Song der alle Merkmale der Band auf einmal enthält.
Da The Tea Party 1996 kurz vor ihrem großen Durchbruch stand, wollte man die Zeit bis zum nächsten Album mit der Veröffentlichung der EP Alhambra überbrücken. Darauf zu hören waren vier Akustikversionen von The Edges of twilight-Titeln, eine von Elektrospezialist Rhys Fulber (Front Line Assembly, u.a. Produzent von Fear Factory) remixte Version von „Sister awake“, sowie der neue Song „Time“. Diese wunderschöne Ballade entstand zusammen mit dem englischen Songwriter und Freund der Band, Roy Harper, welcher zugleich den Gesang darauf übernahm. Die Band hatte sich noch etwas Schönes für Alhambra ausgedacht. Und zwar befindet sich ein 47-minütiger Multimediateil, in dem die Band in verschiedenen Videos ihre reichhaltige Instrumentensammlung vorstellt und Kommentare zu ihren Songs abgibt, auf dem Datenträger. Leider ist es auf modernen CDs nicht mehr möglich diesen so einfach zu starten.
Ein Jahr später war es an der Zeit für das nächste reguläre Studiowerk. Das Jahr 1997 stand ganz im Zeichen von Transmission. Da der Band der Rhys Fulber-Remix von „Sister awake“ auf Alhambra sehr gut gefallen hatte, wollte sie erstmals mit ihm einen externen Produzent für eine CD engagieren. Nachdem Fulber erste Demos von den neuen Songs zu hören bekam, lehnte er dankend mit der Begründung ab, dass er daran nichts mehr verbessern könne. Auf Transmission haben sich The Tea Party dem Zeitgeist etwas angepasst und verstärkt Elektronik (z.B. Loops, Sequenzer oder industrialartige Gitarrensounds) in ihren Songs eingesetzt und mit ihrem originären Sound vermischt. Heraus kam dabei ein schweres und düster klingendes Werk, welches auch heute noch erstaunlich frisch klingt. Stellenweise wurden Erinnerungen an Nine Inch Nails wach. Bestes Beispiel für diese neue Richtung ist gleich der heftige Opener „Temptation“. Aber nicht alles funktionierte so gut. Mit „Babylon“, einem fast nach Tanztempel klingendem Stück, schoss man etwas über die Ziellinie hinaus. Im Gesamten war Transmission ein mutiges, aber auch sehr gutes, wenn auch anfangs gewöhnungsbedürftiges Album. Neben vielen rockigen Stücken enthält die CD wieder viele tolle Balladen, von denen besonders die Meganummer „Psychopomp“ heraus sticht.
Nach dem ziemlich experimentellen Ausflug Transmission orientierte sich die Band abermals neu und präsentierte 1999 mit TRIPtych ein Album auf dem alle ihre Stärken gesammelt zu finden sind. Reste der Elektrophase („Touch“), weltmusikalisches („Samsara“), traumwandlerische Balladen („Taking me away“), sowie geradlinige Rocksongs („A slight attack“). Wobei die melodiösen und ruhigeren Songs überwiegen und das Album im Großen und Ganzen nicht mehr so melancholisch wirkt. Das kam nicht überall gut an und das Trio musste einiges an Kritik einstecken. TRIPtych enthält allerdings auch zwei der besten Rock/Weltmusik-Fusionen die The Tea Party je aufgenommen haben. Namentlich „Samsara“ und „The halcyon days“. Zudem ist mit „Heaven coming down“ die ersten Nr. 1-Single der Bandgeschichte auf dem Album zu finden. Dies macht TRIPtych zu einem weiteren mehr als empfehlenswerten Album. Vor allem wenn man die heute seltene Touredition, die speziell in Europa veröffentlicht wurde, bekommen kann. Dieser lag eine Bonus-CD mit einigen tollen „Live im Studio“-Aufnahmen, einem weiteren Rhys Fulber-Remix, sowie drei raren B-Seiten bei.
Den Jahrtausendwechsel hielt die Plattenfirma von The Tea Party für einen guten Zeitpunkt eine kleine Rückschau, der unter dem Namen Tangents in die Ladenregale gestellt wurde, herauszubringen. Da es sich dabei nur um eine übliche Singles-Zusammenstellung handelt, ist diese CD nicht wirklich essentiell. Fans finden darauf lediglich eine Coverversion von „Paint it black“ der Rolling Stones, die beiden B-Seiten „Lifeline“ und „Waiting for a sign“ (beide auf der Touredition von TRIPtych enthalten), sowie den neuen Song „Walking wounded“. Dieser ist allerdings auf dem später folgenden Studiowerk erneut zu finden. Kurz nach Tangents erblickte die erste und einzige DVD der Band, Illuminations, das Licht der Welt. Leider bekam man keinen Livemitschnitt, wie man es sich vielleicht gewünscht hätte, sondern nur eine Zusammenstellung der bis dahin aufgenommenen Videoclips zu sehen.
Wirklich neuen Stoff gab es erst wieder 2001 mit The interzone mantras. Auf diesem Album gingen Tea Party etwas basischer zu Werke als bei den beiden Alben davor. Die exotischen und elektronischen Elemente wurden auf ein Mindestmaß zurückgefahren. Dafür sind auf einigen Liedern klassische Streicher („Soulbreaking“) und Bläser („Interzone“) zu hören. Das Ziel für die CD war, mehr dynamische Songs zu schreiben, die auf der klassischen Rock-Instrumentierung Gitarre, Bass und Schlagzeug basieren. Dieses Album ist verglichen mit dem relativ hellen Vorgänger eine Rückkehr in etwas dunklere Tiefen. Von der Stimmung her wäre es am ehesten mit einem von allem Elektroballast befreiten Transmission zu vergleichen. Besondere Anspieltips sind außer den oben genannten Songs unter anderem „Requiem“, „Mantra“ und das sich direkt auf den 1997 verstorbenen pakistanischen Sänger Nusrat Fateh Ali Khan beziehende „Must must“ (dessen 1990er CD trägt den fast gleich lautenden Titel Mustt Mustt). The interzone mantras ist ein sehr gutes Album und macht sich prima neben den von Jeff Martin so geliebten The edges of twilight und Transmission.
Zwischen dem achten und letzten Album Seven circles und seinem Vorgänger liegt die längste Aufnahmepause die es in der Geschichte von The Tea Party gab. Drei Jahre waren vergangen als es 2004 in Kanada veröffentlicht wurde. Die CD wurde Steve Hoffmann, dem langjährigen Manager und Förderer der Band, gewidmet, welcher während der Aufnahmesessions einem Krebsleiden erlag. Der Song „Oceans“ wurde speziell für ihn geschrieben. Im Fan-Lager der Band wurde Seven circles sehr konträr aufgenommen. Viele mochten es, andere dagegen konnten sich mit der neuen fast fröhlich klingenden Ausrichtung überhaupt nicht mehr identifizieren. Seven circles fuhr sehr forciert auf einer etwas kommerzielleren und in Richtung Mainstream schielenden Richtung. Auf der CD befinden sich fast ausschließlich sehr geradlinige Rocksongs. Hier arbeite die Band auch erstmals mit außenstehenden Produzenten und gab damit ihre Songs etwas aus der Hand. Unter anderem wurden drei Songs zusammen mit Bob Rock (u.a. Mötley Crüe, Metallica) erarbeitet. Dies kam, wie heute bekannt ist, mehr durch äußeren Druck auf die Band, als durch den innigen Wunsch etwas Derartiges zu verwirklichen. Aber um das Album in ein nicht zu schlechtes Licht zu stellen muss gesagt werden, dass Seven circles keine wirklich schlechten Songs enthält. Nur klang alles im Vergleich zu früheren Werken nicht mehr wirklich aufregend und die Magie der Band ging etwas verloren. Von vielen wird Seven Circles heute als ein Tea Party-Einstiegsalbum bezeichnet. Doch der Erstkontakt mit der Band könnte durch dieses Album auf eine etwas falsche Fährte führen.
The Tea Party waren in ihrer Heimat Superstars und heimsten eine Gold- und Platinauszeichnung nach der anderen ein. Auch in Australien feierte die Band riesige Erfolge. Nur in Europa hatte die Band seit jeher einen Insiderstatus inne und wurde leider nie übermäßig bekannt (ebenso in den USA). Vielleicht auch, da The Tea Party in unseren Breitengraden äußerst selten live zu sehen waren, während sie in den beiden genannten Ländern sehr extensiv getourt sind. Dies war wohl auch der Grund, dass Seven circles erst mit über einem Jahr Verspätung beim deutschen Label InsideOut am 30. September 2005 erschien. Die einzelnen Mitglieder der Band hatten zu dieser Zeit einige persönliche Probleme zu bewältigen. Das führte dazu, dass Hauptsongschreiber Jeff Martin einen Monat später offiziell den Ausstieg aus der Band bekannt gab. Das Schicksal von The Tea Party schien somit nach 15 Jahren gemeinsamen Musizierens besiegelt. Und es sieht momentan ganz danach aus, als bliebe das auch so. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Einen Verlust für die Musikwelt stellt die Trennung der Band auf jeden Fall dar.
Was gibt es sonst noch zu sagen? Jeff Martin zog nach seinem Ausstieg nach Irland um und nahm dort sein erstes Soloalbum Exile and the kingdom auf, mit welchem er in den alten Einzugsgebieten der Band auch recht erfolgreich war und viele Konzerte spielte. Von Schlagzeuger Jeff Burrows war musikalisch dagegen nicht so viel zu hören. Lediglich für einen kanadischen Film der Comedytruppe Trailer Park Boys nahm er mit anderen Musikern (u.a. Mitglieder von Rush) eine Coverversion des Oldies „I fight the law“ auf. Bassist Stuart Chatwood dagegen schreibt und nimmt seit einigen Jahren bereits Soundtracks für Computerspiele auf. So ist die Musik der letzten paar „Prince of Persia“-Spiele von ihm. Gerüchten zufolge sollen Burrows und Chatwood zusammen mit anderen Musikern eine neue Band gegründet haben. Offizielle Informationen hierzu gibt es allerdings leider noch nicht. Aber für die Zukunft bleibt es spannend.
Ein Interview mit Jeff Martin über sein Leben nach The Tea Party gibt es hier zu lesen.
Mario Karl
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