Verdi, G. (Chailly)
Don Carlos (DVD)
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Info |
Musikrichtung:
Oper
VÖ: 02.09.2005
Opus Arte / Naxos (2 DVD (AD: 2004, live) / Best.nr. OA 0932 D)
Gesamtspielzeit: 199:00
Internet:
Opus Arte
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ROLANDO VILLAZÓN SETZT MASSTÄBE
In klaustrophobischer Enge, produziert durch eine alles umschließende weißgraue Marmorgruft der verstorbenen Herrscher, präsentiert sich das Bühnenbild dieser gefeierten Amsterdamer Aufführung aus dem Jahre 2004. Alle Figuren der schiller´schen Vorlage erweisen sich als Gefangene eines starren, kalten Herrschaftssystems, in dem das Aufbegehren des Infanten Carlos gegen seinen übermächtigen Vater von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Sein freiheitsliebender Geist, seine echten Gefühle haben in dieser Welt keinen Platz. Die ihm vorgebetete Erlösungshoffnung wird nicht durch das christliche Kreuz samt der ihm dienenden, Unterwerfung fordernden Kirche repräsentiert. Von jenem Kreuz bekommt man hier immer wieder, übergroß, nur die gekreuzigten Füße am oberen Bildrand zu sehen. Carlos Hoffnung ist vielmehr das nur kurz zwischen all den Mauern aufscheinende Himmelsblau der Freiheit. Insofern ist hier durch Bühnenbild und Regie Verdis in Opernform gegossene Hymne an die Freiheit (des Geistes, der Gefühle und der politischen Meinung) eindrucksvoll in Szene gesetzt worden.
Nicht weniger überzeugend erscheint die musikalische Umsetzung. Hier setzt der Tenor Rolando Villazón neue Maßstäbe für die Titelpartie. Zwar verdient sein Augenrollen und Händeringen das englische Prädikat "overacting", aber dafür ist seine stimmliche Leistung überragend. Er verleiht Don Carlos eine leidenschaftliche, kraftvolle Stimme, besitzt aber ausreichend Ressourcen, um die wechselhaften Stimmungen nuanciert und ausdrucksstark darzustellen. Mit tragfähigem Ton schwingt er sich bis in die Höhen der Partie, forciert niemals unnötig und vermeidet jeden Anklang eines Heldentenors. Villazóns Carlos kämpft und leidet daher in jeder Szene glaubwürdig. Kein Wunder, dass die Mitstreiter auf der Bühne demgegenüber etwas blasser wirken. Vor allem Dwayne Croft als Carlos Vertrauter Rodrigo kann nicht ganz mithalten und bleibt im Ausdruck oft zu einfarbig. Hingegen gibt Robert Lloyd mit profundem Bassbariton einen überzeugend grimmigen, innerlich aber zerrissenen König Philipp, der schonmal auf dem eigenen Sarg probeliegend seine Einsamkeit betrauert. Herrlich böse erscheint Jaako Ryhänen als schreckenverbreitender Großinquisitor. Die Eboli verkörpert Violeta Urmana nicht nur mit Russ-Mayer-ähnlichem Dekolleté, sondern auch mit einer voluminösen, feurigen Mezzosopranstimme, während Amanda Roocroft ein zerbechliche, zurückhaltende und nicht immer intonationsfeste Elisabetta präsentiert.
Am Dirigentenpult sorgt Riccardo Chailly mit dem Royal Concertgebouw Orchestra dafür, dass dieser Verdi vielfarbig und psychologisierend erscheint, fernab von einem bloßen Bühnenspektakel, was aber nicht heißt, dass nicht auch im rechten Moment kräftig zugepackt würde - bei den dramatischen Zuspitzungen triumphiert schonmal die Wucht der Blechbläser und Bässe. Die Akustik ist auffallend trocken, die für den Livemitschnitt typischen Bühnen- und Publikumsgeräusche halten sich in Grenzen. Insgesamt ein eindrucksvolles Opernerlebnis, das man inhaltlich wie musikalisch nicht so schnell vergisst.
Sven Kerkhoff
Besetzung |
Philipp II.: Robert Lloyd Don Carlos: Rolando Villazón Rodrigo: Dwanye Croft Großinquisitor: Jaako Ryhänen Elisabetta di Valois: Amanda Roocroft Prinzessin Eboli: Violeta Urmana
Royal Concertgebouw Orchester Chor der Niederländischen Oper Amsterdam
Ltg. Riccardo Chailly
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