"Wieso ein Geschenk? Ich bin doch schon zum Gratulieren gekommen!" - Das VISIONS-FESTIVAL zum 15-jährigen Bestehen
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Ach war das schön, ach hatten wir alle Spaß, die Bands sowieso, ist die Welt nicht einfach wunderbar? Wenn man Geburtstag hat ist eben alles schön, bald nachzulesen in der neuesten Ausgabe.
Das Musikmagazin Visions hatte zur großen Party nach Stuttgart, Berlin und Köln geladen und man muss konstatieren: die Leute kamen zahlreich. Denn vom Line-up schien es nix zu Meckern zu geben: Mando Diao, Turbonegro, Life Of Agony, The Soundtrack Of Our Lives, Dredg und die wechselnden Supportacts Madsen, Muff Potter und Gods Of Blitz gaben sich die Ehre um zu gratulieren. Doch irgendwie schien es, dass irgendetwas kleines fehlte, um aus der angestrebten Geburtstagsparty eine große Festivalsause zu machen. Klar in der Hallte ist eben alles ganz anders, man sieht den Himmel nicht, die Sonne brennt einem nicht den Sonnenbrillenabdruck ins Gesicht und das vernichtete Dosenbier schwappt nicht so schön im Magen.
Trotzdem war der Tisch bereitet um Leckerbissen zu servieren. In Stuttgart begannen Muff Potter eine halbe Stunde lang und versuchten das Publikum für sich einzunehmen, das aber noch damit beschäftigt war, Tabak für umme und Würste für drei Euro zu akquirieren. Erst bei Dredg waren schon an die 5.000 Leute in der Halle und die Jungs aus Kalifornien präsentierten ihre gelungene Mischung aus Pop und Rock, aus Alternative und eingängigen Melodien ohne Attitüde und unterhielten in dieser knappen halben Stunde wirklich, auch wenn nur wenige sich in der Lage sahen, den Kopf zu bewegen. Buntes Programm bedeutet eben buntes Publikum und so standen neben den 15-jährigen geschminkten Turbo-Negro Jungs, noch kleinere Teenies mit Mando Diao-Shirt, die an den langhaarigen Metalfreunden staunend empor guckten. Bei Life Of Agony, die erst seit kurzem wieder den Weg ins Studio und zur internen Harmonie gefunden haben, setzte zum ersten Mal etwas Bewegung ein. Die New Yorker Band spielte hart und konsequent eine Stunde lang, mit den typischen Emo-Elementen, die ihrer Musik eine Struktur geben und die sie vom bloßen Geknüppel abhebt. Trotzdem natürlich nichts für zart besaitete Naturen und so ergab es sich auch gleich, dass die meisten ihr Heil eher im hinteren und mittleren Teil der Halle suchten, während vorne mit viel Spaß gerockt wurde. Ausnahmen bildeteten die eher kleingewachsenen Fans, die man bei dem Spiel „Zeig mir dein Outfit und ich sage dir was du hörst“ wohl bei Avril Lavigne oder Good Charlotte vermutet hätte und den Anspruch hatten zu rocken und solange vorne zu bleiben, bis Mando Diao den Finger ins Publikum reckten oder Turbonegro ekstatisch: „Diarrhö“ brüllten. Dies gelang den meisten nicht so ganz. Nach Life Of Agony enterten Soundtrack Of Our Lives die Bühne und spielten ebenfalls eine Stunde lang eine Mischung aus Rock und Pop, die vor allem auf ihr neues Album “Behind The Music“ zurückging. Der Frontmann Ebbot Lundberg, der trotz lautem, kräftigen Gesang immer etwas spirituelles an sich hat (jaja da reicht ein Bart und ein Kaftan schon aus), beschäftigte sich zwischen den Liedern auch mit dem Stuttgarter Publikum und hielt so die Stimmung hoch. Denn es sollte ja der Weg bereitet werden für die beiden Hauptacts, die extra aus Norwegen, bzw. Schweden gekommen waren um zu gratulieren. Turbonegro machten den Anfang und die Halle, die zuvor trotz ordentlicher Auslastung eher ruhig war, ging gleich ordentlich ab. Dazu trug vor allem bei, dass auf der einen Seite, wie schon erwähnt, die meisten Leute sich wegen Turbonegro nach Stuttgart aufgemacht hatten, auf der Anderen die Tatsache, dass Sänger “Hank von Helvete“ starken Bezug auf Stuttgart nahm, die Stuttgarter Flughafenpolizisten in einer netten Geschichte mit Prostituierten verglich und daraufhin 90 Minuten lang die Bühne beben ließ. Fast alle Songs des neuen Albmus “Party Animals“ gaben die Norweger zum Besten, stilecht mit nacktem, haariggen Bauch, Stahlhelm, Matrosenkappe und so weiter. Da dauerte es dann doch etwas bis die Leute diesen ersten Höhepunkt verkraftet hatten. Denn Mando Diao wollten ja noch den krönenden Abschluss bilden. Wo wir dann bei der Überschrift angekommen wären. Ja sie waren da, ja sie spielten die meisten Songs aus dem aktuellen Album, ja sie gaben eine Zugabe, ja es wurden noch zwei unveröffentlichte Songs präsentiert, ja die Leute gaben vor der Bühne alles um die Halle erzittern zu lassen. Was fehlte also? Ein bisschen von allem. Ein bisschen Engagement, ein bisschen Freude, dass man in Stuttgart war, ein bisschen Zeit um den Auftritt rund zu machen. Denn nach 65 Minuten und einer Zugabe verschwanden die Schweden, die locker zwei Stunden die Halle im Griff hätten haben können und zumindest Turbonegro hätten toppen können, die ordentliche 90 Minuten durchgehalten hatten. Jetzt fragt man sich: „Was will er denn wegen 25 Minuten?“ Natürlich nicht das Entscheidendste der Welt, aber um wirklich Visions zu beschenken und den Fans einen unvergesslichen Abend zu bescheren, fehlten ein paar Prozent. 40 Euro hatten die Fans auf den Tisch gelegt, nicht viel für eine Ansammlung solch hochkarätiger Bands. Aber beim Edel-Italiener soll es doch bitte schön auch überdurchschnittlich schmecken, eine Karte mit Goldumrandung reicht nicht. Zu kritisch darf man nicht sein, nicht oft bekommen deutsche Fans so viele gute Bands an einem Abend geboten. Nur nächstes mal sollen bitte alle Geschenke mitbringen und zeigen, dass es sich auch lohnt die nächste Platte zu kaufen...
Alexander Kitterer
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