Russian State Symphony Orchestra, D. Yablonsky
Einer der Grundsätze des Firmenchefs und -gründers von Naxos lautet: Wir haben immer nur eine Interpretation jedes Stücks im Katalog.
Das Label überrascht mit einer Abweichung vom Prinzip, denn den "Schwanensee" hat bereits in der Frühzeit von Naxos das Tschechoslowakische Radio-Sinfonieorchester eingespielt. Nun durfte Dmitry Yablonsky mit dem Russian State Symphony Orchestra noch einmal ran.
Das Dumme dabei ist, dass man nicht recht weiß, wieso eigentlich. Man mag über den oben zitierten Grundsatz denken, wie man will, aber jede Veröffentlichung eines schon eingespielten Stücks rechtfertigt sich immer nur dadurch, dass sie besser oder anders ist, eine gleich- oder höherwertige Alternative eben. Aufgrund jener Katalogpolitik hätte man hier also eine mehr als deutlich bessere Interpretation erwarten können.
Diese Erwartung wird enttäuscht. Besser ist in erster Linie die Klangqualität.
Ansonsten ist zwar manche Passage durchdachter und das ganze etwas vom romantisch-kitschigen Touch befreit. Das indes macht aus der Einspielung noch lange keine gelungene. Dies wird zumal in den originären Tanzsätzen deutlich. Wenn es "Alles Walzer!" heißt, wiegt sich das Orchester in einem Dreivierteltakt, der in seiner Schwerfälligkeit an einen Mississippi-Dampfer erinnert. Nichts ist von der Erkenntnis zu hören, dass der Orchesterwalzer von den Irritationen lebt, vom Bremsen und Beschleunigen, vom winzigen Vorhalt usw.
Zum Ausgleich wird die Percussion in jeder Form in den Vordergrund geschoben, offenbar in der Hoffnung, der massive Schlagwerk-Einsatz möge der Sache Pep verleihen. Er tut es selbstverständlich nicht.
Tschaikowskys Ballettmusik ist komplex und stellenweise sogar tiefgründig. Deshalb fiel das Werk im übrigen zu seiner Zeit beim Publikum durch.
Diese Einspielung indes hätten die Zuschauer von damals vermutlich goutiert, denn von der Komplexität ist nichts zu hören. Ganz zu schweigen von einer märchenhaften Stimmung oder einem musikalischen Spannungsbogen. Selbst vom schwelgerisch-tänzerischen Element bleibt wenig übrig.
So ziehen die Schwäne vorüber, man winkt ihnen nach mit der Sehnsucht im Herzen, Naxos möge eine weitere Ausnahme machen und eine dritte, dann endlich adäquate Interpretation vorlegen...
13 von 20 Punkte
Sven Kerkhoff