Beekman, Patacca, Jed Wentz / Piau, Ciolek, Ton Koopman
Das "Billig-Label" Brilliant Classics setzt seine Mozart-Edition mittlerweile schon mit Teil 21 fort. Diese CD-Box enthält zwei kaum bekannte Werke aus dem Opernschaffen des Komponisten. Die stiefmütterliche Behandlung, die sie seit jeher erfahren, dürfte auf ihre wenig bühnentauglichen Formate zurückzuführen sein: "Ascanio in Alba" ist ein Hirtenstück mit minimaler Dramaturgie und - wie damals üblich - einer endlosen Reihe von Arien, während "Zaide" sich als Versuch darstellt, dem deutschen Singspiel mit gesprochenen, die Handlung aber zum Erliegen bringenden Zwischentexten zum Durchbruch zu verhelfen.
Da beides also heute nahezu unaufführbar erscheint, muß die CD den Werken, in denen sich durchaus musikalische Perlen finden, zur Ehrenrettung verhelfen.
Jed Wentz gelingt dies beim "Ascanio" beispielhaft. Nach seiner vielgerühmten Brilliant-Einspielung von "Mitridate" eine weitere Glanztat, vor allem, was die Orchesterführung angeht. Zügige Tempi und ein transparentes Klangbild tragen dazu bei, daß das Stück nicht in Langatmigkeit versinkt, sondern das musikalische Geschehen unentwegt vorangetrieben wird.
Aus der jungen Sängerriege sind besonders Claudia Patacca als Venus und Claron McFadden als Faun hervorzuheben. Aber auch die Entscheidung, die Kastratenrolle des Ascanio nicht mit einem Altus, sondern mit einer Mezzosopranistin, hier Maaike Beekman, zu besetzen, entpuppt sich als goldrichtig. Beekman schafft es durch ausreichende stimmliche Kraftentfaltung, den Jüngling glaubhaft zu präsentieren, so z.B. in der Arie "Al mio ben".
Technisch fehlerfrei daneben Nicola Wemyss als Silvia, während Tom Allens Aceste keinen Lorbeerkranz verdient. Allzu schwach geraten ihm die Läufe und Koloraturen.
Schwach auch der Chor, jedenfalls immer dann, wenn Männlein und Weiblein sich trennen und als Hirten bzw. Hirtinnen ländliches Kolorit verbreiten sollen. Da bedauert man schnell, daß der Chor "Venga de? sommi eroi" gleich mehrfach wiederholt werden muß, klingen die Viehhüter doch so, als wüchse auf der Weide nicht Klee, sondern Hanf.
Trotz dieser kleinen Schönheitsfehler hat die Aufnahme die Nase klar vorn vor der low-budget-Alternative, die vor einigen Jahren bei Naxos erschienen ist, aber nicht annähernd so kraftvoll, farbig und spannend daherkommt.
Das leidige Problem der Brilliant-Boxen: Man muß immer mehr kaufen, als man will und schämt sich dann (trotz des Preises), den Rest einfach in die Mülltonne zu werfen. Eine Lösung die der Käufer bei der mitgelieferten "Zaide" dennoch erwägen sollte.
Einzig Sandrine Piaus schöne Stimme, mit der sie in der Titelrolle glänzen darf, mag einen davon abhalten. Im übrigen läßt schon der Eingangschor schlimmes erahnen, was sich im folgenden auch bestätigt. Schlaff, ohne ein Gespür für die dramatische Aufladung des (zugegebenermaßen nicht übermäßig spannenden) Stoffs wird jede noch so minimale Phrasierung eingeebnet. Das hätte einem erfahrenen Dirigenten wie Ton Koopman nicht passieren dürfen. Eine "Entführung aus dem Serail", würde, wäre sie in dieser Art gemacht, an jeder Kleinstadtbühne mit Buh-Rufen überzogen werden. Aber: Es ist ja nur die "kleine Schwester" der "Entführung" und die kleine Schwester, so scheint es, meint man ungeniert schänden zu dürfen. Der Rest der durchaus renommierten Sängerriege (u.a. immerhin Klaus Mertens und Paul Agnew) kommt gegen so viel musikalische Ignoranz in der Ensembleführung nicht an und versucht es auch kaum.
Hinzu kommt, daß die Zwischentexte von einem der deutschen Sprache nicht wirklich mächtigen Erzähler vorgetragen und dabei bis zur Lächerlichkeit entstellt werden.
Hier bleibt also Leopold Hagers Einspielung aus den 80er Jahren unangefochten Referenzaufnahme, auch wenn sie klangtechnisch weitaus schlechter ist, als Koopmans Interpretation
Fazit: Ein Goldstück und ein Kupferpfennig - bei 9,99 Euro, also rund 2 Euro pro CD, eine Mischkalkulation, die sich für den interessierten Käufer in jedem Fall rechnet.
Ascanio in Alba: 17 von 20 Punkte
Zaide: 10 von 20 Punkte
Sven Kerkhoff