Christiane Oelze, Melanie Diener (Sopran), Michael Bröcheler (Bartion), Rundfunksinfonieorchester Berlin, Anton-Webern-Chor Freiburg, SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Die vorliegende Einspielung dokumentiert den Einsatz des dirigierenden Pianisten-Komponisten (oder vielleicht besser: komponiereden Pianisten-Dirigenten?) Michael Gielen (geb. 1927) für die Musik des 20. Jahrhunderts, die hier vor allem durch die ‚Gründerväter' der 2. Wiener Schule repräsentiert wird: Schönberg, Berg und Webern. Als Schöpfer der Zwölfton-Musik haben die drei Komponisten Musikgeschichte geschrieben, Anton Webern gilt mit seinen spekulativen, strukturbetonten Werken als wesentlicher Anreger für die Avandgarde und die serielle Musik ab 1950.
Jenseits solcher technischer Etikettierungen kann es hier aber nur um die konkrete klingende Qualität der Einspielungen gehen. Und die ist, da mit Gielen ein kompetenter Sachwalter der Moderne am Pult der sehr engagiert und präzis aufspielenden Orchester steht, beachtlich. Eine perfekte Aufnahmetechnik sorgt dafür, daß das Klangfarbenspiel mit unerhörter Brillanz wiedergegeben wird. Wer bereit ist, sich auf die schroffen, aber hochexpressiven Dissonanzen von Berg und Schönberg oder den verdichteten Webernschen Minimalismus einzulassen, dem sei diese Einspielung empfohlen.
Gielens eigenes Werk "Pflicht und Neigung" ist mit über 25 Minuten das längste Stück auf dieser Produktion. Die Spannung zwischen Müssen und Wollen wird hier in gewalttätigen Klangballungen, mitunter aber auch in vorgeblich versöhnlichen Klängen ausgetragen, ohne daß es zu einer (Er)lösung kommt.
Fazit: Auch aufgrund der ausführlichen Booklet-Texte als Einstieg in die Musikwelt des 20. Jahrhunderts geeignet.
16 von 20 Punkte
Georg Henkel