(Nürnberger, 30.11.2002, Hirsch)
Eigentlich hätte uns die Musikansich-Spesenkasse einen einwöchigen
Luxus-Wohlfühlurlaub in der schönen fränkischen Hauptstadt spendieren können, denn
nicht mal sieben Tage nach dem genialen Sentenced-Gig waren wir wieder im
Nürnberger Hirschen zu Gast um euch von einem weiteren interessanten Konzert zu
berichten.
In den Genuss der Todesbleigiesser von GRIFFIN kamen wir diesen Abend aus
verkehrstechnischen Gründen leider nicht, aber pünktlich zum Intro von SINERGY
befanden wir uns mit bester Sicht zur Bühne in einer der vordersten Reihe, wo
wir miterlebten das den Finnen nach dem Opener "The Bitch Is Back" alles
andere als ein warmer Empfang seitens des Publikums bereitet wurde, was daran
beobachtet werden konnte das genau eine Person seinen Emotionen freien Lauf
lies und frenetisch applaudierte. Frontfrau Kimberly nahm dies zum Anlass den
Fan beim Namen vorzustellen und widmete "Siggi" den nächsten Song, worüber der
sich unser Freund verständlicherweise freute wie ein Schneekönig. Was war der
Grund für diese anfänglich begräbnisartige Stimmung im Publikum ? Vielleicht
der zu Beginn des Sets fast unterirdischen Sound, vielleicht die teilweise
arroganten Kommentaren der pfundigen Frontfrau oder vielleicht haben es einige
Fans einfach dem MAS-Schreiberling gleichgetan und waren noch zu erschöpft
von ihren samstäglichen Partyaktivitäten. Auf jeden Fall steigerte sich die
Stimmung und der Sound im Laufe des Gigs noch auf ein erträgliches Mittelmass
und Children of Bodom-Gitarreo "Wildchild" Laiho beim seinem virtuosen
Gitarrenspiel zu bewundern entschädigt schon für einige unerfüllte Hoffnungen. Die
Neulinge an der Gitarre No 2. und am Bass fügten sich hervoragend ins
Bandgefüge ein und durften sogar beim recht aussergewöhnlichen Backgroundgesang ihren
Teil zum Besten geben, der bis auf den Song "Beware The Heavens", bei dem
man die gewaltigen Chöre nicht einfach durch Gegrunze ersetzen konnte, auch
irgendwie recht kultig passte. Ein Teil der anwesenden Personen machte sich
einen Spass daraus in den immer noch relativ ruhigen Pausen zwischen den Songs
irgendwelche finnischen Vokabeln herumzugröhlen, die auch prompt von den
Hauptdarstellern kommentiert wurden. Ein Dank meinerseits für diesen
Finnisch-Kurs-für-Anfänger und für die netten neuen Schimpfwörter die ich wieder mal
gelernt habe und bei entsprechender Gelegenheit einzusetzen weiss.
Den musikalischen Höhepunkt bildete der letzte Songs des offiziellen Sets "I
spit on my grave", der von Kimberly-Ehemann Alexi mit dem von einigen Fans
geforderten "Orginal-Intro" (ein nettes grünes, schleimiges Etwas aus dem
innersten von Mr. Laiho, das es sich anschliessend irgendwo auf der Bühne
gemütlich machte) eingeleitet wurde. Danach war anscheinend Schluss, doch nach
eingen Minuten kam die Band wieder unerwartet auf die Bühne zurück und zockte für
die wie es Mrs. Goss ausdrückte "Ein Prozent die eine "Zugabe" gefordert
haben" den Titeltrack ihres aktuellen Albums. Recht seltsamer, wenn auch nicht
unbedingt schlechter Gig der Nordländer und Respekt an Typ in der ersten Reihe
der sich trotz (oder gerade wegen) der Schlammschlacht zwischen "Sinergy" und
"Primal Fear" mit einem Shirt dieser Band kleidete. Nur fürs Protokoll, er
hat es überlebt...
Nach einer ellenlangen Welttournee durfte man gespannt sein mit welcher
Motivation und vor allem in welcher Verfassung sich die Schweden von DARK
TRANQUILLITY auf deutschen Bühnen präsentieren. Doch alle Zweifel waren im Nu
verflogen, als die Truppe nach der Umbauphase sichtlich gut gelaunt mit dem
"Pommesstäbchen"-Gruss die Bühne des Nürnberger Hirschen enterte. Nett anzusehen war
auch der grosse Dark Tranquillity-Schriftzug hinter dem Drumkit, der durch
einen Schwarzlichteffekt in den unterschiedlichsten Farben leuchtete, sowie
jede Menge Scheinwerfer, die den stimmungsvollen Songs der Jungs sozusagen das
I-Tüpfelchen an Atmosphäre aufsetzten. Am Verhalten des Publikums wurde
gleich deutlich wegen welcher Band die Leute sich an diesem Sonntag Abend in den
Nürnberger Süden aufmachten, denn die Menge schüttelte ihre Haarpracht bzw.
feuerte die Band bei den genialen ruhigen Songfragmenten automatisch durch
Klatschen oder "Hej,Hej,Hej."-Rufen an. Dark Tranquillity bot den Zuschauern
ein bunt gemischtes Programm, bei dem natürlich der Schwerpunkt auf den Songs
des aktuellen Albums "Damage Done" lag, die nach meiner Rechnung gleich sieben
Mal vertreten waren. Der Sound der Truppe erreichte fast CD-Niveau, was bei
dieser Art von Musik natürlich äussert wichtig ist um die vielschichtigen
Songstrukturen nachvollziehen zu können. Um zu fesseln brauchten die Göteburger
im Gegensatz zu ihren Nachbarn InFlames weder weisse Hemden noch eine
Sternchenbeleuchtung, denn die Band kam ohne grossen Firlefanz fast so frisch und
natürlich wie in ihren Anfangstagen rüber, woran der sympathische, zu allen
Stücken charismatisch gestikulierende Frontmann Mikael Stanne einen
riesengrossen Anteil hatte. MelodicDeath-Metal at his best, dessen Stimmungsgipfel "Hours
Passed In Exile" vom neuen(!) Longplayer darstellte. Nichtmal kleine
technische Probleme konnten die Schweden stoppen und so forderten der Hirsch nach
dem offiziellen Set ein paar Extrawürste, die auch prompt in Form eines starken
Zugabensets, das mit "Final Resistance" endete, heiss und fettig serviert
wurde. Tja, kleiner Schönheitsmangel für mich war wohl das das endgeniale
"Cathode Ray Sunshine" einfach von den bösen Buben übergangen wurde, aber wer
nicht mehr jammern kann, dem geht es wohl zu gut. Während die Band ihre Plektrums
bzw. Drumsticks in die Menge warf und jede Menge Hände schüttelte, sah man
die Musikansich-Fraktion schon Richtung Merchandising-Stand flitzen um sich
ein Tourshirt zu sichern, was wohl aussagt das das Konzert gut war..... Sehr
Gut sogar !!!
Internet:
www.sinergy.org
www.darktranquillity.com
Manuel Liebler