Da ist sie also, die langerwartete Raritäten-Zusammenstellung des Orchesters
des Schreckens. Dem Titel gemäß finden sich auf dieser CD 13 Songs, die
allesamt von diversen Demo-Tapes stammen, sowie zwei auf dem allerersten
Liveauftritt 1997 mitgeschnittene Stücke.
In Zeiten, in denen Samsas Traum noch das Nebenprojekt zu Kazanian war und
Alexander Kaschte selbst die Musik noch als "New wave of morbid romanticism"
bezeichnete, führen Songs wie "Sie starb im Sommer", aus dem später
"Thanathan und Athanasia" werden sollte, und das von einem an eine
Beschwörung erinnernde durchgängigen Sprachsample gemahnende "Herbst und Tod",
welches als "Ode an Epiphanie" auf dem zweiten regulären Album mit Gesang
versehen und von einem herrlichen Saxophonsolo gekrönt kaum mehr
wiederzuerkennen war. Und auch wenn die Musik, die sich hier aus den
Nebelschwaden der Vergangenheit hebt, nicht viel mit dem zu tun hat, was
Samsas Traum heute ausmacht, so lässt sich schon anhand der frühen, rein
instrumentalen und fast ausschließlich von dominanten
Keyboard- und Synthesizerklängen getragenen Klänge erkennen, welches kreative
Potential von Anfang an in diesem Projekt steckte und welch talentierter
Songwriter Alexander Kaschte ist. Überraschend gut funktionieren auch die aus
ihrem inhaltlichen Kontext gelösten Instrumentalversionen von Nummern wie
"Tragische Trauertränen" und "Die Vernichtung des Gabriel". Die Nähe der
Kompositionen zu klassischer Musik wird in diesen Fassungen deutlich und wer
um den später hinzugefügten Text weiß, sieht sich allein durch die
mitreißenden Tempowechsel mitten hineinversetzt in den Kampf der
Himmelswesen, deren Flügel im ungestümen Kampf um die Wette schlagen.
Recht nahe an den endgültigen Tracks liegen die Demoversionen des
"Einblick in ein elitäres Debut-Album"-Tapes. Lediglich die Produktion
rumpelt in bester Undergroundmanier gehörig vor sich hin, während gerade
seitens der damaligen Sängerin Simone Stahl noch einige schiefe Passagen zu
vernehmen sind.
Zu Guter letzt wird eine doch noch sehr traditionell schwarzmetallisch
anmutende Live-Präsentation von "Das Ende krönt das Werk" geboten, welche
nach einer Eingewöhnungsphase durchaus zu gefallen weiß und in ein lärmendes
Outro übergeht, das nach stattlichen 73 Monaten den Vorhang zuzieht und den
gebannten Hörer aus dieser wunderschönen Reise in die Vergangenheit
entlässt.
Hierfür eine angemessene Wertung zu finden, ist nicht leicht. Der Sound der
Aufnahmen ist teilweise bescheiden und die - für den damaligen
Entwicklungsstand sehr gute - Musik ganz einfach nicht mit denselben
Maßstäben zu messen wie die heutigen Samsas Traum-Alben. Wer mit denen nichts
anfangen kann, wird "Nostalgia" hassen, so viel ist sicher. Für Fans und
Interessierte hingegen ist Reinhören Pflicht und wer bereit ist, sich von
eher minimalistischen und unausgereiften, dennoch bereits prachtvollen und
von dem Großen, das noch kommen sollte, zeugenden Klängen erfreuen zu lassen,
sei ebenfalls herzlich auf einen nostalgischen Trip eingeladen.
Thorbjörn Spieß
14 von 20 Punkte