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Musik an sich
 
Aereogramme - A Story In White
bereits erschienen (Chemikal Underground Records / Zomba)
Emo
 

Aereogramme bereiten der begeisterten Hörerschaft mit einem der aufregendsten Debüts des Jahres 2001 einen Seelentrip, der seinesgleichen sucht. Auf einen Stil lassen sich die drei Glasgower nicht festlegen. Emocore noch am ehesten, aber auch das trifft es nur unzureichend. Noiserock und klassische Einflüsse sind ebenso vorhanden.

Das Album ist ein Wechselbad der Gefühle - und der Instrumentierung. "Sunday 3:52" beispielsweise setzt sich zum größten Teil aus Streichern zusammen. Im direkten Anschluss daran, wird das aber durch den Hardcore-Kracher "Shouting For Joey" sofort wieder relativiert, nur um im nächsten Song "A Meaningful Existence" wiederum ein Klavier anfangs in den Vordergrund zu stellen.

Doch gerade die Stilbrüche machen "A Story In White" zu einem mitreißenden Hörerlebnis. In beängstigender Manier gelingt es Aereogramme, mit ihrer großartigen Virtuosität den Hörer an ihre Musik zu fesseln. Schon nach dem zweiten Song "Post Tour, Pre Judgement" stellt sich ein gefährliches Suchtpotential nach noch mehr Emotionalität und gleichzeitig Härte ein. Eingeführt durch eine melodische Gitarrenpassage mit gefühlvollem Gesang, baut sich eine immer bedrohlichere Spannung auf, bis sie plötzlich an unerwarteter Stelle zusammenbricht. Wie ein plötzlicher Wutanfall wird der eben noch zarte Gesang zum Geschrei und die zerbrechliche Gitarre zur Waffe. Man fühlt sich zwischen den zerrissenen Songs förmlich gefangen und von einem Extrem ins andere versetzt. Aereogramme scheinen als versuchten sie, ihre eigene Wut zu kontrollieren, sie aber nicht dauerhaft unterdrücken zu können.

Dies setzt sich ähnlich über einige Songs fort und fördert kleine Meisterwerke wie den Opener "The Question Is Complete" ans Licht. Doch jeder Song in sich hebt sich vom Rest ab. Sei es durch die ausgeklügelte Rhythmik oder den sehr variablen Sound mit stellenweise elektronischen Elementen. Das monumentale "Egypt" kann sogar ein leichtes Déjà-vu-Erlebnis mit den heiligen Radiohead bewirken. "Zionist Timing" erinnert hingegen zu Beginn mit seinen Riffs stark an Blackmail. Wie sehr Aereogramme auch den Hörer mit Eindrücken und Klangbildern überhäufen, es will sich einfach keine Sättigung einstellen. Das mag sich ziemlich experimentell anhören und ist es auch, aber trotz seiner Vielschichtigkeit ist das Album erstaunlich zugänglich. Ausklingen lassen es Aereogramme bei "Will You Still Find Me?" mit ruhigen Gitarren und einer schwebenden Melodie, die schmerzlich daran erinnert, dass es auch eine Welt außerhalb dieser wunderbaren Platte gibt.

Führen Aereogramme ihren mit diesem Album beschrittenen Weg konsequent weiter, so besitzen sie zweifelsohne das Potential dazu, ganz groß zu werden. Für mich mit das vielsprechendste und beste Debüt 2001.

17 von 20 Punkten

Tim Orth

 

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