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Musik an sich
 
Leopold Kozeluch / Kozeluh (1747-1818): Symphonien - Concerto Köln
bereits erschienen (Teldec)
Wiener Klassik
 

Wer?! Kozeluch? Jemand, dessen Namen nahezu unaussprechlich ist (richtig wohl: "Koscheluch") und den die Geschichte vielleicht zu Recht der Vergessenheit anheim fallen ließ, ein "kleiner Geist und minderer Kollege Mozarts" (W. Hildesheimer) - muss man dessen Werke denn einspielen?

Wenn man es so macht, wie das Concerto Köln, gibt es kurz gesagt nur eine Antwort: Man muss!

Nicht zuletzt deshalb, weil das Urteil über diesen Zeitgenossen Mozarts, der gleich ihm in Wien wirkte, zu Lebzeiten ein gänzlich anderes war: "Kozeluchs Arbeiten erhalten sich und finden allenthalben Eingang, dahingegen Mozarts Werke durchgehends nicht so ganz gefallen", heißt es in einem Bericht aus dem Jahre 1788. Grund genug also, neugierig darauf zu sein, was denn damals solchen Anklang gefunden haben mag.

Im Vergleich zu Mozart, um noch einen Moment bei dem Gedanken zu verweilen, wird deutlich, was dessen Musik so einzigartig macht: Auch im häufig zunächst heiter scheinenden Dur verbirgt sich bei ihm immer eine andere, kaum benennbare Ebene, die dann und wann durchschimmert, die erahnen lässt, dass es um mehr geht, als um pure Unterhaltung und Publikumsbelustigung. Brechungen eben, die Interesse wecken.

Bei Kozeluch hingegen bleibt das meiste eindimensional. Nicht, dass es an originellen Einfällen, an differenzierter, farbiger Orchestrierung fehlte, doch dient all dieses stets nur der Erschaffung einer schönen Oberflächlichkeit.

Andererseits: Wir erfreuen uns einer hübschen Fassade ja in vielen Fällen recht gern ohne Rücksicht darauf, ob mehr dahinter steckt - wieso nicht in der Musik? Es mag eben diese Freude sein, die das zeitgenössische Urteil über Kozeluch begründete.

Die ausgewählten Symphonien sind jedenfalls bestens geeignet, einen Überblick über die Vielseitigkeit und den Ideenreichtum des Komponisten zu geben.

Die C-Dur-Symphonie ergeht sich ganz in Prachtentfaltung und Galanterie, das thematische Material bleibt in seiner Entwicklung stets absehbar. Etwas vielseitiger stellt sich da schon die Symphonie A-Dur (als einziges der Werke keine Weltersteinspielung) dar. Diese bleibt zwar trotz ihres Untertitels "à la française" insgesamt noch im üblichen Wiener-Stil der Zeit verhaftet, doch hebt manche lyrische Passage sie angenehm aus dem üblichen Einerlei heraus.

Spannend und z.T. abseits des Gewohnten dann die D-Dur-Symphonie. Im Eingangssatz auf eine Ballettpantomime zurückgehend, offenbart sie die Nähe zum Theaterbetrieb durch dramatische Einwürfe, überraschende Wendungen und zwingt somit weit mehr dazu, die Ohren zu spitzen und sich nicht der puren Unterhaltung zu überlassen.

Die Symphonie B-Dur schließlich dürfte das Wiener Publikum irritiert haben. Sie trägt ganz zu Recht den Titel "L´irresoluto" - "Der Unentschlossene". Die musikalischen Linien verlieren sich immer wieder in einem komplexen Dickicht verschiedenartigster Ansätze, selbst am Schluss wird nicht so aufgelöst, wie es den Hörgewohnheiten entspricht; die Unentschlossenheit lässt uns irgendwie unbefriedigt zurück. Dabei sind sogar thematische Kühnheiten zu bestaunen, wie etwa eine Melodie in den Streichern, die fatal an Bizet erinnert. Insgesamt sicher das erstaunlichste der vier Stücke.

Das Concerto Köln spielt mit einem häufig geradezu tänzelnden Duktus und insgesamt in gewohnt flirrender bis feuriger Manier. Dadurch gewinnen auch die schwächeren Stellen der Werke ausreichend Farbigkeit, um nicht zu langweilen. Kaum auszudenken, wie es einem erginge, brächte ein x-beliebiges Symphonieorchester (und damit habe ich nichts, aber auch gar nichts über die Bamberger Symphoniker gesagt) die Werke so komprimiert zu Gehör.

Aber das ist eben das Verdienst dieses Ensemble, dass es das uns Unbekannte nicht einfach nur der Vergessenheit entreißt. Vielmehr wird nachvollziehbar gemacht, warum diese Musik einst geschätzt wurde und es wird gezeigt, dass sie es wert ist, auch heute noch gespielt zu werden. Vor allem aber: Dass sie geeignet ist, uns genau so wie dem damaligen Wiener Publikum schlichtweg Spaß zu machen.

Allerdings sinkt man nach den knapp 75 Minuten größtenteils ungebrochener Banalität und mit viel "Drive" präsentierter Heiterkeit etwas ermattet in die Sofakissen. Die einfachen Genüsse machen halt am schnellsten satt.

An Booklet und Klangqualität gibt es, wie zumeist bei Teldec, nichts auszusetzen. Das Klangbild ist differenziert, ausgewogen und klar, der Begleittext gibt in aller Kürze Aufschluss über Leben, Werk und Umfeld des weithin eher unbekannten Komponisten.

Repertoire: 4 Punkte
Klang: 5 Punkte
Interpretation: 5 Punkte
Edition: 4 Punkte

Gesamt: 18 von 20 Punkte

Sven Kerkhoff

 

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