Wer?! Kozeluch? Jemand, dessen Namen nahezu unaussprechlich ist (richtig
wohl: "Koscheluch") und den die Geschichte vielleicht zu Recht der
Vergessenheit anheim fallen ließ, ein "kleiner Geist und minderer Kollege
Mozarts" (W. Hildesheimer) - muss man dessen Werke denn einspielen?
Wenn man es so macht, wie das Concerto Köln, gibt es kurz gesagt nur eine
Antwort: Man muss!
Nicht zuletzt deshalb, weil das Urteil über diesen Zeitgenossen Mozarts, der
gleich ihm in Wien wirkte, zu Lebzeiten ein gänzlich anderes war: "Kozeluchs
Arbeiten erhalten sich und finden allenthalben Eingang, dahingegen Mozarts
Werke durchgehends nicht so ganz gefallen", heißt es in einem Bericht aus
dem Jahre 1788. Grund genug also, neugierig darauf zu sein, was denn damals
solchen Anklang gefunden haben mag.
Im Vergleich zu Mozart, um noch einen Moment bei dem Gedanken zu verweilen,
wird deutlich, was dessen Musik so einzigartig macht: Auch im häufig
zunächst heiter scheinenden Dur verbirgt sich bei ihm immer eine andere,
kaum benennbare Ebene, die dann und wann durchschimmert, die erahnen lässt,
dass es um mehr geht, als um pure Unterhaltung und Publikumsbelustigung.
Brechungen eben, die Interesse wecken.
Bei Kozeluch hingegen bleibt das meiste eindimensional. Nicht, dass es an
originellen Einfällen, an differenzierter, farbiger Orchestrierung fehlte,
doch dient all dieses stets nur der Erschaffung einer schönen
Oberflächlichkeit.
Andererseits: Wir erfreuen uns einer hübschen Fassade ja in vielen Fällen
recht gern ohne Rücksicht darauf, ob mehr dahinter steckt - wieso nicht in
der Musik? Es mag eben diese Freude sein, die das zeitgenössische Urteil
über Kozeluch begründete.
Die ausgewählten Symphonien sind jedenfalls bestens geeignet, einen
Überblick über die Vielseitigkeit und den Ideenreichtum des Komponisten zu
geben.
Die C-Dur-Symphonie ergeht sich ganz in Prachtentfaltung und Galanterie, das
thematische Material bleibt in seiner Entwicklung stets absehbar. Etwas
vielseitiger stellt sich da schon die Symphonie A-Dur (als einziges der
Werke keine Weltersteinspielung) dar. Diese bleibt zwar trotz ihres
Untertitels "à la française" insgesamt noch im üblichen Wiener-Stil der Zeit
verhaftet, doch hebt manche lyrische Passage sie angenehm aus dem üblichen
Einerlei heraus.
Spannend und z.T. abseits des Gewohnten dann die D-Dur-Symphonie. Im
Eingangssatz auf eine Ballettpantomime zurückgehend, offenbart sie die Nähe
zum Theaterbetrieb durch dramatische Einwürfe, überraschende Wendungen und
zwingt somit weit mehr dazu, die Ohren zu spitzen und sich nicht der puren
Unterhaltung zu überlassen.
Die Symphonie B-Dur schließlich dürfte das Wiener Publikum irritiert haben.
Sie trägt ganz zu Recht den Titel "L´irresoluto" - "Der Unentschlossene". Die
musikalischen Linien verlieren sich immer wieder in einem komplexen Dickicht
verschiedenartigster Ansätze, selbst am Schluss wird nicht so aufgelöst, wie
es den Hörgewohnheiten entspricht; die Unentschlossenheit lässt uns
irgendwie unbefriedigt zurück. Dabei sind sogar thematische Kühnheiten zu
bestaunen, wie etwa eine Melodie in den Streichern, die fatal an Bizet
erinnert. Insgesamt sicher das erstaunlichste der vier Stücke.
Das Concerto Köln spielt mit einem häufig geradezu tänzelnden Duktus und
insgesamt in gewohnt flirrender bis feuriger Manier. Dadurch gewinnen auch
die schwächeren Stellen der Werke ausreichend Farbigkeit, um nicht zu
langweilen. Kaum auszudenken, wie es einem erginge, brächte ein x-beliebiges
Symphonieorchester (und damit habe ich nichts, aber auch gar nichts über die
Bamberger Symphoniker gesagt) die Werke so komprimiert zu Gehör.
Aber das ist eben das Verdienst dieses Ensemble, dass es das uns Unbekannte
nicht einfach nur der Vergessenheit entreißt. Vielmehr wird nachvollziehbar
gemacht, warum diese Musik einst geschätzt wurde und es wird gezeigt, dass
sie es wert ist, auch heute noch gespielt zu werden. Vor allem aber: Dass sie
geeignet ist, uns genau so wie dem damaligen Wiener Publikum schlichtweg
Spaß zu machen.
Allerdings sinkt man nach den knapp 75 Minuten größtenteils ungebrochener
Banalität und mit viel "Drive" präsentierter Heiterkeit etwas ermattet in
die Sofakissen. Die einfachen Genüsse machen halt am schnellsten satt.
An Booklet und Klangqualität gibt es, wie zumeist bei Teldec, nichts
auszusetzen. Das Klangbild ist differenziert, ausgewogen und klar, der
Begleittext gibt in aller Kürze Aufschluss über Leben, Werk und Umfeld des
weithin eher unbekannten Komponisten.
Repertoire: 4 Punkte
Klang: 5 Punkte
Interpretation: 5 Punkte
Edition: 4 Punkte
Gesamt: 18 von 20 Punkte
Sven Kerkhoff