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Zeit: 28.07.2022
Ort: Nick’s Bistro, Marietta, PA
Fotograf: Norbert von Fransecky
Internet:
http://www.nicksbistromarietta.com
Die Corona-Restriktionen sind weniger geworden und so konnte das alle zwei Jahre stattfindende Pastoralcolloquium, das bereits für 2020 geplant gewesen war, in diesem Jahr tatsächlich über die Bühne gehen; dieses Mal wieder in Pennsylvania. Norbert war dort – und Chris Anderson hat ihn, wie bereits in der Vergangenheit, zu einem urtypisch amerikanischen Event mitgenommen. Und wieder stand auch Chris auf der Bühne.
Wenn man das Ganze denn Bühne nennen kann. Am Rande von Nick’s Bistro waren einige Tische zur Seite geschoben, Mikrofone und Stühle, sowie eine ordentliche PA aufgebaut worden, um Platz für die Musiker zu machen, die sich einfinden würden. Jeder konnte kommen. Der Tisch, der der „Bühne“ am nächsten stand, war im Wesentlichen von Menschen besetzt, die an diesem Abend auch Musik machen würden.
Stattgefunden hat das Ganze in dem kleinen Städtchen Marietta am Susquehanna River – nur zwei oder drei Kilometer, oder eine Flussbiegung entfernt von Prudhomme’s lost Cajun Kitchen in Columbia, wo ich Chris ziemlich genau sechs Jahre zuvor mit
JD & Rev. Chris erlebt hatte.
Als wir gegen 19 Uhr ankamen war das Programm bereits am Laufen. Auf der Bühne saß eine jugendliche Version von Bob Dylan, der mit der akustischen Gitarre unter anderem natürlich Dylan-Songs zu Gehör brachte. Er machte das gut und hatte definitiv eine bessere Stimme als der Nobelpreisträger auch in seinen besten Jahren. Ich bin mit dem umfangreichen Werk seiner Bobness nicht so vertraut, dass ich hätte erkennen können, ob es sich hier um ein reines Cover-Programm handelte; zumal Dylans Songs sich untereinander ja oft nicht so großartig unterscheiden.
Rob Edenbo gab den Dylan |
Rob Edenbo, so der Name des Nachwuchs-Dylans, erklärte mir später, sein Programm sei eine Mischung aus Dylan-Songs und eigenen Stücken gewesen. Letztere haben sich jedenfalls prima ins Gesamtwerk Dylans eingefügt.
Nachdem Edenbo den Platz geräumt hatte, war bereits Chris Anderson an der Reihe – mit einem ebenso gewagten Outfit, wie Programm. Seine lediglich auf der Mandoline gezupften Versionen amerikanischer Klassiker, u.a. von den Byrds, waren zumindest gewöhnungsbedürftig. Die Beinarbeit in Sandalen und kurzen Hosen wirkte unfreiwillig komisch. Immerhin brachte uns das Hawaii-artige Hemd, wie Anderson selbst erklärte, einen Ventures-Song ein. Der Genusswert des zu Hörenden stieg schlagartig als Chris von der Mandoline zur Mundharmonika wechselte und ein schönes Blues-Finale lieferte.
Während alle anderen an diesem Abend auftretenden Musiker (Muss nicht gegendert werden; waren nur Männer) offenkundig Stammkunden waren, nahmen nun zwei in Nick’s Bistro bislang anscheinend unbekannte Gitarristen die Bühne ein. Organisator Jack Brunner hatte sie zuerst für nicht zusammengehörende Solisten gehalten, und jedem von ihnen eine Spielzeit zugewiesen. Als er seinen Irrtum erkannte, ließ er den beiden die doppelte Spielzeit, was sich als gute Entscheidung erwies. Denn die beiden waren eindeutig die Sieger des Abends.
Ron Gaetz in Aktion |
Ron Gaetz und Mike Steele ließen nichts anbrennen und stürzten sich sofort in ein Klassiker-Programm. Nach einem Opener, der etwas Cat Stevens-Atmosphäre atmete, gab es „Ain’t no Sunshine“, „Tin Man“ von America, „Lay down Sally“, den „Nowhere Man“ und eine Reihe weitere Klassiker. Dabei entwickelten die beiden eine permanent steigende Power. Insbesondere Ron Gaetz machte mit seiner listigen Mimik deutlich, dass ihm dieser Auftritt bannig Spaß machte.
Zum Ende ihres Programms begaben sich zwei weitere Musiker zu ihnen auf die Bühne. Zuerst schnappte sich Albert „Mr. Harmony“ Weibel ein Mikro, um die beiden mit etwas Background-Gesang zu unterstützen. Dann griff Marshall Nowak zur Gitarre. Er war, wie mir Edenbo gesagt hatte, bereits zu Beginn des Abends solo aufgetreten. Als Ron Gaetz und Mike Steele mit ihrem Progamm zu Ende waren und ihre Gitarren einpackten, um sich nun dem leiblichen Wohl zu widmen, blieben die beiden gleich auf der Bühne zum Grande Finale. Das lief in Vierer-Besetzung ab. Dazu kam erneut Chris Anderson und der Organisator Jack Brunner himself an Gitarre und Gesang.
Die finalen Vier: Jack Brunner, Chris Anderson, Mr. Harmony und Marshall Nowak |
Insgesamt wurde es nun wieder etwas ruhiger. Recht bald nach Beginn kam gar so etwas wie ein Schlaflied. Ansonsten unterschied sich der stilistische Ansatz nur minimal von dem, was Ron Gaetz und Mike Steele vorgelegt hatten. Während man bei den beiden aber merkte, dass es sich um ein eingespieltes Duo und wohl auch ein eingeübtes Programm handelte, war bei diesen Vier der Jam-Charakter wesentlich deutlicher; die Publikumsreaktion deutlich verhaltener. Zwei Stücke vor allem, waren es, die die Gäste veranlassten, sich einmal nicht nur dem Essen und den Tischgesprächen zu widmen. Das war mit „Wonderful tonight“ der zweite Clapton-Song des Abends – vor allem aber der sehr engagiert vorgetragene „Folsom Prison Blues“ aus der Feder von Altmeister Johnny Cash.
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