····· Wolvespirit verkaufen Bullshit ····· Rock of Ages - Zusatzshows in 2025 ····· Ally Venable veröffentlicht Video zur neuen Single „Do you cry“ ····· Das zweite Album von Wizrd kommt zum Nikolaus ····· 40 Jahre Helloween - Das muss gefeiert werden ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Artikel

It’s A Long Way To Jena: Riff Raff müssen sich trotz Mitwirkung von Simon Wright mit einem spärlich gefüllten Kulturbahnhof zufriedengeben

Info

Künstler: Riff Raff feat. Simon Wright

Zeit: 17.10.2019

Ort: Jena, Kulturbahnhof

Internet:
http://www.kuba-jena.de
http://www.riffraff.it

Dass frühere oder auch aktuelle Mitglieder einer „großen“ Band bei einer Coverband, die sich dem Schaffen ebenjener „großen“ Band widmet, mitwirken, kommt nicht allzuoft, aber doch hin und wieder vor. Man erinnere sich etwa an Ian Paice, der sich hin und wieder das Vergnügen gönnt, sich bei Demon’s Eye hinters Schlagzeug zu klemmen, welchselbige bekanntermaßen zu den allerbesten Deep-Purple-Tribute-Bands des Planeten zählen und den Qualitätsansprüchen des Drummers offensichtlich mehr als genügen, denn es blieb keineswegs bei einer einmaligen Zusammenarbeit. Im hier vorliegenden Fall haben wir nun die Konstellation mit einem Ex-Mitglied: Simon Wright spielte bekanntermaßen ab 1983 bei AC/DC – auf Flick Of The Switch ist noch Phil Rudd zu hören, aber der geriet nach dem Einspielen seiner Parts mit Malcolm Young aneinander und mußte die Band daraufhin verlassen, die sich aus über 200 Bewerbungen einen noch nicht mal 20jährigen britischen Jungspund aussuchte, dessen bisherige Tätigkeitsfelder Tora Tora, A II Z und Tytan allenfalls NWoBHM-Experten kannten. Offenbar funktionierte die Zusammenarbeit auf der Tour zu besagtem Album gut, und so spielte Wright auch auf den Alben Fly On The Wall und Blow Up Your Video sowie den neuen Songs der Who Made Who-Zusammenstellung, bevor er bei Dio eine neue Herausforderung suchte, allerdings das Pech hatte, dass Ronnie seine Band nach dem unterbewerteten Lock Up The Wolves-Album auflöste, um zu Black Sabbath zurückzukehren. In den Folgejahren spielte Wright gelegentlich bei UFO und dann abermals, diesmal für drei Alben, bei Dio, bevor Ronnie erneut dem Lockruf Tony Iommis erlag und bis zu seinem Tod mit Heaven And Hell beschäftigt blieb. Wrights Mitwirken bei Dio wird auch auf dem Veranstaltungsplakat angezeigt, das den Gig von Riff Raff im Jenaer Kulturbahnhof ankündigt, eingebettet in etwas arg sprunghafte Touraktivitäten. Die in Mailand ansässige AC/DC-Coverband fährt mal eben 1000 Kilometer (eine Strecke) zum Gig nach Thüringen, spielt am nächsten Abend wieder in Italien und am übernächsten in der Schweiz – am Wochenende zuvor sind sie auch mal eben bei drei Gigs an aufeinanderfolgenden Tagen in Deutschland, Italien und Bulgarien gewesen. Spannende Frage ist nun, was sie aktuell spielen, und die Spannung geht in zwei Richtungen: Werden sie sich trauen, außer AC/DC-Material auch welches von Dio zu spielen, und was spielen sie von den mit Wright entstandenen AC/DC-Alben, von denen ja allenfalls mal der Titeltrack von Who Made Who in den Setlisten der „Hauptband“ auftaucht?
Beide Fragen lassen sich schnell beantworten, wenn der Leser runter zur Setlist linst – aber ein paar Worte müssen schon noch sein. Dio-Material gibt es nicht, obwohl der Rezensent sicher nicht der einzige Anwesende gewesen wäre, der sich darüber gefreut hätte: Simon Wright steht nach dem Gig noch für Autogrammwünsche zur Verfügung, und da gibt es Menschen, die quasi ihre halbe Plattensammlung mitgebracht haben, darunter eben auch seine vier Dio-Alben. UFO-Stoff hören wir auch keinen – aber von AC/DC steht tatsächlich die eine oder andere erhoffte Rarität im Set. Mit einer solchen geht’s nach dem Intro gleich los, nämlich „Guns For Hire“, weiland erste Singleauskopplung vom Flick Of The Switch-Album, also eine Nummer, die Wright nicht im Studio eingespielt, aber auf Tour hundertfach dargeboten hat. Wie er sich an diesem Abend in Jena 35 Jahre später schlägt, entgeht dem Rezensenten noch, denn dieser trifft erst nach dem Intro von „Hells Bells“ ein und verpaßt dadurch sowohl „Shoot To Thrill“ als auch die Hälfte von „Back In Black“, nach der erstmal das aus Bandbeständen stammende Gesangsmikrofon seinen Geist aufgibt und letztlich durch ein kulturbahnhofeigenes ersetzt werden muß, wonach aber nicht die zweite Hälfte des unterbrochenen Songs gespielt wird, sondern der nächste, eben „Hells Bells“ – so werden die Geschehnisse dem Rezensenten hinterher berichtet. Während seiner Anwesenheit tut die Technik jedenfalls ordnungsgemäß ihren Dienst, der Sound ist sehr laut, aber klar, und so sollte einer rauschenden Party eigentlich nichts im Wege stehen. Der Terminus „eigentlich“ bezieht sich auf den Umstand, dass der Saal nur zu vielleicht einem Viertel, allenfalls einem Drittel gefüllt ist. Zwar macht fast jeder der Anwesenden Lärm für anderthalb bis zwei, so dass der Stimmungspegel nicht gar zu weit absackt, aber so ganz optimal ist das Ganze für alle Beteiligten natürlich nicht. Die Band läßt sich indes keinerlei Frust anmerken und spielt mit genauso viel Energie, als hätte sie ein gefülltes Stadion vor sich. Eingespielt ist das Quintett nach so manchem gemeinsamem Gig offenbar bestens, und bisweilen bricht sich die Spielfreude auf ganz ungeahnte Weise Bahn, wenn etwa die erste Strophe von „Touch Too Much“ erklingt, obwohl der Song gar nicht auf der Setlist steht, oder Sänger und Leadgitarrist ein Halbakustikmedley u.a. mit „Rock’n’Roll Ain’t Noise Pollution“ vortragen, das die Anwesenden freilich eher zu verwirren scheint. Aber das „Normalprogramm“ überzeugt, es gibt einen Stapel Hits und neben „Guns For Hire“ und dem erwartbaren und abgefeierten „Who Made Who“ als weitere Rarität noch „That’s The Way I Wanna Rock’n’Roll“, weiland erste Single (und Quasi-Titeltrack) von Blow Up Your Video. Wer genau hinschaut, stellt fest, dass die Post-Wright-Ära ausschließlich „Thunderstruck“ beisteuert – aber außer fanatischen Anhängern der jüngeren Alben dürfte das niemanden entscheidend stören, und solche sind an diesem Abend offenbar nicht anwesend. Wer freilich auf die Wiedergabe des Bandnamensgebers gehofft hat, geht auch leer aus.
Neben Wright, der offenbar nichts verlernt hat und genau das grundsolide Fundament legt, das man von einem AC/DC-Drummer erwartet (da gehen die Meinungen durchaus auseinander, und Wrights Nachfolger Chris Slade wurde beispielsweise bisweilen vorgehalten, er würde zu metallastig spielen – auch bei Wrights Background des Jahres 1983 wäre diese Argumentation erstmal zu prüfen), stehen bei Riff Raff drei weitere instrumentale Könner auf der Bühne, wobei der Rhythmusgitarrist Malcolm auch noch optisch ähnelt, während der Basser ein Reinhard-Mey-Doppelgänger ist. Der Leadgitarrist entledigt sich bei „High Voltage“ seiner Kleidung und offenbart eine mit dem Bandlogo bedruckte Unterhose, was die Mitglieder einer anwesenden regionalen AC/DC-Coverband auf eine gewisse Idee bringen könnte. Bleibt der Sänger – in der Gesamtbetrachtung zwar das schwächste Glied der Kette, macht er doch einen allermindestens ordentlichen Job, auch wenn er hier und da leicht angestrengt klingt, was er aber durch eine Extraposition Enthusiasmus wieder kompensiert. In bestimmten Lagen wechselt er übrigens in eine Art Obertongesang, wobei die zweite Stimme eine Quinte über der ersten liegt – das ist keine Absicht, wie er später erzählt, sondern passiert einfach und verleiht manchen Passagen einen etwas ungewohnten, aber durchaus nicht uninteressanten Touch.
Der Block ab „Who Made Who“ ist eigentlich als Zugabenteil vorgesehen, aber das Quintett hängt die vier noch kommenden Songs kurzerhand gleich direkt an den Hauptset, ohne erst das alte Spielchen der Zugabeeinforderung anzusetzen. Da „For Those About To Rock“ als letzter Song erklingt und das auch bei AC/DC die übliche letzte Zugabe ist, ist den Anwesenden auch so klar, dass danach nichts mehr kommt, vom Konservenoutro abgesehen. Klar, jeder hätte sich noch den einen oder anderen Song gewünscht, und gerade der Rezensent grübelt durchaus, wie der Lock Up The Wolves-Titeltrack mit zwei Gitarren und mit diesem Sänger geklungen hätte, aber man kann nicht alles haben, und das Gebotene stimmt in der Gesamtbetrachtung zweifellos positiv, zumal sich die Band als fannah erweist, alle noch für einen Plausch zur Verfügung stehen und wie oben beschrieben Wright halbe Plattensammlungen signieren darf. Wenn es ein nächstes Mal geben sollte (und rein musikalisch betrachtet wäre das sehr als reizvoll), dann aber hoffentlich vor der dreifachen Publikumskopfzahl.

Setlist Riff Raff:
Blood Strength & Soul (Intro)
Guns For Hire
Shoot To Thrill
Back In Black
Hells Bells
That’s The Way I Wanna Rock’n’Roll
Thunderstruck
If You Want Blood You’ve Got It
You Shook Me All Night Long
High Voltage
Whole Lotta Rosie
Let There Be Rock
It’s A Long Way To The Top
Who Made Who
TNT
Highway To Hell
For Those About To Rock
Glorious Days (Outro)

Roland Ludwig


Zurück zur Artikelübersicht