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Artikel

Lemmy-Gedenken mit Volter in Hannover

Info

Künstler: Volter

Zeit: 28.12.2018

Ort: Subkultur, Hannover

Fotograf: Norbert von Fransecky

Internet:
http://www.volterzone.de
https://de-de.facebook.com/pages/category/Musician-Band/Sonic-Cruiser-116616698404790/

„Is schon ganz schön voll,“ begrüßt mich Gregor (B, Voc) um halb Neun vor dem Subkultur in der hannoverschen Oststadt. „Wird wohl voller werden als im letzten Jahr.“ Zum dritten Mal heißt es am 28.12. Remember Lemmy Kilmister im Subkultur, zum zweiten Mal mit Live-Musik, zum zweiten Mal mit Volter.

24., 26., 28. – 70. Geburtstag, Krebsdiagnose, Tod. So schnell, wie er sein Leben gelebt hat, hatte Ian Fraser „Lemmy“ Kilmister im Dezember 2015 den Countdown seines Ablebens in nur fünf Tagen runter gezählt. Seitdem wird an vielen Orten seiner gedacht. Einer ist das Subkultur in Hannover.


Um halb Neun steht eine Traube schwarz gekleideter Fans überwiegend im mittleren Alter vor dem Subkultur, raucht, klönt und nutzt den logistischen Vorteil, dass sich in unmittelbarer Nähe des Clubs zwei Kioske befinden, die den halben Liter Herrenhäuser für 1,10 zur Verfügung stellen. Man kennt sich, viele Neuankömmlinge werden mit Handschlag oder Umarmung begrüßt. Mindestens jeder zweite trägt Motörhead-Textilien, darunter erstaunlich viel Weiblichkeit. Ich schätze das Verhältnis Männlein:Weiblein auf nahezu 1:1 – bei Hard Rock- und Metal-Veranstaltungen alles andere als üblich.

„Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige,“ lautet ein Sprichwort und hier wird einem wahren König des Heavy Metal gehuldigt. Schlag Neun gehen Sonic Cruiser auf die Bühne. Keine Motörhead-Soundalikes, zum Glück, denn solche stehen dem Pulikum mit Volter (gesprochen: Wolter) an diesem Abend noch bevor.


Sonic Cruiser zapfen stärker eine der Quellen von Lemmy & Co an. Der Opener erinnert an die Ramones, ist aber deutlich härter und gibt mit der Hookline „Just go out of my Way“ das Motto für fast exakt 60 Minuten vor. Metal-lastiger Punk ist angesagt. „Laut, roh und voll in die Fresse,“ wie es Bassist Ralf Kütler im Kurzinterview in der Pause beschreibt.

Kütler ist nicht nur Sprachrohr der Band, sondern gemeinsam mit dem Drummer Holger auch der klare Aktivposten beim Stageacting. Gegrätscht und zurückgelegt malträtiert er seinen 4-Saiter, reißt ihn hoch, post wie Sau, lässt die Zunge raus schlabbern und grinst wie ein Honigkuchenpferd übers ganze Gesicht. Sechssaiter Gunter geht daneben fast verloren, obwohl er bei Stücken wie z.B. „Bombs over Berlin“ beweist, was er kann. Dieses Mal kein typisch punkiger Generalangriff auf‘s Schweinesystem. Die verbalen(!) Bomben sind exklusiv für den rechten Rand des Bundestags gedacht, wie Sänger Catsche in einer seiner zahlreichen Ansagen erklärt. Er ist übrigens – unverdient - der eigentliche Verlierer des Abends. Er gibt sich sehr sympathisch viel Mühe den Kontakt zum Publikum aufzunehmen, nimmt dazu immer wieder einmal ein Bad in der Menge. Leider gelingt es dem Mischer nicht, ihn ordentlich zu liefern. So wirkt sein Gesang immer wieder überschrieen und kann seine Qualitäten nicht ausspielen. Denn die sind offensichtlich da. In guten Momenten klingt er wie eine leicht vom Wahnsinn befreite Version von Serj Tankian. Einmal hat er kurz Pause. Als special guest kommt Fenne von Engrained auf die Bühne, um mit der Band „No Class“ zu performen. Die Band dürfte an dem Abend einige neue Freunde gewonnen haben.

Lemmy 2.0

Wir imaginieren einen blinden Motörhead-Fan, der von seinen Faves alles kennt, die Nachricht von Lemmys Tod allerdings verpasst hat. Der begeisterte Blick (Kann ein Blinder blicken?; Red.) der den Volter Opener „2 Lane Blacktop“ begleitet hat, wirkt beim folgenden „A.L.A.P.D.“ leicht irritiert, um bei „Rock‘n‘Roll Queen“ in die offene Frage „Spielen die heute denn nur neues Material?“ zu münden. Was sich bereits auf CD und im Proberaum gezeigt hat, bestätigt sich auf der Bühne. Zwischen Motörhead und Volter passt kein Blatt Papier.

Als das Programm nach dem 13. Titel wechselt, ist kein Unterschied zu erkennen – oder höchstens einer: Plötzlich erkennen auch diejenigen, die das Volter-Album nicht kennen, die Stücke, die gespielt werden. Mit „Bömber“ sind Volter in einen 9-Track-Tribut-Part eingestiegen, in dem eine Reihe nicht ganz so auf der Hand liegender Motörhead-Stücke gespielt werden. Zu Erwartendes wie „Dr. Rock“, „Stay clean“ oder natürlich „Ace of Spades“ blieben dafür im Koffer.

Drei ganz unterschiedliche Charaktere standen da auf der Bühne. An der einen Seite Gregor „Lemmy 2.0“ Musiol mit Bass und Gesang, der Lemmy 1.0s Bassspiel verblüffend authentisch aufnahm – und authentisch bedeutet hier eben nicht statisch wiederholend, sondern neu zum Leben erweckend. Darüber hinaus wurde Mr. Kilmister auch äußerlich kopiert. Das beginnt mit dem starken Backenbart und endet bei dem demonstrativen Mischen von Jacky-Cola im Tributteil. Dafür war extra ein Glashalter an den Mikroständer montiert. Musiol wirkte hoch konzentriert und diszipliniert. Möglicherweise lag das auch daran, dass er sich mit eben dieser Diät bereits gründlich auf den Auftritt vorbereitet hatte. Vor allem aber steckt ein Stück gesunder Ehrgeiz dahinter. Er will es mit dieser Band schaffen.

Für das kommende Jahr gibt es bereits reichlich Anfragen nach Gigs, so dass die nächsten Monate das make it oder brake it für Volter bedeuten könnten. Und wenn man die Form betrachtet, in der die Band hier auf der Bühne stand, ist die Hoffnung in relativ naher Zeit in recht großen Buchstaben auf den Festivalplakaten zu stehen, alles andere als unrealistisch ist. Dafür müssen nur genügend und die richtigen Leute von der Band wissen. Daher will Musiol in den kommenden Monaten alles mitnehmen, was möglich ist.

Das hat bereits – erst einmal wenig erfreuliche - Folgen für die Band. Die Zukunft sieht derzeit so erfolgreich aus, dass Gitarrist Hurricane Hardy die Reißleine gezogen hat. Im Gegensatz zu Gregor ist er nicht bereit, die Prioritäten so eindeutig auf die Band zu setzen und sein Beruf lässt ihm nicht den Spielraum, sich so massiv auf die Band einzulassen, wie es dazu nötig wäre. Es wurde an diesem Abend nicht laut verkündigt, aber es war sein letzter Auftritt mit der Band, die bereits eifrig nach einem Nachfolger sucht. Vor dem Konzert aber war das bereits Thema in vielen Gesprächen.

Davon merkte man ihm bei Auftritt nichts an. Er war der Fels in der Brandung, ein Ruhepol, der Anton und Gregor die aktiven Parts überließ, ohne etwas anbrennen zu lassen. Immer wieder ließ er seine Finger spielerisch über die Saiten seiner Gitarre laufen, die bei seiner massiven Statur fast wie ein Spielzeug wirkte und bewies, das sich ein Motörhead-Sound und Filigranität nicht grundsätzlich ausschließen. Auch bei der Wahl des Getränks blieb er bodenständig und prostete dem Publikum immer wieder mit einem Herrenhäuser in der 03er Variante zu.

Drummer Anton

Nicht hinten, sondern in der Mitte war der Platz von Schlagzeuger Anton Herrmann, der ihm bei der geringen Tiefe der Bühne die Möglichkeit bot, auch ein Stück weit Frontmann zu sein. Und die nutzte er. So wie Hurricane Hardy bewies, dass Motörhead und das Filigrane vereinbar sind, lies er dem Humor freien Raum. Kleine Fills auf den Hi Hats begleitete er mit einem fröhlichen Grinsen und kommunizierte permanent mit dem Publikum. Vor allem aber zementierte er einen massiven Boden für den Sound der Band.

Und das Schönste am Ganzen? Natürlich waren die Motörhead Epigonen laut, aber glücklicherweise versuchten die Niedersachsen nicht eine witere Drehung an der Schraube im Wettbewerb des „Everything louder than anything else“ anzuziehen. So war es perfekt fett, ohne dass die Band unter ihrem eigenen Soudwall begraben wurde. Sollten Volter 2018 nicht in den Listen der besten Livebands des Jahres auftauchen, dann ist der Grund dafür schnell auszumachen. Es haben sie einfach zu wenig Leute gesehen – noch!

Setlist Volter

2 Lane Backtop
A.L.A.P.D.
Rock’n’Roll Queen
Ghostrider
Crimson Sky
Off to War
Mister Sinister
Kiss my Ass
Zombieland
Rock’n’Roll
Dead inside
Volter
Nice Boys
Bömber
The Hammer
Damage Class
Over the Top
R.A.M.O.N.E.S.
Road Crew
Motörhead
Iron Fist
Killed by the Death

Echte(!) Zugabe:
Motörhead

Norbert von Fransecky


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