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Info
Zeit: 18.09.2015
Ort: Burgrieden - Riffelhof
Besucher: 400
Fotograf: Bogdan und Adriana Gaszczyk (www.foto-fiction.de)
Internet:
http://www.glennhughes.com
http://www.riffelhof.de
Glenn Hughes ist einer der schillernden Persönlichkeiten der Rockmusik der 70er-Jahre. Mit Deep Purple hat er in der legendären „Mark III“-Besetzung Alben wie Burn, Stormbringer und Come Taste The Band mitgestaltet, war bei Bands wie Trapeze, Black Country Communion und Black Sabbath und hat mit zahlreichen weiteren Künstlern wie Joe Lynn Turner oder Pat Thrall tolle Alben veröffentlicht. Mittlerweile führt er seine Solokarriere in einer klassischen Powertrio-Formation fort. Zu seiner aktuellen Band gehört Gitarrist Doug Aldrich, der bereits mit Ronnie James Dio und Whitesnake einige Alben veröffentlicht hat. Am Schlagzeug ist der Schwede Pontus Endborg, der Glenn Hughes seit 2010 bei seinen Soloauftritten begleitet.
Burgrieden liegt etwa 15 Minuten hinter Ulm. Der Riffelhof selbst liegt mitten in dem kleinen Ort und hat Platz für ca. 500 Gäste. Am besten beschreibt man die Location mit „urig“. Eine cooler, lässiger Club, bei dem jeder schön auf die Bühne sehen kann. Für Leute, die es ein bisschen gemütlicher haben wollen ist sogar eine Empore vorhanden. Die Getränkepreise sind in Ordnung, das Personal ist freundlich und man bekommt sein Getränk äußerst schnell serviert. Der Club ist nicht komplett ausverkauft, aber es dürften ca. 400 Leute anwesend sein.
Als Vorband wurde der Amerikaner JARED JAMES NICHOLS engagiert. Auch er fungiert als Powertrio, das eine Mischung aus fetzigem Rock'n'Roll und Bluesrock präsentiert. 2014 hat er sein erstes Album Old Glory And The Wild Revival veröffentlicht. Jared James Nichols erinnert optisch an eine Mischung aus James Hetfield und Ted Nugent, wobei er musikalisch eher mit „The Nuge“ zu vergleichen ist. Auch gitarrenspieltechnisch und von der Bühnenshow her ist er Ted Nugent nicht ganz unähnlich. Die Songs hören sich sehr knackig an und machen Laune. Zusammen mit seinen zwei überaus engagierten Mitstreitern zelebriert er die Musik mit einer Begeisterung, die ansteckt. Dabei lässt er die Gitarre mal wuchtig röhren, mal im Dobro-Style klingen und zeigt so, dass er sehr viele verschiedene Stile beherrscht. Die 50 Minuten vergehen wie im Flug. Mountains „Mississippi Queen“ wird in einer wuchtigen, dampframmenartigen Zugabe gespielt und beendet einen kurzweiligen, musikalisch sehr ansprechenden Auftritt. Während des Gigs hat sich Doug Aldrich aus dem Backstage-Bereich hinter die Theke geschlichen und schaut sich hier ein paar Songs des Amerikaners an. Dabei applaudiert er lautstark und schreibt ganz unauffällig ein paar Autogramme.
Um 21.15 Uhr kommt der „Hauptact“ des Abends: Mr. GLENN HUGHES! Das Trio legt brachial mit „Stormbringer“ los. Bisher habe ich Glenn Hughes immer in einer Band mit Hammond-Orgel gesehen, heute hat er keine dabei. Dieses „Manko“ wird dadurch ausgeglichen, dass der Sound brachial laut ist und sämtliche Instrumente diese Löcher stopfen. So kommt „Stormbringer“ eher wie eine Abrissbirne rüber, als die Version, die man von der CD her kennt. Glenn Hughes hat sich optisch und gesundheitlich gut gehalten, er wirkt fit wie ein Turnschuh. Gesanglich ist er stark wie eh und je und lässt Vokal-Passagen vom Stapel, dass einem Hören und Sehen vergeht. Er erzählt viel und betont unzählige Male, dass es ihm eine Freude ist, auf der Bühne zu stehen und mit seinen Freunden Musik zu machen. Er bedankt sich mehrfach beim Publikum für die jahrzehntelange Unterstützung, was sehr sympathisch rüber kommt.
Ich stehe während des Konzerts direkt vor Glenn Hughes. Für mich als Bassisten ist es sehr interessant dem Altmeister auf die Finger zu schauen. Sein abgewetzter Fender-Bass muss auch heute wieder einiges aushalten. Zusammen mit Doug Aldrich post Hughes regelrecht um die Wette. Die beiden spielen sich die Bälle gegenseitig zu und haben sichtlich Spaß auf der Bühne. Aldrich kommt in dieser Besetzung wesentlich hemdsärmliger und erdiger rüber, als bei den Auftritten mit Whitesnake. Es wird während der Songs viel improvisiert und soliert, was einigen Fans sehr gut gefällt, mir jedoch manchmal ein bisschen zu lange dauert.
Songtechnisch freue ich mich am meisten über den Song „Sail Away“ von Deep Purples Burn-Album. Hier erzählt er ein bisschen was über die Arbeit mit David Coverdale und Deep Purple im Allgemeinen. Leider macht er das ansonsten nicht, es gibt auch kaum Ansagen. Er greift überraschend häufig auf Trapeze-Songs zurück, die vom Publikum eher verhalten aufgenommen werden. Ich führe dies darauf zurück, dass sie schlicht und einfach nicht so bekannt sind. „Mistreated“ gerät zum Highlight des Abends. Hier präsentiert er sein komplettes Stimmvolumen und hinterlässt beim Publikum eine wahre Gänsehaut. Im direkten Vergleich mit David Coverdale ist Hughes hier klarer Sieger nach Punkten. Auch Ian Gillan kommt schon lange nicht mehr an die stimmlichen Qualitäten von Glenn Hughes ran.
Pontus Endborg spielt ein Schlagzeugsolo, das zum verrücktesten gehört, was ich bisher gesehen habe. Der Typ verdrischt mit einer beängstigenden Wucht sein Drumkit und scheint dabei völlig entrückt zu sein. Ich bekomme den Eindruck, dass ein Roboter vor mir sitzt. Dass er danach überhaupt noch atmen kann, grenzt an ein Wunder. Leider wirkt sich die brachiale Spielweise auf den Gesamtsound aus. Der Sound wird im Laufe des Abends immer lauter. Es schmerzt regelrecht in den Ohren, obwohl ich Ohrenstöpsel trage. Von der Band Black Country Communion wird lediglich der tolle Song „One Last Soul“ vom Debütalbum präsentiert, der sehr feurig aus den Boxen donnert. Spätestens hier ärgere ich mich einmal mehr darüber, dass das Konzert damals in Stuttgart abgesagt wurde. Ohne Zugabe geht’s nicht und was könnte besser passen als der alte Deep-Purple-Kracher „Burn“? So brennt im wahrsten Sinne die Band noch einmal ein wahres Feuerwerk ab. Die Stimmung im Riffelhof ist blendend, das Publikum gibt noch einmal alles. Nach 110 Minuten ist Schluss und die Band verabschiedet sich von einem begeisterten Publikum.
Ich fand den Auftritt beeindruckend. Glenn Hughes ist mittlerweile 63 Jahre alt und in der Form seines Lebens. Zusammen mit dem überragenden Doug Aldrich und dem durchgeknallten Schweden Pontus Endborg bildet er ein Powertrio, das dieser Bezeichnung wirklich alle Ehre macht. Die übermäßige Lautstärke, die vielen Improvisationsteile und die etwas unausgegorene Setlist sind für mich an diesem Abend die wesentlichen Kritikpunkte. Musikalisch war das Ganze auf allerhöchstem Niveau. In dieser Form kann „The Voice Of Rock“ gerne noch länger durch die Lande ziehen!
Setliste:
Stormbringer
Orion
Way Back to the Bone
Sail Away
Touch My Life
Guitarrensoolo Doug Aldrich
Mistreated
Good to Be Bad
Can't Stop the Flood
Schlagzeugsolo Pontus Endborg
Soul Mover
One Last Soul
Ein Großer Dank geht an Bogdan und Adriana Gaszczyk von www.foto-fiction.de für die großartigen Live-Shots!
Stefan Graßl
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